Der süße Kuss des Blutes - Kapitel 77

687 53 1
                                    

Im Palast eilte sie noch schneller zu Samira. Die Palastwachen sind allesamt tot oder kämpfen außerhalb, an anderer Stelle. War sie zu spät? Ja, das war sie. Im Thronsaal, wo sie auch ihre Festmähler mit dem Sultan hatte und Samira beobachtet hatte, stand der bucklige Alte, ein Messer an Samiras Kehle haltend. Davor steht der letzte Krieger Gottes. „Ich bin die 8. Hand des Papstes, Benedikt lautet mein Codename. Es freut mich, Euch kennen zu lernen Fina." Er sieht äußerlich genauso aus, wie alle anderen. Er trägt eine krumme Einhandklinge und strahlt eine ruhige Art aus. Seine Stimme ist ebenfalls gelassen.
Die 8. Klinge des Papstes. Der höchste, der Krieger Gottes. Fina schluckt. „Lass sie gehen. Ihr bekommt was ihr wollt." Der Alte lacht. „Um dich kümmere ich mich, wenn das hier erledigt ist, Verräter." Wütend funkelt sie den krummen Alten an, der sicher ihr Blut verlangen würde. „Fina, bitte nicht so stürmisch. Die ganzen Toten hier sind nicht mein Werk. Ich bin nicht umsonst die höchste Klinge des Papstes. Ich töte nur, wenn ich wirklich muss, was der Rest von uns nicht tut. Weder deiner Freundin, noch dir passiert etwas, wenn du mitspielst, dafür garantiere ich. Im Namen Gottes." Er schlägt ein Kreuz. Im Namen des Vaters, des Sohnes, des Heiligen Geistes, Amen.
Gegen die 8. Hand des Papstes hat sie nicht den Hauch einer Chance. Mutter erzählte mal, wie eine ehemalige Freundin von ihr, die etwa 1.500 Jahre alt war, von ihm beinah vernichtet wurde, mit einer Leichtigkeit, die ungewöhnlich ist. „Er will mein Blut. Und was willst du?" Er steckt seine Klinge zurück in seine Schwertscheide. „Gut das wir zur Sache kommen. Du wirst für mich arbeiten und jemanden mit Namen Bathory suchen und sie töten. Jemand deiner Art, unbekannten Geschlechtes. Sehr alt, sehr mächtig, sie muss für unsere Pläne beseitigt werden." Das ist der reine Wahnsinn. Wenn selbst die Klinge des Papstes sagt, dass sie übermächtig ist, wie soll sie dann bitte eine der ältesten Vampire töten? Ihre Mutter muss also sterben. Sie kannte ihr Alter nicht, sie ist aber die Älteste Vampirin, von der Fina je hörte.
„Ihr seid nicht ganz bei Trost oder? Ich soll Meine Mutter vernichten? Bitte wie soll ich das anstellen?" Zur Antwort kam der Kuttenträger nicht mehr, als Fina ein Gurgeln hört. „Ich habe dein Blut schon lange, ich muss es nur noch trinken. Sieh deine kleine Freundin sterben!" Selbst der gefürchtete Krieger Gottes scheint von dieser Tat geschockt zu sein. „Das war nicht Teil unseres Plans", schreit er den Buckligen an.
Mehr sagte der Krieger dazu nicht. Samira schaut Fina mit Tränen in den Augen an, während sie gurgelt und ihre Hand nach ihr ausstreckt.
Finas glückliche Welt verwandelt sich in einen Scheiterhaufen. Zuerst sammeln sich Tränen in den Augen, die aber schnell Zorn und unglaublichem Hass weichen. Alles was sie liebt, hatte sie wieder verloren. Erneut. Familie, Mutter und Samira. Sie hatte wieder nichts. Wieder ist sie allein.
Ihre Liebe, ihr ein und alles. Gestorben durch einen alten Bastard, den sie hätte vernichten sollen. „Ihr Menschen. Ihr gehört allesamt abgeschlachtet." Sie zog nicht einmal ihr Schwert. Und der bucklige Alte lachte sie aus, bis er merkt, dass sein Verbündeter ihm nicht zu Hilfe eilt. „Du räudiger Sünder, ich dachte wir hatten einen Pakt?" In Panik wirft er zwei Dolche, die Fina in Brust und Bauch treffen, aber sie ignoriert diese. Die packt den buckligen alten an der Kehle und hebt ihn hoch. „Ich werde dich ausquetschen kleiner Zauberer." Sie ließ in Sekunden mit der anderen Hand viele Knochen knacken und warf den weinenden und vor Schmerzen schreienden Alten wie Abfall in eine Ecke. Sie sieht zu Samira, welche immer noch lebt. „Halte durch, ich helfe dir, ich will dich nicht verlieren." Eine Klinge wird gezogen. „Tut mir Leid Fina, aber da du nun eh kämpfen wirst und ich kein Druckmittel mehr habe, wirst du wohl sterben müssen." Sie zog schnell ihre Klinge und wehrte den Angriff gerade rechtzeitig ab, um nicht den Kopf zu verlieren. Sie kämpften nah an der sterbenden Samira. Fina wurde oft getroffen, ihr Blut befleckte den Raum. Sie hat alles verloren. Alles. Dieser Gedanke lässt eine Saat in ihr aufplatzen. Etwas Dunkles, finsteres, was lange geschlafen hat. Sie bleckt ihre Zähne und leckt sich mit der Zunge darüber. Ihre Augen sind finsterer als die Hölle, ihr Gestalt wirkt schlimmer als alle Qualen des Höllenfeuers. Man könnte meinen, sie wäre die Nachfolgerin eines tödlichen Dämons. Benedikt schaut sie entsetzt an.
Er hatte Familien vor den Augen seiner Gegenspieler getötet, aber niemals hat er so eine Wut gesehen. Er lässt seinen Kopf knackend kreisen und setzt zum ersten Schlag an. Der Schlag geht durch seinen ganzen Körper, ebenso durch Finas. „Das ist unmöglich. Du kannst unmöglich..." Fina setzt in Rage zu vielen Angriffen an, ignoriert Verletzungen und schafft es sogar, einen Treffer zu landen. Sie kämpft schneller, als es Benedikt je gesehen hat. Diese Wut muss ihr Kraft geben, alles zu vernichten, was ihr im Weg stand. Seine Klinge kreuzt ihre noch ein paar Mal, ehe Fina einen Schlag entfesselt, der von Gott oder Lucifer selbst stammen muss. Er wehrt diesen zwar ab, aber sein Schwert bricht in tausend kleine Splitter. Er hatte verloren, das erste Mal seit... seit er kämpft. Unmöglich. Knurrend gibt er sich Fina geschlagen. Er war kein Idiot. Er war ihr überlegen, er hätte sie erledigt, wenn dieser fette Alte sie nicht rasend gemacht hätte. Eine bittere Niederlage, aber zugleich ein Sieg. Er weiß, wer Fina ist. Sie ist keine normale Vampirin.
„Wir sehen uns wieder, kümmere dich lieber um deine sterbende Frau, du wirst sie nie wiedersehen." Dann verschwand er, so schnell, wie er gekämpft hat. Sie ignoriert seine Flucht und eilt zu Samira. Stark blutend liegt sie am Boden, der bucklige hat ihre Halsschlagader getroffen. Das sie immer noch bei Bewusstsein ist, grenzt an ein Wunder.
Sterbend schaut sie Fina an. Ihre Wunden waren kaum noch zu sehen, dafür klebt ihr Blut nun an ihrem Gesicht und ihrem ganzen Körper. Sie hatten so nah bei ihr gekämpft, dass sie wahnsinnig viel Blut von Fina abbekommen hat. Sie schaut in die grünen Augen, in eine riesige Graslandschaft der Ruhe und Liebe, doch darin schwebt unvorstellbarer Zorn. Sie packt ihre Geliebte mit den unheimlichen Heilkräften an der Schulter und sieht sie zu sich heran. Sie ist so süß, wenn sie weint, wenn sie verletzlich ist und eine Seite von sich zeigt, die kaum jemand anderes kennt. Das ist die Fina, wie sie im inneren ist. Sie wusste, dass der Zorn ihre Trauer und Vernunft bald übertrumpfen würde. Dies war schon zweimal passiert, wie Fina ihr erzählte. „Meine Fina." Sie streichelt mit der anderen Hand über ihr Gesicht mit den letzten Kräften, die sie aufrufen kann. „Du wirst nicht sterben! Ich werde dich niemals gehen lassen! Ich kann dich nicht gehen lassen." Tränen überwältigen ihr Gesicht. Wie kann Samira nur Lächeln? Sie war dabei zu sterben, sie zu verlassen! Für immer. Auf ewig. „Ich weiß was du bist." Sie hustet stark, während Fina sie ungläubig anschaut. „Sie haben es mir vorhin erzählt. Es ist zwar etwas merkwürdig aber es ergibt Sinn, wenn ich dich so ansehe." Ihre Stimme wird merklich schwächer, jedes Wort kostet sie unheimlich viel Kraft. Sie scheint nicht einmal entsetzt, dass sie Finas wahres Wesen kennt. „Höre auf Rache zu üben. Suche nach der derjenigen, die dich genauso liebt, wie ich. Die du genauso liebst und verehrst, wie mich. Und wenn es Jahrhunderte dauert. Versprich mir, niemals Rache zu üben." Die Tränen füllen ihre Wange und krachen mit entsetzlicher Lautstärke auf den Boden. Sie darf nicht sterben! „Küss mich, ein letztes Mal. Bitte." Ohne nachzudenken, presst sie ihre Lippen ein letztes Mal auf ihre Lippen. Trotz der Trauer, die sie in diesen Kuss packt, spürt sie Samiras Lächeln und ihren kräftigen, verlangenden Kuss. Woher nahm sie noch die Kraft dazu, immer noch die gleiche Wirkung zu haben, wie am ersten Tag?
Der Kuss sagt einfach alles. Die Liebe, die Zweisamkeit, ihre Gefühle, einfach alles. Dann lässt ihre Kraft mit einem Mal nach. Fina hält sie an den Schultern fest. Ihr Mund ist mit Blut gefüllt. Ihrem eigenem und dem von Samira, welches sich in ihrem Mund und auf ihren Körper gesammelt hat. Sie schmeckt daraus die unheimliche Liebe, die selbst Zeit und Raum und auch keine Leere oder Finsternis zerstören konnte. Sie schaut in das glückliche Gesicht ihrer ermordeten Freundin. Sie lächelt. Aber das nützte nichts. Sie war tot. Fina legt sie sanft ab und gräbt ihr tränenüberfülltest Gesicht auf ihre Brust. Warum wurden ihr immer die Menschen genommen, die sie liebte? Warum muss sie nur so leiden? Alles was sie wollte, war mit Samira zusammen zu sein. Für immer. Für die Ewigkeit. Doch der Krieg hatte ihr alles geraubt. Ihr Leben, ihre Liebe. Am liebsten würde sie auf das Schlachtfeld gehen, und jeden vernichten, der sich ihr in den Weg stellt. Sie würde den Papst suchen und ihm seinen Schädel einschlagen und ihn foltern, bis er um Gnade winselt. Doch sie kann auch Samiras letzte Worte nicht vergessen. Keine Rache, kein Morden, sie soll nach jemandem suchen, den sie lieben kann, genau wie sie. Konnte sie überhaupt noch einmal lieben? Die wahre Liebe gibt es in einem Jahrhundert nur einmal und sie soll also danach suchen, bis sie Samiras Wunsch erfüllt hat? Sie ist sich nicht sicher, ob das jemals klappen würde. Eines Tages würde Fina sterben, in vielleicht 3.000 Jahren oder in 5.000. Aber dann würde sie wieder mit Samira vereint sein, bis in alle Zeit.

Der süße Kuss des Blutes |GirlxGirl [Abgeschlossen]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt