Kapitel 46

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Blake dagegen sieht immer so aus, als hätte man ihn gegen die nächste Wand geworfen und dann verprügelt. Er war erst 10 als sie gestorben ist. Neben den Zwillingen, die sich gar nicht an sie erinnern können, hat er die wenigsten Erinnerungen an sie. Er war auch nicht so oft bei ihr wie Jack oder ich, obwohl sie nur 5 Minuten zu Fuß entfernt wohnte. Er hatte sich manchmal sogar geweigert, zu manchen Familien Festen zu gehen. Ich habe keine Ahnung wieso. Das einzige, dass ich nun weiß ist, dass er zu tiefst bereut keine Zeit mit ihr verbracht zu haben.

Mit glasigen Augen sieht Blake mich an und obwohl das Zimmer von warmen Sonnenlicht durchflutet ist, scheint es so als würde es dunkler werden.  Auch meine Augen werden glasig, während sich eine Träne von meinem Bruder seine Wange hinunter verirrt. Wortlos ziehe ich ihn in meine Arme. Seine kräftigen Arme schlingen sich um meinen Oberkörper und sein Kopf vergräbt sich in meiner Hals beuge. Ich wusste,dass er nicht gerne weint. Oft zieht er sich alleine zurück. Als ich ihn einmal darauf ansprach, erwiderte er tonlos: 

,,Wenn eine Person in deinen Armen weint oder schläft, ist sie leicht angreifbar. Das bedeutet das Vertrauen zu dir ist so groß, dass die Person denkt, du kannst sie beschützten." 

Diese Worte hallen in meinem Kopf umher. Wie recht er doch hat. Gleichzeitig wecken sie auch meinen Beschützer Instinkt und ich schlinge meine Arme fester um seine Schultern. Ich will ihn beschützen. Ihn. Jack. John. Marie. Mom und Dad. Egal wen. Niemand soll wegen dieser verdammten Todesliste in Gefahr geraten. Das werde ich nicht zulassen. Das schulde ich Sean. Dafür, dass ich ihn nicht beschützen konnte. Nach diesem Gedanken weine ich direkt in Blakes Haare. 

Irgendwann ist Blake vor lauter Erschöpfung eingeschlafen. Unter seinen Augen erkennt man eine deutliche Rötung. Dieses  Gespräch lief eindeutig in die falsche Richtung. Aber ich denke, es hat ihm gut getan sich so zu zeigen wie er ist. Ein warmes Gefühl breitet sich in mir aus, als ich erkenne, dass ich sein wahres Ich sehen durfte. Trotzdem finde ich es nicht gut, dass die meisten Gespräche, die ich in letzter Zeit geschrieben habe damit enden, dass irgendjemand weint. 

Da ich nicht in meinem Zimmer rumgammeln will, beschließe ich ins Wohnzimmer zu gehen. Überrascht stelle ich fest, dass Mom und Dad ruhig auf dem Sofa sitzen und über die Einladungen diskutieren. In letzter Zeit nehmen sie sich viel öfter frei. Sonst würden sie schon in ihrem Büro sitzen. Wortlos setzte ich mich neben Dad und nehme mir einen Entwurf der Einladung.

,,Ihr solltet nicht so viel übertreiben. Auf dem Cover sollten eindeutig weniger Blumen", lache ich, ,,Wieso macht ihr euch überhaupt solche Mühe?" Dad dreht seinen Kopf nun auch lachend zu mir. 

,,Ich denke, wir sind einfach an diese noblen Einladungskarten gewöhnt.", grinst er und wuschelt mir durch die Haare. 

,,Was hältst du davon, wenn du die Karten designest, während wir uns um die Deko kümmern?", fragt Mom. 

,,Ich denke, das wäre schlauer.", antworte ich, während ich mir schon ein leeres Blatt und einen Bleistift nehme.  Sichtlich erleichtert davon, dass die Einladung keine Katastrophe wird, gehen meine Eltern in den Keller, um Tische und Stühle und, was weiß ich, was man zu einer Gartenfeier braucht, holen, da wir eigentlich schon unter 'Zeitdruck' stehen, wenn wir den Samstag die Feier machen wollen. 

Still zeichne ich ein paar Versuche auf ein Schmierblatt, während ich leise zur Musik aus unserer Anlage summe. Nachdem ich einige Male fast komplett verzweifelt wäre, habe ich doch ein gutes Layout hinbekommen. Da ich gerade keine Ahnung habe, wo meine Eltern sind, lasse ich die Blätter einfach auf dem Couchtisch liegen. Die Uhr über unserem Fernseher sagt mir, dass es schon 12:00 Uhr ist. Ich bin nicht wirklich eine Stunde hier gesessen, um eine Einladung zu zeichnen? 

Da ich keine Ahnung habe, was ich jetzt tun sollte, schalte ich kurzerhand den Fernseher ein. Langsam genervt von diesen sinnlosen Sendungen, schalte ich schließlich auf einen Nachrichtensender. Gelangweilt höre ich dieser Frau zu, die irgendetwas über Wirtschaft labert und meiner Meinung nach einen viel zu kurzen Rock trägt. Gerade als ich schon wieder umschalten will, wird das Bild unserer Schule eingeblendet. Stirnrunzelnd erhöhe ich die Lautstärke. 

,,Am heutigen Tag, sollten eigentlich Prüfungen in der Beacon Hills High School stattfinden, doch diese wurden unterbrochen. Eine Lehrerin hat anscheinend einen ansteckenden Ausschlag entdeckt, während es den Schülern immer schlechter ging. Darauf wurde die Schule unter Quarantäne gesetzt, während die Polizei noch immer den Grund ermittelt. 

Nun zu dem Wetter...."

Geschockt starre ich auf den Bildschirm, bis ich das gesagte realisiere. Mit einem Flimmern wird der Fernseher ausgeschaltet und ich laufe aus dem Wohnzimmer. 

,,Mom! Dad! Wo seid ihr?", rufe ich panisch. Ich hätte nicht so laut schreien müssen, weil sie schon die Kellertreppe hinaufstürmen. Besorgt sehen sie mich an. Anscheinend haben sie es auch gerade erfahren.

,,Du gehst sofort zu Blake und erzählst ihm das. Wir fahren zur Schule.", erklärt Dad und will schon zu seiner Jacke greifen, als ich ihn aufhalte. 

,,Ich komme mit!", widerspreche ich mit zitternder Stimme. 

,,Bleib bei Blake. Die Zwillinge müssten auch bald nach Hause kommen. Wir rufen an, wenn es etwas neues gibt.", verspricht Mom. Ergeben nicke ich, während meine Eltern schon zur Tür stürmen. Frustriert bleibe ich stehen und starre besorgt die sich schließende Haustür an. Wieso kann ich mich auch nie durchsetzen? Erst als ich ein verschlafene Stimme hinter mir höre, reiße ich meinen Blick von der Wand los.

,,Du stehst da als ob du ein Einhorn gesehen hättest. Obwohl: Es gibt Werwölfe. Wieso kann es dann auch keine Einhörner geben?", lacht Blake's melodische Stimme. Normalerweise hätte ich wegen seinem Kommentar gelacht, aber es kommt kein Mucks aus meiner Kehle, was auch Blake bemerkt. Besorgt nimmt er mein Gesicht in seine Hände, als ob er so meine Gedanken lesen könnte. 

,,Was ist passiert?", fragt er leise, als ob er schon wüsste, dass irgendetwas nicht stimmt. Ohne etwas zu sagen, gehe ich ins Wohnzimmer und schalte das Radio ein. Normalerweise hätte ich mich schon wieder über die nervigen Nachrichten aufgeregt, aber  dieses mal bin ich froh darüber, da ich in diesem Moment nicht dazu imstande wäre, ihm das zu erzählen. 

New Beta / Liam Dunbar ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt