Sheppard hatte sich auf das weiße Bett gesetzt. Die Frau, welche er besucht, sitzt an ihrem Schreibtisch und malt Bilder. Er hasst Kliniken, besonders Psychiatrien. Es ist zwar eine offene, aber dieses sterile weiß ist ihm zu unbehaglich. "Es ist nun sieben Monate her. Denkst du wirklich, dass sie es wollte? Denkst du wirklich, sie wollte, dass du dich in diesem hässlichen Gebäude verkriechst und alles wegwirfst?" Sie malt immer noch. Ihr ganzes Zimmer hatte sie vollgehangen mit Bildern. Eine Frau mit roten Haar, eine mit schwarzem Haar. Es sind verschiedene Bilder. Meist Szenen des innigen Kusses, selten Szenen der sexuellen Aktivität. Jedes Mal, wenn Sheppard diese Bilder sieht, kommen ihm die Tränen, wie auch jetzt. Wasser sammelt sich in seinen Augen, aber er wischt sich sofort mit der Hand darüber. "Ich weiß, dass ich hätte viel verändern können, aber..."
"Ich bin dir nicht böse", unterbricht die malende Frau den Direktor. Ihr Fokus ist weiterhin auf dem Bild. Scheinbar malt die gerade Blut oder rote Haare. "Es ist geschehen und es ist nicht Rückgängig zu machen. Wir alle sind nicht von Fehlern befreit, ob Menschen oder Vampire. Selbst Davis hat Fehler begangen, weshalb er scheiterte. Wir reden fast jede Woche darüber. Können wir nicht über was schöneres reden?" Ihre Stimme bleibt höflich und ruhig. Einige Minuten malt sie weiter und wechselt ihre Buntstifte. Mal wählt sie schwarz, dann rot und dann doch wieder ein helles grün. "Anna war gestern mit Carmilla hier. Sie scheinen sehr glücklich zu sein. Über ihren Besuch habe ich mich gefreut. Sie haben mir Pralinen mitgebracht und waren mit mir spazieren. Sie sehen sehr glücklich aus." Sheppard hört zwar zu, aber er hatte das Gesicht in seinen Händen vergraben, allen voran die Augen. Tränen des Schmerzes fließen hinab. Seine Tochter, Elisabeth... Er hatte alles verloren. Alles aufgrund einer dummen Entscheidung und es ist ein Disaster geworden. "Dich zerfrisst die Selbstschuld. Höre auf zu weinen, es ist geschehen. Sitze ich hier und weine, nach allem, was ich sah und gehört sowie erlebt habe?" Da wird ihre Stimme etwas strenger. Sie hat dieses ewige heulen satt von ihm, diese Selbstvorwürfe und dieses Selbstmitleid. "Ich denke, für heute reicht der Besuch, Direktor Sheppard. Guten Tag." Sheppard gehorchte Sophia auf das Wort und verlässt unter schluchzen und bitterlichem weinen das Zimmer. Außerhalb des Zimmers auf dem Gang gab er sich seinen Tränen hin. Die Schwestern wussten wie die Ärzte, dass er allein seine Tränen vergießen möchte. Bei jedem Besuch bricht es ihm das Herz bei dem, was geschah. Seine kleine Fina. Er hatte sie enttäuscht, ihr Leben zerstört. Doch er muss für einen Moment seinen Schmerz herunterschlucken, wie es es auch die Jahrhunderte tat. Er hatte noch ein Geschenk für sie. Ein ganz besonderes, worüber sie sich sicher freuen würde. Er muss es ihr noch sagen! Also geht er die wenigen Meter auf dem polierten Boden der Klinik zurück zu dem Zimmer, wo sie malt. Er reißt vorfreudig die Tür auf. Er will diese Frau glücklich sehen, sie lachen sehen und das funkeln in den Augen genießen. Doch als er die Tür öffnet, bleibt er einige Sekunden stehen, ehe er reagiert. "SCHWESTER", brüllt er laut durch die ganze Klinik und rennt dann eilig los, um schleunigst jemanden zu suchen.
Sophia Jefferson verlor im entscheidenen Kampf gegen Davis ihre geliebte Fina. Die Kugel durchbohrte Gehirn und Wirbelsäule an einigen Punkten. Selbst wenn sie achttausend Jahre alt gewesen wäre, könnte sich kein Vampir vor der tödlichen Munition retten. Es war ein grausamer Abschied. Sophia schrie und heulte stundenlang über dem toten Körper ihrer Liebsten. Niemand konnte ihr den Schmerz nehmen. Elisabeth konnte es nicht, Anna konnte es nicht und auch ihre Freundinnen nicht. Sie starb ohne einen letzten Kuss, ohne liebende Worte, ohne ein freundliches lächeln. In Rage tötete Sophia Samira, aber auch das gab ihrem Leben keine neue Kraft oder Bewältigung des Ablebens der teuersten Person, die sie hatte. Von Trauer zerfressen, ließ sie sich in eine psychiatrische Klinik einweisen. All die Besuche ihrer Freunde, Familie und Therapien haben im Endeffekt nicht geholfen, es zu verarbeiten. Ihr Zimmer in der Klinik war voll mit Zeichnungen in den schönsten und traurigsten Momenten mit Fina, doch auch diese Form der Selbsttherapie hatte ihr nicht geholfen.
Niemand kannte das Ausmaß ihres Schmerzes und ihrer Trauer. Sophia hatte es innerlich Tag für Tag mehr zerstört. Trotz der überwiegenden Freundlichkeit konnte sie ihre massive Depression nicht verbergen, welche auch ihre Persönlichkeit stark in das Rationale abänderte. Ihre Liebe zu dieser Frau war ewiglich und wahrlich unsterblich. Zu brutal und zu ungerecht war das Ableben der Frau, die selbst durch die Hölle gegangen ist, um ihre Liebe eines Tages zu finden.
Sophia Jefferson tötete sich mit einem Silbermesser. Zuerst schlitzte sie sich die Pulsadern auf, was ihr als Vampirin natürlich keinen Schaden bereitete. Sie schrieb noch einige Worte an die Wand mit ihren Blut, bevor sie sich das Messer so lange in den Kopf rammte, bis sie endlich tot nach hinten kippte und ihr Blut sich über dem Boden ergoss.
Die Schrift der Wand hatte nur wenige Worte. So simpel, so einfach ausgesprochen und tausende sprechen sie täglich aus. "Ich liebe dich. Niemals vergesse ich dich."
Ende
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Der süße Kuss des Blutes |GirlxGirl [Abgeschlossen]
VampireSophia ist mit ihrer Schwester und ihren Freundinnen auf einer Akademie für Hochbegabte. Ihr Leben scheint ganz Normal: Einen festen, gutaussehenden Freund, eine glückliche Familie, eine gute Ausicht auf die Zukunft mit den besten Freunden, die man...