Der süße Kuss des Blutes - Kapitel 73

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An der großen Tafel nahm sie neben dem Sultan Platz. Sie wäre lieber zu Samira gegangen, die momentan an der Harfe spielt, aber sie wollte die Gastfreundlichkeit nicht verletzen. Im Schneidersitz setzte sie sich neben dem Sultan. Die Augen seines Hofes scheinen auf sie gerichtet. Entweder geblendet durch ihre Schönheit oder durch ihre blasse Hautfarbe. Der Sultan erwähnte ihr Aussehen in keiner Weise. Und im Laufe des Abends, an dem Fina ein paar Bissen eines leckeren Brotes gegessen hat, stellte sich heraus, dass der Sultan doch kein allzu dummer Mann ist. Er wusste viel, sehr viel. Über Politik, Völker, vergangene Kulturen. Er ist ein Philosoph, mit dem sie sich noch hätte Stunden unterhalten können. Dann brach Fina diese freundliche Stimmung kurzzeitig. „Sultan, sparen wir uns bitte die Höflichkeiten. Worum wollt Ihr mich bitten?" Der Sultan scheint etwas verwirrt. Außerdem scheint diese Sache keine einfache zu sein. „Ich mach es kurz und schmerzlos. Ich brauche dich bei der Verteidigung dieser Stadt. Die Kreuzritter werden bald hier sein. Ich werde die Bürger evakuieren, aber diese Stadt darf nicht fallen. Sie ist zu wichtig. Ich brauche jemanden, der die Kreuzritter kennt und vor allem jemanden, mit deiner Kampfkraft. Ich verlange viel, zu viel als ich könnte. Ich verlange Verrat gegen dein Volk und das du deine Waffe erhebst." Er räuspert sich kurz um zu überlegen, wie er die nächsten Worte so verpacken könnte. „Viele Kreuzritter hungern nach Blut, nach Gewalt oder Gold und Lebensmittel. Wir Menschen werden im Kampf unberechenbar, wenn sie in Blutdurst verfallen oder am Verzweifeln sind. Und genau solch eine Armee steht uns bevor. Sie sind die Wüstenhitze nicht gewohnt, was uns zum Vorteil ist. Aber ihre Armee ist so gewaltig. Sie wird früher oder später hier eintreffen. Und dann brauchen wir ein Wunder. Vielleicht kannst du unseren Strategen sogar helfen, denn du kennst die Taktik der Kreuzritter. Ich bitte dich darum, aber zwingen kann ich dich nicht. Aber sicher ist, dass unsere Lage hier schlecht ausschaut." Er trinkt ein Schluck aus seinem Becher.
Die Kreuzritter sind also auf dem Weg hierher. Wenn sie Pech hatte, würde sie auf die Klingen Gottes treffen, ein Geheimbund, eine Elitetruppe des Tötens und Beseitigens. Elisabeth erzählte ihr mal, dass diese Kumpanen hunderte Vampire verbrannt haben oder im Zweikampf töten konnten, selbst, wenn diese über ein Jahrhundert alt waren. Die perfekte Tötungsmaschine gegen Vampire.
Nicht selten starb auch eines ihrer Mitglieder, aber seitdem die Kirche jeden zum Ketzer erklärt, schrumpft ihre Zahl.
Fina überlegt. Diese Stadt könnte ihr eigentlich völlig egal sein, egal wie nett die Menschen hier sind. Aber sie dachte an Samira. Diese Frau geht ihr nicht aus dem Kopf. Würde sie hier sterben, wenn sie gehen würde? Dieses Risiko kann sie nicht eingehen, da sie Samira ohnehin nicht aus dem Palast würde schleifen können. „Ich werde euch helfen, Sultan." Im den Augen des Sultans Tarek glitzert etwas. Tränen der Freude und Hoffnung. Ist die Lage so aussichtslos? „Ich danke dir. Wenn es etwas gibt, was ich für dich tun kann, musst du es nur sagen. Du bist hier gern gesehen und wenn du möchtest, kann dies auch dein zuhause werden. Ich werde dich nicht zwingen, unsere Religion anzunehmen." Fina nickt ihm zu und der Sultan lächelt. Was für ein Glück, dass diese Frau ihm helfen will. Er hinterfragt gar nicht ihre Beweggründe. „Aber das Christentum braucht sie nicht abzulegen? Ich glaube, du bist nicht einmal getauft, oder?" Der gruselige alte Kerl mit sehr langem weißen Bart steht vor dem Sultan und Fina, hinter dem Tisch. Er läuft in gekrümmter Rückenhaltung und bewegt sich mit einem hölzernen Stab fort, in welchem Zeichen eingeritzt sind, Zeichen einer alten Zivilisation. Diese stammen sicher nicht aus einer der Weltreligionen. Der Stab muss alt sein, sehr alt.
„Ah, mein treuer Berater! Ich spreche gerade mit unserem Ehrengast. Was wünscht Ihr?" Eine Störung wollte der Sultan nicht, aber er duldete es diesmal. „Ich wollte ohnehin mich hier mal umsehen, wenn Ihr es erlaubt Sultan." Er klopft Fina auf die Schulter. „Geh ruhig. Fühl dich wie zuhause. Dein Gemach wird dir gezeigt, sobald du es wünscht." Der Sultan bemüht sich, Fina hier ein zuhause zu bieten, auch wenn er das Gefühl hat, dass ihre Heimat fernab von hier liegt. Ein Ort, der ihr viel am Herzen liegt.
Das ist er ihr schuldig, in der Gegenwart und in der Zukunft. Fina steht auf, verbeugt sich tief vor dem Sultan als kurzzeitige Verabschiedung. Sie geht um den Tisch herum und nähert sich dem alten Mann. „Du hast es in meinen Gedanken gelesen, nicht wahr?" Der alte Mann mustert sie, als habe er schon öfters Leute ihrer Art gesehen. „Wie alt bist du denn? Hundert, Zweihundert?" Seine Hand umklammert seinen Stab. Fina bildete sich ein, dass einige Runen oder was auch immer die Zeichen waren, aufleuchteten. „Und tu gefälligst nicht so, als wüsstest du nicht, wovon ich rede! Einen alten Mann wie mich haut man nicht so leicht über das Ohr!" Diesem Mann nachzugeben, dass würde Fina nicht einmal in fünfzig Leben schaffen. „Ich glaube, du überschätzt dein hohes Alter und deinen Wissensschatz. Bei uns färbt man seine Haut weiß, als Zeichen des Adels und als Schönheitsideal." Der Bucklige schaut sie kurz mit großen Augen an und beginnt dann zu lachen. „Ich wusste gar nicht, dass dieses Zeug wasserfest ist." Er hustet stark, lacht danach aber weiter. „Was willst du?" Fina hat anderes zu tun, als sich mit so einem alten Mann umher zu schlagen. „Ich gehöre einem alten Volk an, welches beinahe ausgestorben ist. Man könnte uns als letzte Druiden bezeichnen, aber die Wahrheit ist viel komplizierter. Ich darf nicht sterben Mädchen, also gib mir dein Blut, gib mir die Unsterblichkeit!" Er zückt ein Messer und für sein Alter zeigt er unglaubliche Schnelligkeit und Beweglichkeit, zumindest mit seinen Armen. Für Fina läuft dieser Angriff wie in Zeitlupe ab. Sie packt das Handgelenk des alten Mannes. Ihr Blut konnte Menschen in Vampire verwandeln, ein Geschenk, eine Gabe, etwas was sie nicht weitergeben will, dazu ist ihr das zu wichtig. Ihr Blut jemanden zu geben, kommt einer Entkleidung vor fremden Leuten im menschlichen Lebe gleich. Und genau deshalb will sie ihr Blut, dass ihrer Mutter, nicht an diesen Alten weitergeben. „Wenn du das nochmal versuchst, breche ich dir deine Hand und reiß deinen Stab in mehrere Teile. Haben wir uns verstanden?" Finster funkelt sie ihn an und er hält dem Blick stand, aber es kostet ihn enorme Kraft. „Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen." Er wendet sich von ihr ab und entfernt sich aus dem Saal. Sie muss ihm im Auge behalten. Etwas sagt ihr, dass dieser Mann zwar alt sein mag, aber gefährlich sein muss.

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