Skeptisch betrachtete ich mich in dem Spiegel. Heute war es soweit. Der nächste Ball würde stattfinden und das war nicht irgendein Ball, nein, dieser war besonders. Odin würde seinen Thronfolger bekannt machen, was mich allerdings leicht ängstigte. Egal für wen er sich entscheiden würde, ich hoffte so sehr, dass sich nichts ändern würde. Die zwei standen da hoffentlich drüber und würden sich nicht streiten. Ich kannte Thor den Hitzkopf und Loki dessen Würde über allem stand und hoffte inständig, dass die beiden nicht mit Wut aufeinandertreffen würden.
Odin hatte mir ein lavendelfarbenes Kleid zur Verfügung gestellt, welches wie eine zweite Haut an meinem Körper hinabfloss.⬆️ Der Ausschnitt war ein wenig gewagt, doch fand ich das Kleid dennoch sehr elegant und nicht freizügig.
„Lia?" Ertönte eine Stimme vom Flur. Schnell löste ich meinen Blick von meinem Spiegelbild und öffnete die Tür. Sif stand vor mir, die mich begeistert betrachtete: „Du siehst wunderbar aus! So verfällt Jude dir sicher!" Unsicher lächelnd nickte ich. Wenn sie nur wüsste, dass ich eigentlich wollte, dass mir jemand ganz anderes verfallen sollte.
„Du siehst auch wunderschön aus", erwiderte ich ihr Kompliment und ich meinte es ernst. Sie trug ebenfalls ein Kleid aus Seide, nur war ihres Weinrot und passte perfekt zu ihren Augen. Ihre Lippen trugen die selbe Farbe, wie ihr Kleid und wirkten sehr verführerisch. Bei dem Gedanken musste ich leicht schmunzeln und an die Blicke denken, die sie manchmal mit Thor austauschte.
„Bist du bereit?" Fragte Sif schließlich und sah mich fragend an. Nickend biss ich mir auf meine Unterlippe und hoffte, dass der Abend gut werden würde und nicht in einem Fiasko endete.
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Gedankenverloren stand ich am Rand des Saales und blickte zu den Tanzenden. Der Mond stand bereits hoch am Himmel und der Ball war im vollen Gange. Eigentlich war Sif noch bei mir gewesen, doch hatte diese Thor zur Tanzfläche entführt und nun stand ich alleine. Jude hatte ich bis jetzt noch nicht entdeckt und auch sonst waren mir alle Gesichter fremd, außer natürlich die der Königsfamilie und die meiner Freunde.
Loki schien mit den Gedanken sehr abwesend, denn er befand sich seit dem Anfang des Balles an einem Platz und blickte nur in eine Richtung. Ich konnte mir vorstellen, was der Grund für seine Anspannung war und ich konnte es selbst verstehen. Vermutlich wäre ich genauso angespannt, würde ich in dieser Situation sein. Sehr viel hing von diesem Abend ab und dennoch hoffte, ich sie würden es nicht allzu ernst nehmen.
Mein Blick lag auf dem Prinzen, welcher mir langsam Sorgen bereitete. So hatte ich ihn noch nie erlebt.
„Aurelia", sprach mich eine liebliche Stimme von der Seite an. Sofort ging ich in einen Knicks und verbeugte mich vor der Königin, die mich freundlich anlächelte.
„Odin hat mir schon so viel von dir erzählt", erklärte sie: „Aber noch nie hatte ich die Möglichkeit mit dir allein zu sprechen."
Lächelnd sah ich sie an: „Nun ist die Möglichkeit da."
Die Königin verschränkte ihr Hände ineinander und betrachtete mich: „Erzähl mir etwas von dir, Liebes."
Schulterzuckend sah ich sie an: „Da gibt es gar nicht so viel zu erzählen. Meine Kindheit war recht schön. Ich bin in einem kleinen Haus hier in der Stadt aufgewachsen. Wir hatten unseren eigenen Garten, in welchem ich mich immer sehr gerne aufgehalten hatten.
Dann allerdings ging mein Vater zur Garde und meine Mutter erkrankte. Und nun bin ich hier", erklärte ich in der Kurzfassung. Mitleidig betrachteten mich ihre Augen und eine ihrer Hände legte sich auf meine Schulter: „Bist du denn nun glücklich?" Verwundert über diese Frage zogen sich meine Augenbrauen zum Haaransatz: „Ob ich glücklich bin? Ich weiß nicht genau."
„Das müssen sehr schwere Zeiten für dich sein, mein Kind", sprach sie.
„Mein Leben war noch nie einfach", lachte ich traurig und zuckte wieder gleichgültig mit den Schultern.
„Genieße es dennoch", lächelte sie aufmunternd, bevor sie hinter mich sah und sprach: „Mein Gatte scheint mich zu suchen." Bei ihren Worten begann sie leicht zu Grinsen, bevor sie sich mit einem Nicken verabschiedete und verschwand. Ich blickte ihr noch eine Zeit lang nach. Dieses Gespräch war mehr als merkwürdig gewesen. Es war in diese melancholische Richtung gerutscht und hatte leicht meine Stimmung getrübt.Mit einem Mal kehrte Ruhe in die Menge ein und alle drehten sich zu dem Podest, welches sich am Ende des Saales befand. Ich tat es ihnen gleich und sofort hatte ich einen Ahnung, was nun geschehen würde. Mein Blick ging zu Loki, welcher zum ersten Mal an diesem Abend in eine andere Richtung blickte. Etwas schwermütig erhob sich der Prinz, welcher ebenso wie Thor, auf Odin zu ging. Links und rechts stellten sich die beiden an die Seite des Königs und blickten zu uns. Loki war mit einem Mal wieder so majestätisch und selbstsicher wie eh und je, auch wenn ich glaubte leichte Unsicherheit in seinen Augen lesen zu können. Seine Maske saß dennoch perfekt. Er hatte sich komplett unter Kontrolle.
„Bevor ich zu der Verkündung des heutigen Abends komme, möchte ich euch den neue General unserer Garde vorstellen", begann Odin und hob leicht sein Kinn. Seine Hand ging zur Seite, wo ein Mann in Rüstung stand, der nun aufsah. Bei dem Anblick stockte mir der Atem und ich wusste nicht genau, ob ich mich jetzt freuen oder fürchten sollte.
„Jude Conteville", hauchte ich gleichzeitig mit Odins donnernder Stimme. Der Angesprochene hob begrüßend seine Hand und winkte grinsend in die Menge. Schwer schluckend folgte ich seiner Geste. Automatisch musste ich an meinen Vater denken, der damals ebenfalls zur Garde kam und mit einem Mal nicht mehr er selbst war. Bekam man Macht veränderte man sich. Nicht alle. Manche konnte auf dem Boden der Tatsachen bleiben, doch viele sahen schon bald nicht mehr das Wesentliche. Ich hoffte inständig, dass Jude zu der Minderheit zählte.
„Nun aber zu dem, warum ihr alle hier seid", begann Odin: „Ich freue mich euch heute mitteilen zu können, wer an meine Stelle treten wird. Die Entscheidung war mir nicht leicht gefallen. Ich habe das Glück mit zwei wundervollen Söhnen gesegnet zu sein, die beide perfekt für den Thron wären."
Er machte eine Pause und die Anspannung schien die Luft förmlich zu zerreißen. Leise holte ich Luft und fixierte die drei weiterhin mit meinen Augen.
„Dennoch musste ich mich entscheiden und ich habe mich so entschieden, wie es bereits die Altvordern vor mir getan haben. Der Erstgeborene wird meinen Platz übernehmen", bei seinen Worten hob er zusammen mit seiner Hand die von Thor und der Jubel um uns herum brach aus. Etwas unsicher begann ich ebenfalls zu klatschen, ließ aber Loki nicht aus dem Blick. Dieser trug nun ein Lächeln auf den Lippen und klatschte ebenfalls. Thor ließ sich gerade von allen feiern und beachtete seinen Bruder gar nicht mehr. Der Blonde trat hinunter in die Menge, wo ihm alle gratulierten und Odin betrachtete Thor mit einem selbstsicheren, zufriedenen Lächeln auf den Lippen. Niemand scherte sich mehr um Loki, welcher langsam nach hinten wich. Von ganz alleine setzte ich mich in Bewegung und drückte mich durch die Menge. Dabei rempelte ich immer wieder jemanden an, doch interessierte es mich recht wenig. Meine Hände verkrampften sich im Stoff meines Kleides, welches ich somit leicht hochhob, damit ich nicht fallen konnte. So schnell ich konnte lief ich dem schwarzhaarigen nach, welcher sich ungesehen nach draußen stahl. Nur ich schien ihn so richtig wahrzunehmen.
„Loki", rief ich über die Entfernung hinweg, doch reagierte er nicht. Genervt rollte ich mit den Augen und begann noch schneller zu laufen. Schließlich erreichte ich ihn und riss ihn schwungvoll zu mir herum: „Bleib stehen, wenn ich dich rufe!"
„Warum sollte ich?!" Spottete der Gott und sah mich mit glitzernden Augen an. Ich wusste, dass er zutiefst verletzt war, dass Odin nicht ihn als seinen Thronfolger erklärt hatte. Loki trug zwar gerade seine perfekte Maske aber ich konnte den Schmerz förmlich spüren. Genau das schien auch der Grund gewesen zu sein, warum ich einfach den Abstand überbrückt hatte und ihn in den Arm nahm.
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Love > Hate
RandomEine einzige Berührung verändert ihr ganzes Leben. Mit einem Mal ist sie nicht mehr nur ein Niemand. Von außen betrachtet, scheint ihr Leben perfekt: Sie lebt im Schloss, wohnt jeder Feier der Königsfamilie bei und verbringt Zeit mit den engsten Ver...