Kapitel 20

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Elena:

Ich sehe ihm lange hinterher und starre in die Dunkelheit. Während der letzten Wochen habe ich mir immer wieder vorgestellt was passieren würde, wenn wir wieder aufeinander stoßen würden. Nicht einmal ich konnte mir so etwas vorstellen. Wir müssen einen Weg finden ihn zu überzeugen uns wenigstens zuzuhören. Eines ist auf jeden Fall sicher: Ich kann Liam nicht aus dem Weg gehen.

Als mir dieser Gedanke bewusst wird, geben meine Knie nach und ich sinke auf den Gehsteig. Weinend verstecke ich mein Gesicht hinter meinen Händen, obwohl mich in der Dunkelheit sowieso niemand sehen könnte. Mittlerweile ist es mir egal, dass ich weine. Ich habe an diesem Tag eindeutig zu viel erlebt.

Ein paar Minuten später beschließe ich, wieder zu den anderen beiden zu gehen. Ich muss ihnen sagen, was passiert ist. Leider wird so nicht verhindert, dass ich ihnen sagen muss, dass das der Junge war, wegen dem ich umgezogen bin. Ich kann dieses Geheimnis nicht länger tragen, obwohl es erst seit einigen Stunden existiert. Erschöpft gehe ich wieder in Scott's Haus und atme tief durch, bevor ich in sein Zimmer gehe. Wie erwartet sitzen die beiden unschlüssig auf dem Bett und denken nach, was sie als nächstes tun sollen. Beide fahren erschrocken auf, als ich hereinkomme. 

,,Elena! Wir dachten du seist nach Hause gefahren.", sagt Stiles und nimmt mich in den Arm, ,,Was ist passiert?" Eine Weile sage ich nichts. ,,Könnte jemand Jack anrufen und ihm sagen er soll herkommen?", frage ich zitternd. Fragend zieht Stiles sein Handy aus der Tasche und ruft meinen Bruder an, doch ich ignoriere seine Fragen bestimmt. 

,,Jack ist gleich hier. Willst du uns nicht erzählen was passiert ist?",fragt Scott besorgt, doch ich schüttle wieder den Kopf. ,,Später." Beide verstehen, dass mich diese Sache extrem bedrückt und sie versuchen mich aufzuheitern. Ich lehne mich an Scott's Brust und schließe die Augen. Erst als ich von beiden Seiten zerdrückt werde, öffne ich sie wieder und sehe wie mich Stiles und Scott förmlich zerquetschen. Ein trauriges Lächeln schleicht auf meine Lippen und die beiden lassen mich los. Mit siegessicherem Grinsen sieht Stiles mich an. 

,,Siehst du?! Du kannst schon wieder lächeln, Prinzessin!", grinst er, worauf ich ungewollt anfange zu kichern. ,,Prinzessin? Wirklich?" ,,Stimmt doch! Als fast schon großer Bruder brauche ich einen Spitznamen!", rechtfertigt er sich.

,,Da hat er völlig recht, Prinzessin!", sagt nun eine Stimme. Als ich mich umdrehe erkenne ich meinen grinsenden Bruder, der an der Tür lehnt. Sein weicher Blick wechselt sofort zu einem besorgtem, als er mein Gesicht sieht. Bestürzt kommt er auf mich zu und nimmt meinen Kopf in seine Hände.

,,Wieso hast du geweint?", flüstert er. 

,,Du weißt doch, Liam?", frage ich leise. 

,,Der Junge der gebissen worden ist?"

,,Auch. Weißt du. Als Stiles und Scott ihn entwischen lassen haben, bin ich ihm hinterher und wollte ihn aufhalten.", fange ich an, doch weiß nicht wie ich es erzählen soll.

,,Was ist passiert?", fragt Scott neugierig. Die nächsten Worte kosten mich un geheime Kraft, obwohl ich schon so müde bin. Ich wusste schon jetzt wie die Reaktion meines Bruders ausfallen wird, und habe Angst, dass er seine Kontrolle verliert. In diesem Thema war er schon immer empfindlich. Egal ob es um Blake, John, Marie oder mich ging war er sofort kampfbereit. 

,,Jack. Es war Liam Dunbar", flüstere ich. 

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Liam

Schwer atmend komme ich nach Hause und lasse mich vor der Haustür auf den Boden sinken. Glücklicherweise müssen meine Eltern noch arbeiten und es wird ihnen nicht aufgefallen sein, dass ich weg war. Zitternd hole ich meinen Schlüssel aus meiner Hosentasche und versuche die Tür aufzuschließen. Nach einigen Versuchen schaffe ich es und gehe ins Haus hinein. Ich werfe meine Schuhe in eine Ecke und stürme nach oben. Als ich in meinem Zimmer war, stelle ich erschrocken fest, dass es schon halb 3 in der Nacht ist. Meine Eltern müssten bald nach Hause kommen. Als ich in meinem Bett liege, lasse ich den Tag noch einmal an mir vorbeiziehen.

Wer war dieser Junge auf dem Dach? Was hat Scott damit gemeint, dass ich gebissen wurde. Gequält sehe ich auf die Bisswunde an meinem Arm und verziehe das Gesicht. Eine große Wunde klafft auf meinem Arm. Schnell hole ich mir den Verbandskasten und versuche so professionell wie möglich die Wunde zu verbinden. Nachdem das erledigt ist, liege ich wieder in meinem Bett.

Wie schon so oft in dieser Nacht kreisen meine Gedanken um Elena. Sie hatte gebrochen und stark zugleich gewirkt. Elena wollte nie jemandem Schaden zufügen, doch ich kann nicht leugnen, dass mir ihr Gesichtsausdruck keine Angst gemacht hat. Momente unserer Kindheit fliegen an mir vorbei und ich könnte meinen Kopf gegen die nächste Wand schlagen. Warum musst du nur so ein Idiot sein, Liam Dunbar! Ich hole eine Kiste unter meinem Bett hervor und öffne sie vorsichtig. Als wir umgezogen sind habe ich mich nicht dazu überwinden können, sie wegzuwerfen. Ich hole einen Stapel Fotos heraus und sehe sie mir traurig an. Auf den meisten sieht man einfach nur Kinder, die herumalbern, doch auf manchen kann man sehen wie eng sie miteinander verbunden sind. Traurig stecke ich die Bilder von Elena und Mir wieder hinein und ziehe einen Stapel Briefe heraus. Auf dem ersten, den ich lesen will, sind so viele Briefmarken darauf geklebt worden, sodass man die Schrift fast nicht mehr lesen kann. Lächelnd öffne ich ihn.

Hey Liam, 

ich will dich herzlich zu meinem 9. Geburtstag einladen. Wir würden dann ins Schwimmbad gehen. Also vergiss deine Badesachen nicht ;) Wenn du nicht kommen kannst, erinnere dich an meine Worte: Ich weiß wo dein Haus wohnt. 

Mit freundlichen Grüßen, deine beste Freundin

Elena

Ein trauriges Lächeln umspielt meine Lippen. Ich kann mich noch genau an diesen Tag erinnern. Es regnete und somit konnten wir nicht zum Schwimmbad fahren. Elena war traurig, sodass ich und Jack sie aufheitern mussten. Noch dazu war sie enttäuscht, weil nur ich von ihren Freunden Zeit hatte und wir somit nur zu dritt waren. Jack und ich zogen sie in unser Baumhaus, dass wir mit ihrem Vater gebaut hatten, als er noch nicht so beschäftigt mit seiner Kanzlei war.

Mit der Hilfe ihrer Mom und dem 7. Jährigen Blake haben wir das Baumhaus mit Girlanden und Luftschlangen geschmückt. Als sie das Baumhaus betrat, war sie so überwältigt, sodass sie weinte. Natürlich vor Freude. Den Nachmittag verbrachten Blake, Jack, Elena und ich im Baumhaus und spielen Brettspiele. Lächelnd stecke ich den Brief wieder in die Kiste. Als ich den nächsten Brief hinausziehe, weiß ich sofort, dass das der letzte Brief war, den sie mir geschrieben hat. Den Brief hatte sie mir vor 5 Jahren wortlos in die Hand gedrückt. 

Liam,

Auch wenn ich nicht weiß, was passiert ist, möchte ich mich entschuldigen, egal was es ist. Ich will dich nur wissen lassen, dass du mit mir reden kannst und dass ich immer für dich da sein werde. Ich hoffe, dass wir uns jemals wieder vertragen können, denn ich kann nicht so leben wie jetzt. Du ignorierst mich. Ich weiß, dass das nicht du bist. Tief in deinem Herzen existiert der Liam, der mit mir immer Jack geärgert hat, der, der Blake Skateboard fahren beigebracht hat, der Liam, der Marie immer als seine Prinzessin bezeichnet hat oder der, der dabei war als John seine ersten Schritte gemacht hat. Ich will nur damit sagen, dass du immer ein Teil meiner Kindheit sein wirst. Ob positiv oder negativ, entscheidest du. Ich brauche keine Antwort von dir. 

Elena 

Eine Träne läuft meine Wange hinunter und ich werfe vor Wut den Brief in die Ecke. Als ich einen Zettel aus der Box ziehe, kommen Erinnerungen hervor. Als ich vor zwei Jahren diesen Brief gelesen habe, wollte ich sofort zu Elena, doch mein blaues Auge von einer Schlägerei hielt mich zurück. Der Zettel war voller vertrockneter Tränen und die Schrift sieht so aus, als ob die Person heftig gezittert hat.

Liam.

Obwohl du nichts mehr von mir willst, habe ich eine Bitte an dich. Es geht um meine Oma Helena. Erinnerst du dich noch an ihre steinharten Kekse oder ihre Mystik Geschichten? Sie war wie eine Großmutter für dich. Sie ist gestern eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht. Ich würde dich gerne zu ihrer Beerdigung am 19.11 einladen. An ihrem Sterbebett hat sie zu mir gesagt, ich solle alles versuchen,mich mit dir zu versöhnen. Wir sehen uns hoffentlich.

Elena

New Beta / Liam Dunbar ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt