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Kapitel 71

Ich spüre schon nicht mehr, wie viele Tränen ich vergieße. Es ist einfach alles zu viel. Alles was ich gestern irgendwie versucht habe zu unterdrücken. Schuldgefühle gegenüber meiner Mutter bilden sich. Mit meinem Vater scheint sie ja auch kein schönes Leben gehabt zu haben. Ich hätte öfter zu ihr kommen können, stattdessen bin ich schnell über ihrem Tod hinweg gewesen und auf der Straße gelandet. Meine Mutter war wesentlich älter als ich, als sie meinen Vater geheiratet hat. Geliebt hat sie ihn bestimmt nicht. Geliebt hat sie wenn dann ihre Kinder. Phileas und mich, Theia war für sie bestimmt nicht so wie für meinen Vater ein verzweifelter Versuch diese Zwangsehe aufrecht zu erhalten. Anstelle dankbar für ihre Liebe zu sein, besuche ich sie kein einziges Mal. Stolz wäre sie bestimmt nicht auf mich. Ich habe immer gedacht, dass alles ohne sie besser wäre, nicht dass Phileas drogenabhängig geworden wäre. Deshalb habe ich die Schuld auf sie geschoben. Dank Harry habe ich wohl die wahre Seite meines Vaters kennengelernt.

"Es tut mir so Leid!", schluchze ich und verstecke meinen Kopf in meinen Knieen. Eine Weile warte ich auf eine Antwort, ich bin schon so verwirrt, dass ich denke, meine tote Mutter antwortet mir. Also beginne ich noch mehr zu weinen. Doch nach einer Weile habe ich mich gefasst. Harry hat mir geschrieben wo ich bin. Er wird vor der Schule auf mich gewartet haben. Ich bin ohne ein weiteres Wort hier her gekommen. Die Leute auf der Straße und jetzt die wenigen Leute auf dem Friedhof sehen mich dumm an. Auch als ich beginne von Harry zu reden. Ihr fühle ich mich näher wie sonst jemandem. Ich habe keine Familie mehr. Meinen Vater will ich nie mehr sehen, Phileas werde ich nie wieder sehen und so Theia auch nicht mehr. Abgesehen davon könnte ich mit meinem Vater, der Harry abgrundtief hasst, nicht darüber reden, genauso wie mit Phileas, der sein eigenes Lebem erst auf die Reihe bekommen muss. Also erzähle ich meiner verstorbenen Mutter was die ganzen Jahre in meinem Leben vor sich ging. Erst als ich zu Harry komme, bildet sich ein leichtes Lächeln auf meinen Lippen, was aber wieder verschwindet wenn ich zu Chloe komme. Ich kann mich kaum noch kontrollieren. Jeder hasst mich. Ich habe niemanden, außer Harry. Meine beste Freundin liebt ihn. Sie würde ihn mir wegnehmen, meine einzige Konstante in meinem verkorksten Leben. Würde Chloe mich nicht immer wieder daran erinnern, dass ich nicht die Einzige in seinem Leben bin. Es hört sich so an, als würde ich Harry dafür verantwortlich machen, dass möchte ich auch nicht. Alles ist allein meine Schuld. Ich hätte mich früher öffnen müssen und das nicht gegenüber meinem Lehrer, sondern meinen Freundinnen. Dann würde ich jetzt nicht so viel für Harry empfinden und könnte Chloe auch eine gute Freundin sein und ihr damit helfen, wie sie an Harry rankommt. Aber unsere Freundschaft ist wohl entgültig gebrochen. Keine Ahnung, ob ich Chloe hasse oder nicht verlieren möchte. Ich bin verwirrt über mich selbst. Ich weiß nicht warum ich wegen dem Ganzen so zusammenbreche. Ich beginne wieder zu weinen, unterbrochen werde ich vom klingeln meines Handy's.

Harry.

"Ja?", sage ich selbstsicher und versuche mir nichts anmerken zu lassen. Allein dieses eine Wort überzeugend rauszubringen war schwer.

"Gaia?", er scheint sich Sorgen zu machen. Soviel zu meiner Überzeugungskraft, "Wo bist du?"

"Auf den Friedhof...", flüstere ich.

"Auf welchem?", fragt er vorsichtig.

"Kannst du bitte kommen Harry!", beginne ich wieder zu weinen. Ich weiß nicht auf welchem Friedhof ich bin. Ich kann mir nicht mal erklären wie ich hier her gekommen bin, weil ich viel zu verwirrt bin.

"Scheiße..", murmelt er, "Natürlich komme ich, so schnell wie möglich!"

Er hat noch etwas gesagt, aber mein Handy fliegt aus meiner Hand. Ich kann mich nicht kontrollieren. Ich muss einfach weinen und ziehe meinen Körper zusammen, da ich auch zittere. Ich liege vor dem Grab meiner Mutter. Die ersten Leute die vorbei laufen, fragen mich ob alles in Ordnung wäre. Ich nicke einfach nur und verstecke meinen Kopf wieder in meinen Knieen. Ich sehe bestimmt schrecklich aus. Im Gegensatz zu Chloe. Ich bekomme aber größten Teils gar nicht mehr mit, was um mich herum passiert. Ich kann ja nicht die erste Weinende auf dem Friedhof sein. Auch wenn ich mich bis jetzt nicht dafür interessiert habe.

i trust my teacher. » h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt