„Und meine Lieben, wie lief es heute?" Eve ist völlig aus dem Häuschen und belagert ihre Kinder bereits mit Fragen. „Sophia kann dir sicher etwas über das Schwimmen erzählen. Dort war sie großartig." Anna lächelt ihre Schwester fies an und erntet dafür einen bösen Blick. „Setzt euch hin. Ich mach euch was zu Trinken und zu Essen. Ihr müsst hungrig sein. Jeffrey? Kommst du bitte Schatz? Ach wo habe ich nur die Gewürze für den Braten hingelegt?" Ihre Mutter ist schrecklich aufgewühlt. Sie will wieder vier Dinge gleichzeitig erledigen. Sowas passiert immer, wenn sie emotional gestresst ist, ob Positiv oder Negativ. Zur Beerdigung des Großvaters und der Großmutter der beiden Schwestern wollte sie danach tanken fahren und gleichzeitig versuchen, ein Busticket zu kaufen. Jeffrey hatte schon genug zu tun gehabt mit dem Tod seiner Eltern und dann hat er auch noch eine verwirrte Frau bei sich, die den Tod er Schwiegereltern wohl etwas anders verarbeitet. Aber das liegt bereits einige Jahre zurück.
„Ach Mensch, eure Mutter macht wieder einen Heidenlärm. Keine Minute kann man hier seine Modelleisenbahn fahren lassen. Dabei kann einer sogar Muffins transportieren. Naja, dann eben später, vielen Dank auch." Er lacht nach seinem Witz. Im Hause Jefferson herrscht in der Regel ein lockerer Umgang, es sei denn, seine Kinder übertreiben mal wieder, wobei das kaum mehr vorkommt. Ach, wie doch die Zeit vergangen ist. Jeffrey erinnert sich immer noch an die kleine Sophia, die sich schüchtern hinter ihrer Schwester versteckt hat. „So, na dann erzählt mal. Ich höre?"„Sophia hat sich beim Schwimmen super geschlagen. Das muss man ihr lassen." Sophia grummelt darauf. Am liebsten würde sie Anna gern dafür schlagen. Darüber würde sie sich noch mit ihr am späten Abend unterhalten, denn dieses freche Grinsen verbirgt ein Geheimnis. Etwas, was Anna aufgefallen sein muss und niemand anderem sonst. „Sie ist aber dafür beim Sprinten über irgendeine längere Strecke erste geworden. Mit gutem Vorsprung. Bei der anschließenden Prügelei waren wir nicht dabei, aber Fina scheint aufgeräumt zu haben. Das ist die Neue von der ich schonmal erzählt habe. Die hat einiges auf dem Kasten." Das ist das erste Mal, das sie ein so hohes Lob über Fina hört, deshalb schaut Sophia kurzzeitig verwirrt. „Aber ich muss sie beim Schwimmen vernichten! So schnell wie die ist keiner."
„Ich werde bekloppt, unsere Anna wurde im Schwimmen geschlagen Eve." Diese schaut ziemlich dumm aus der Wäsche. „Anna? Besiegt? Im Schwimmen? Der Witz war gut." Eve schluckt schwer. Welches Biest könnte nur Anna schlagen? Eine schnellere Schwimmerin gibt es nicht, zumindest nicht außerhalb einer Olympiade oder Weltmeisterschaft. „Aber immerhin durftet ihr teilnehmen. Das sagt doch schon verflucht viel über euren Wert aus. Daran solltet ihr immer denken. Glückwunsch euch beiden, dir für deinen verdienten ersten Platz meinen besonderen Respekt." Der Familienvater klatscht in die Hände. „So genug der Fragerei. Packt mal euer Zeug auf eure Zimmer und kommt mal zuhause an. Dazu hattet ihr ja dank eurer Eltern keine Gelegenheit, bedankt euch bei denen."
Eve seufzt. „Seht ihr Kinder? Euer Vater wird schon senil und alt." Selbst Jeffrey muss bei diesem Witz lachen. Als Konter fällt ihm nur eine kleine Beleidigung ein. „Ach, halt den Schnabel du blöde Ente. So, los, ab mit euch. Wir rufen euch, wenn alles fertig ist, es sei denn ihr wollt eher zu uns kommen. Das habt ihr euch heute mehr als verdient." Ein seltenes Ereignis, dass die Geschwister heut mal ihre Ruhe haben. Normalerweise gehört mitkochen, Tisch decken und abräumen zu ihren täglichen Pflichten. „Na wenigstens heute mal Ruhe. Hättest du nicht so schlecht abgeschnitten, dann hätten wir vielleicht sogar drei oder mehr Tage frei bekommen. Toll gemacht, ganz toll."
„Ach, halt einfach die Klappe Anna." Diese ewige Neckerei wird zwischen den beiden wohl nie ein Ende nehmen. Anna geht voran und Sophia folgt wie ein Hund ihrer Schwester. Auf dem Bett ihrer Schwester liegen immer noch ihre Klamotten von der Nacht und ihr Lieblingsplüschtier. Anna pfeffert genervt ihre Tasche in den Raum und dreht leise ihre Musik auf. Am liebsten hört sie mit ihrer Schwester Musik aus der dunklen Szene. Gruftis, wie manche sie unschön nennen, aber daran hat sie sich längst gewöhnt.
„Na Tollpatsch?" Anna legt sich gemütlich auf ihr Bett und sieht ihrer Schwester grinsend und fragend entgegen. „Dann habe ich halt mal geträumt. Das kann doch mal passieren, mir reißt ja deswegen keiner den Kopf ab, außer Sheppard, aber die Strafarbeit könnte schlimmer sein." Sie zuckt mit den Schultern und hofft, dass sich das Thema damit erledigt hat. Aber sie kennt ihre Schwester. Sie wird fragen, ganz sicher.
„Aha, geträumt. Von was den? Von deinem Märchenprinzen oder etwas Ähnlichem?"
„Ich war einfach in Gedanken ganz woanders, in den letzten Tagen schießt mir fiel durch den Kopf und manchmal denke ich zu intensiv über ein paar Sachen aus. Sonst noch Fragen?" Ihre pampige Art stört Anna überhaupt nicht, im Gegenteil. Sie hört nachdenklich zu, mit einem Glitzern in den Augen. Etwas weiß sie. Wenn Sophia nur wüsste was.
Sie lächelt plötzlich auf und verlässt damit ihre nachdenkliche Haltung. „Ich verstehe", wirft sie breit lächelnd in den Raum. „Was? Was verstehst du?"
„Wie du bereits sagtest Schwesterchen. Du denkst über einige Dinge intensiv nach. Sehr, sehr, sehr intensiv."
Sophia gibt ihre Verteidigung auf. Es hat ohnehin keinen Sinn, Anna Widerstand zu leisten. Sie ist wie ein Röntgenapparat, sie durchschaut einfach ihre ganze Schwester. Sie seufzt schwer. „Und über was denke ich so genau nach, du Schlaumeier", versucht sie ihre Schwester zu necken, um die Situation wieder etwas zu entspannen. Insgeheim hofft sie, dass sie es nicht weiß. Aber diesen schwachen Funken der Hoffnung versucht sie erlöschen zu lassen. Anna weiß, was in ihrem Kopf herumgeistert, zumindest glaubt sie das. Ihr Lächeln erlischt und sie wirkt mit einem Mal deutlich ernster. „Du denkst über jemanden nach Sophia. Du weißt auch genau über wen." Mit einem Mal wirkt sie eine deutliche Spur ernster, bedrückter, beinah, als habe sie mit ihrer Schwester Mitleid. „Was genau willst du mir damit sagen?" Anna fühlt sich wie in einem Minenfeld. Sie fühlt, dass sie eine empfindliche Stelle ihrer Schwester angesprochen hat. Es ist also tatsächlich, wie es sich Anna dachte. Das Verhalten ihrer Schwester ist zu auffällig, zu tollpatschig und viel zu nervös und durcheinander. Am Tag wirkt sie manchmal geistesabwesend, sie redet im Schlaf und schaut oft in eine gewisse Richtung. Sie reibt sich die Augen, als hätte sie vier Tage nicht geschlafen. Wie soll sie Sophia die Tatsachen auf den Tisch legen, wenn sie es selbst noch nicht begriffen hat? Ein schweres seufzen entweicht ihr. „Die Antwort darauf kann ich dir geben, aber suchen und finden musst du sie selbst. Ich glaube, du bist noch nicht so weit. Du solltest, auch wenn es schwierig ist, mal über dich nachdenken und was dir dein Herz sagen möchte. Wenn du das einigermaßen kapiert hast, kannst du gern wieder darüber mit mir reden. Alles andere würde nur im Streit enden, glaub mir."
Mit einer Reaktion hat sie gerechnet, allerdings nicht mir einer, in der ihre vor kurzem noch vergebene Schwester zum weinen bringt. „Ich bin so durcheinander. Ich fühle mich, als würde ich meine Pubertät dreimal gleichzeitig durchleben." Heulend und vor Trauer verzerrtem Gesicht wirft sie sich auf Anna und gräbt ihr Gesicht in ihr Oberteil. Diese fühlt schnell, wie sich ihre Kleidung mit den Tränen der Verzweiflung füllen. Mit jeder Träne, mit jedem schluchzen könnte es Anna mit zerreißen. Sie sieht ihre Schwester leidend, durcheinander, nach Hilfe schreiend und sie kann ihr nicht helfen. Was soll sie schon tun können? Die Wahrheit sagen? Wingman spielen? Sie in einer Bar abfüllen? Nein. Das einzig richtige ist, für sie da zu sein und auf sie ein Auge zu haben. Sie umarmt tröstend ihre immer noch weinende Schwester, während sie mit der anderen durch ihr Haar beruhigend streicht. Arme Sophia. Die letzten Tage müssen härter sein, als sie es sich vorgestellt hatte. Sie muss emotional überfüllt sein. Kein Wunder, dass sie gerade so heult.
Ihr Vater kommt gerade mit üblich lächelndem Gesicht um die Ecke, um seine persönlichen Helden des Tages persönlich abzuholen. Jeffrey schaut verwirrt. Sein verwirrendes Gesicht ist Anna aber herzlich egal. Sie schüttelt nur den Kopf mit der Andeutung, sie brauche jetzt Ruhe seiner Tochter. Er verstand sofort und schließt hinter sich leise die Tür, um die beiden nicht zu stören. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis Sophia vor Erschöpfung einfach einschlief. Sie fiel in einen unruhigen Schlaf. Anna schloss sich diesem bald an mit den quälenden Gedanken, nicht helfen zu können.
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Der süße Kuss des Blutes |GirlxGirl [Abgeschlossen]
VampirosSophia ist mit ihrer Schwester und ihren Freundinnen auf einer Akademie für Hochbegabte. Ihr Leben scheint ganz Normal: Einen festen, gutaussehenden Freund, eine glückliche Familie, eine gute Ausicht auf die Zukunft mit den besten Freunden, die man...