Der süße Kuss des Blutes - Kapitel 16

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Wenn sie eines gelernt hat, dann, dass Sheppards Strafen, wie banal sie auch sein mögen, ernst zu nehmen sind. Die einfache, hölzerne Tür zu seinem Büro kommt ihr vor, wie ein schwarzes Tor zur Hölle, in dem tausend finstere Dämonen darauf warten, ihre Seele zu verschlingen. Dabei sitzt doch nur einer dahinter. Ein großer Dämon, so fies wie er manchmal ist. Sie klopft vorsichtig und viel zu leise an, aber dennoch wird sie genervt hereingebeten.
Sophia betritt das schaurige Büro und wird von einer kleinen Nikotinwolke erschlagen. Ein Husten kann sie sich nicht verkneifen. „Na sie mal einer an. Du sollst dir wohl die Strafarbeit abholen, oder?" In der hintersten Raumecke schaut ein Mann aus dem Fenster, in einem grauen Anzug. Sophia schätzt ihn deutlich älter als den Direktor. Er ist auch die Quelle dieser Wolke.
Das Büro ist wiedermal prunkvoll eingerichtet, wie es von diesem eigenartigen Akademieleiter zu erwarten ist.
Ledersofas, schicke Bilder, Vorhänge, Schränke gefüllt mit Auszeichnungen, Ordnern und ein aufgeräumter Schreibtisch. Der Mann muss Geld haben. Viel Geld. „Ehm, wer sind Sie bitte? Ich habe Sie hier noch nie gesehen? Sind Sie vom Staat und überwachen die Finanzen oder sowas in der Art?" Der Mann, der seinen Namen nicht preisgibt, zieht an seiner Zigarette, nur um eine Ladung Qualm der jungen Sophia entgegen zuschleudern. „So ungefähr." Aufgeraucht, zündet er sich gleich eine neue an. „Ich ehm, warte vor der Tür bis der Herr Direktor da ist."
„Bleib ruhig hier. Ich habe selten Gesellschaft wie dich." Sophia fragt sich willkürlich, was der Fremde wohl für Umgang mit Menschen kennt. Sicher keine Normalen, so wie es klang.
Er wendet sich ihr zu, sodass Sophia sein Gesicht erkennen kann. Sein Haar ist grau, kurz und zur Seite gekämmt. Sein Gesicht ist so vielseitig wie ein guter Roman. Er könnte gut Schauspieler sein, der kränklich wirkt und im nächsten Moment plötzlich Superkräfte entwickelt. Eine sehr gefährliche Eigenschaft, aber sie befürchtet keine Gefahr. Wieso auch? Sie kennen sich nicht einmal. „Auch eine?" Die schwarzhaarige Akademikerin lenkt schnellem Kopfschütteln ab. „Wie ich gehört habe, sollst du ziemlich flink sein. Habe ich da recht?" Sie antwortet nur zögerlich, denn sie stellt sich ungern in ein selbsterbautes Rampenlicht. „Nun ich bin als Erste über die Ziellinie, aber es gibt abertausende, die besser sind als ich." Sie weicht während der Antwort seinem Blick aus.
„Soso, wie du meinst." Dieses Gespräch ist unangenehm. Sie bekommt eine Gänsehaut, auch wenn sie gar nicht weiß, wovon überhaupt. Kalt ist ihr zumindest nicht, im Gegenteil. Die Tür hinter ihr öffnet sich rasch und sie erschreckt sich, vor der Unterbrechung der plötzlichen Stille.
„Haben wir uns nicht erst kürzlich über das Rauchen in MEINEM Büro unterhalten?" Wenn er Sophia bemerkt hat, so ignoriert der Direktor sie. „Als ob das einen Unterschied macht. Ich wüsste nicht, warum ich damit aufhören sollte. Oder möchten Sie mir widersprechen Sheppard?" Er zieht noch einmal genüsslich an seiner Zigarette und verschwindet durch eine Tür, die in unbekanntes Terrain führt, zumindest für Sophia. Sie hofft, dort niemals hin zu müssen.
„Hier ist die Liste. Dort trägst du dich die Tage ein die wir besprochen haben und du bekommst den Schlüssel. Sicher werden auch ab und an andere dort sein. Ich unterstütze schließlich Bewegung bei euch Fastfood Kindern. Sie liegt genau dort auf dem Tisch, bei mir. Alles klar?" Sophia nickt eilig. Eigentlich würde sie gern wissen wollen, wer dieser eigenartige Mann ist. Vielleicht Ein Agent? Oder doch nur ein langweiliger Rechtsvertreter, der überprüft, ob alle brav ihre Steuern bezahlt haben? Wer auch immer er ist, so schnell möchte sie ihn nicht wiedersehen. „Dann sehen wir uns morgen. Vergiss es aber ja nicht, sonst poliere ich dir den Schädel!
Sie will so schnell wie möglich verschwinden, seine alleinige Präsenz ruft jeden gesunden Menschenverstand auf, sofort zu fliehen. Mit beschleunigtem Schritttempo geht sie auf die Tür zu. Gerade als sie die Türklinge berührt, stoppt der eigenartige Mann mit der Zigarette ihr vorhaben. „Eine Frage bevor du gehst Kind. Wie lautet dein Name?"
„Sophia. Sophia Jefferson heiße ich." Ihr Blick ist starr auf die Tür gerichtet. Sie würde am liebsten den Raum verlassen, aber sie weiß nicht, in welcher Position sich dieser Mann befindet, nicht, dass sie es sich mit einem Prüfungsabnehmer verscherzt. „Du kannst gehen."
Und das tut Sophia auch, ohne zurückzublicken. Sie hätte nicht gedacht, hier heil wieder herauszukommen. Wenn sie daran nur denkt, sich hier immer einen Schlüssel für das Schwimmbad abzuholen... Daran will sie noch gar nicht denken.
Die Tür fällt schwer zu. „So ist das also. Ist das die Tochter dieses einen Polizisten?" Sheppard nickt kurz, aber sagt nichts. Dies muss wohl als Antwort genügen.
„Verstehe. Nun gut. Sie sollten lüften, sonst geht der Nikotingestank nicht aus dem Zimmer."
„Pfff, und aus dem Anzug auch nicht, du blöder Wixxer", flüstert der strenge Direktor extrem leise.

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