-4- Nikolas

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"Sie haben ihr Studium mit einem Durchschnitt von 1,4 abgeschlossen?", fragte ich die aufgetakelte Frau vor mir. Wobei 'Barbie' die korrektere Beschreibung wäre. Das soll vielversprechend sein? Die soll in der Öffentlichkeit meine Firma wiederspiegeln?

"Ja!", piepste sie mit ihrer unausstehlich schrillen Stimme, während sie mich mit den Augen auszog.

Das war mit Sicherheit das längste Bewerbungsgespräch, dass ich je führen musste. Die ist ja mal sowas von raus.

"Mary?!", rief ich aus meinem Büro.

"Ja?", fragte Mary als sie mir gegenüber stand.

"Rufen sie Ms. Löhler und Ms. Erl an. Die beiden bekommen die Jobs. Damit sind sie freigestellt. Arbeiten sie sie am Montag noch ein und fliegen sie dann zu Teresa.", befahl ich.

"Gut. Wäre das alles?", fragte sie, immer noch kalt.

Ich nickte und schon machte sie auf dem Absatz kehrt und war verschwunden. Als ich gegen 19:00 Uhr alle möglichen Mails beantwortet hatte, machte ich mich auf den Weg in die Wohnung. Als Zuhause kann man es nicht bezeichnen. Teresa fehlte mir zu sehr und es war, als hätte ich mein Zuhause verloren. Aber unter den Momentan umständen, würde ich kein Vater und kein Ehemann sein können.

Wie sollte Jemand Vorbild und Beschützer sein, wenn er nicht mal wusste, wer er selber war.

Ich entschloss mir eine Pizza in den Ofen zu schieben, weil meine Haushaltshilfe heute frei hatte und somit kein Essen gemacht hatte. Danach schlüpfte ich in meine Laufkleidung und ging joggen.

Weiter

Immer weiter

War es richtig?

Es musste. Es war zu spät.

Was sie wohl gerade tut?

Ignoriere es! Sie darf keine Rolle spielen. Sie muss dir egal sein.

Ob sie mich noch liebt?

Nein. Das durfte sie sich nicht antun.

HASS MICH.

Das macht es für uns alle einfacher.

Eine knappe Stunde später stand ich unter der Dusche. Mittlerweile zeigte die Uhr 21:00 Uhr und ich beschloss noch ein wenig Schreibkram für die Arbeit vorzubereiten.

Der Kaffee neben meinen Unterlagen gab mir Kraft und so tippte ich in den Laptop. Erst als Mitternacht verstrichen war, schlüpfte ich unter meine Decke und zog mich in einen unruhigen und wenig erholsamen Schlaf zurück.

Die Woche verflog wie im Flug und schon war wieder Montag. Der letzte Tag mit Mary. Ich betrat das Büro mit gemischten Gefühlen und sah Mary bereits am Drucker stehen.

"Guten Morgen, Mary.", begrüßte ich sie Freundlich.

"Morgen, Mr. Harrow.", gab sie kalt und ohne sich von dem Drucker abzuwenden, von sich.

Ohne es weiter zu beachten verzog ich mich in mein Büro und begann meine alltäglichen Telefonate zu führen. Gegen 9:00 Uhr hört ich Stimmen aus dem Empfangsbereich. Die Neuen. Mary musste sie ja noch einarbeiten, bevor sie gehen würde.

Den ganzen Tag klopften im Halbstunden-Takt die neuen an, um mir irgendwelche sinnfreien Fragen zu stellen. Dementsprechend war ich nicht sonderlich produktiv und äußerst unzufrieden mit mir selbst. Und dass ich Mary in wenigen Minuten verabschieden würde, verleite meiner Laune nicht unbedingt einen Aufschwung. Es klopfte und Mary steckte ihren Kopf zur Tür herein.

"Auf Wiedersehen Mr. Harrow."

"Auf Wiedersehen Mary.", sagte ich, komplett überrumpelt von der kalten Verabschiedung einer alten Freundin. Auch wenn ich es nicht zugeben wollte. Es traf mich ungemein.

Hass michWo Geschichten leben. Entdecke jetzt