Teil 55 - Vollendete Tatsachen

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Als ich wieder zu Hause ankam, war unten alles still, aber als ich meine Schuhe auszog hörte ich komisches Gepolter von oben. Ich zog die Stirn kraus und schlich die Treppe nach oben. Die Geräusche kamen eindeutig aus Jonas altem Zimmer. "Hallo?!", rief ich und stieß die Tür auf. Als ich eintrat, schauten mich meine Eltern beide mit einem ertappten Gesichtsausdruck an. Mein Lächeln verschwand auch gleich wieder aus meinem Gesicht und ich setzte mein Miene der letzten Tage auf. "Was macht ihr denn hier?", fragte ich verwirrt. "Wir setzten uns am besten Mal." "Wir müssen nämlich mit dir reden.", ergänzten sich meine Eltern. Jetzt zog ich beide Augenbrauen fragend nach oben. Setzte mich aber, wie meine Eltern mir befohlen hatten mit ihnen auf die Couch, die in Jonas Zimmer stand. "Du hast vorhin gesagt, dass du einen Neuanfang willst und herausfinden möchtest, wer du jetzt bist. Und wir gehen davon aus, dass es da dazu gehört, dass du auch deinen richtigen Vater und deinen Bruder kennenlernen möchtet.", erklärte mein Vater. Ich ahnte Schlimmes. Solche Gespräche konnten auch zu nichts Gutem führen. "Wir dachten uns, dass das am besten geht, wenn du raus aus Dortmund bist und auch von uns weg. Deshalb haben wir Jonas angerufen und gefragt, ob du für eine Zeit bei ihm wohnen kannst!", fuhr meine Mutter fort. "Ich?! Bei Jonas?", stieß ich aus. "Wie lange du bei ihm bleiben willst entscheidest du. Er freut sich riesig auf dich. .. und er kommt dich morgen schon abholen!", sagte nun wieder mein Vater. "Morgen schon?", stammelte ich. Wieso werde ich immer vor vollendete Tatsachen gestellt? Aber protestieren hatte auch keinen Sinn. Genervt wechselte ich das Thema. "Könnt ihr bitte noch mein Zeugnis unterschreiben für die Bewerbung und dann könnt ihr weiter Jonas Sachen ausräumen." Ein paar Minuten später verließ ich das Zimmer mit schlechter Laune, aber immerhin mit einem unterschreiben Zeugnis. Ich scannte es gleich ein und fügte es meiner online Bewerbungen noch hinzu. Danach begann ich dann meine Sachen zu packen. Ich holte ein große Tasche und legte los. Morgen würde mich Jonas schon abholen. Morgen schon. warum hatten meine Eltern eigentlich immer die dümmsten Ideen? Ich wollte ja weg von ihnen, aber nicht so weit. Was soll ich denn in Wiesbaden? Da war kein Erik und vor allem kein Julian und mit Mats hatte ich mich auch noch nicht ausgesprochen. Ich fühlte mich unwohl in meiner Haut, aber an meinem Schicksal konnte ich auch nichts mehr ändern. Eigentlich wollte ich meine Eltern davon überzeugen vorrübergehend bei Julian einzuziehen, aber jetzt, wo sie Jonas hier her bestellt hatten, hatte es eh keinen Sinn mehr. Jonas und ich haben uns eigentlich immer gut verstanden, aber irgendwie war das Verhältnis auch komisch. Irgendwie hatte Jonas schon immer die Arschkarte gehabt. Er war halt das Sandwich-Kind. Vorne der große erfolgreiche Bruder und hinten die kleine, führer kranke Schwester. Auch als ich klein war hatte ich gemerkt, dass Jonas und Mats immer einen Komkurrenzkampf um mich gemacht haben und ich muss ehrlich zugeben, dass mein Verhältnis zu Mats bis jetzt immer besser war. Damit will ich aber nicht sagen, dass ich Jonas weniger mag. Ich glaube einfach, dass er ein schweres Schicksal hat.  Außerdem haben wir uns in den letzten Jahren wenig gesehen. Ich freue mich auf jeden Fall ihn wieder zu sehen, aber doch nicht so!

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