Mehrmals versuchten sie mit mir zu sprechen, doch schien Loki bald zu verstehen, dass mir das nicht möglich war. Er nahm mich dann stattdessen auf seine Arme, bevor er mich dann zu einem Pferd trug und vorsichtig auf dieses setzte. Zusammen ritten wir dann zurück ins Schloss, wo viele der Gäste davor standen. Ich konnte Jude hören, wie er beruhigende Worte sprach und doch konnte ich mich nicht auf diese konzentrieren. Mein Kopf arbeitete auf Hochtouren und probierte das passierte zu verarbeiten, doch kam nichts Gescheites dabei heraus. Die Ereignisse flogen an mir vorbei, als würde die Zeit um das Fünffache schneller vergehen. Jegliche Berührung spürte ich kaum und irgendwie war ich nicht ganz anwesend. Mein Körper befand sich zwar an den Orten, wo sie mich entlang trugen oder hinbrachten, doch war mein Geist ganz woanders. Mir schien so langsam bewusst zu werden, wie knapp es doch gewesen war. Nicht mehr viel hätte gefehlt, dann hätten sie es geschafft. Der Gedanke ließ mich erzittern und die Augen krampfhaft schließen. Wäre der Fremde nicht gekommen, welchen ich eigentlich als meinen Feind ansah, wäre es ihnen gelungen. Er hatte mich doch tatsächlich vor schrecklichem Unheil bewahrt. Dennoch fragte ich mich, wie es Loki und die anderen geschafft hatten mich zu finden. Ich hatte mich mitten im Wald befunden und doch waren sie zur richtigen Stelle gekommen. Das würde ich erfragen, sobald es mir wieder möglich war zu sprechen, denn nach wie vor konnte ich nichts weiter, als zu sehen. Deswegen gelang es mir wenigstens zu erkennen, dass sie mich zu den Heilern brachten. Wieder lag ich in einem ihrer Betten, doch war es heute ein wenig anders. Ich bekam nicht nur die Gesichter der Heilerinnen zu sehen, sondern das von Loki. Dieser sah mich liebevoll an und er legte seine Hand an meine Wange.
„Du kannst dir nicht vorstellen, was ich gerade fühle", hauchte er und strich mit seinem Finger über die weiche Haut an meinen Augen, „Vieles musst du mir erklären, sobald du wieder in der Lage bist, doch jetzt solltest du dich erst einmal ausruhen." Er erhob sich und jemand anderes trat an seine Stelle. Es war eine der Heilerinnen, die sofort begann meinen Körper abzutasten. Als sie bei meinen Rippen ankam, presste ich vor Schmerzen meine Augen zusammen. Diese Reaktion schien sie zu bemerken und hob sofort wieder ihre Hände.
„Zwei ihrer Rippen sind gebrochen", erklärte sie und sah in die andere Ecke des Raumes.
„Ich werde ihr etwas zur Heilung geben und sie dann in einen Schlaf legen, der diese Heilung unterstützt", sprach sie weiter und zog mehrer Ampullen aus ihren Taschen. Diese setzte sie nacheinander an meine Lippen, bevor eine süße, kalte Flüssigkeit meinen Hals hinunter rann. Schnell merkte ich, wie die Flüssigkeiten zu wirken begannen und meine Augenlider schwer wurden. Sie versetzten mich einen Schlaf, der mir nicht ganz wie einer schien, denn meine Gedanken liefen nach wie vor auf Hochtouren. Ich hasste diesen Zustand mittlerweile so sehr. Das stetige gelähmt sein, dennoch aber im Kopf wach zu sein. Es machte mich fertig und war anstrengender, als einfach wach zu sein. So war ich meinen Gedanken ausgesetzt und konnte diesen nicht einmal entfliehen. Automatisch spielte mir mein Kopf noch einmal all das Geschehene ab. Mir wurde erst jetzt so wirklich klar, dass Numitor gar keine so große Position in dem Ganzen gehabt hatte. Ich konnte es noch gar nicht begreifen, dass er tot war. So ein schneller, unverdienter Abgang hätte ich nicht einmal ihm gewünscht und doch war genau das passiert. Zudem fragte ich mich wieder, auf welcher Seite der Fremde mit den goldenen Augen stand. Dazu kam es, dass mein Kopf krampfhaft nach einem Gesicht zu der Stimme suchte, denn diese kam mir unfassbar bekannt vor. Mir war so, als würde ich ihn kennen, seine Art und Weise wie er sprach und noch mehr seine Stimme. Ein wenig ängstigte mich dies auch, denn nun wusste ich, dass sich jemand unter uns befand, der dieser Fremde war und somit eigentlich nicht mehr fremd war.
Der nächste Gedanke kam und zeigte mir Loki. Zeigte mir die erste Nacht, die wir gemeinsam verbracht hatten und dazu den Schleier. Wäre es wirklich möglich, dass ich ihm einen Teil des Steines gegeben hatte, als wir uns vereint hatten? Oder war es eigentlich gar nicht Loki? Doch wer sollte es dann sein? Niemand anderes kam mir in den Sinn, denn das was passiert war, war für mich das was am nächsten passte. Dann hatte ich mir diesen Schleier doch nicht vorgestellt und geträumt. Er war wirklich da gewesen und ich wusste nicht, was ich nun empfinden sollte. Irgendwie empfand ich nichts außer Mitleid, denn nun trug er ebenfalls ein wenig von dem Leid. Irgendwie müsste ich es ihnen auch noch erzählen und dann müssten wir schauen, ob er tatsächlich ein Stück in sich trug.
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„Lia", erklang es überglücklich und Sif kam auf mich zu gestürmt. Sie hatten mich heute wieder entlassen und so hatte ich sofort den Weg in den Saal gesucht, wo ich tatsächlich die meisten fand. Loki stand oben am Ende der Treppe und sah zu mir hinunter. Die anderen befanden sich am Fuße und blickte mich mit einem breiten Lächeln an. Ich hatte keine weiteren Schmerzen, die noch von dem Ereignis zeugten. Allein zwei leichte Narben blieben auf meinen Armen, die kaum zu erkennen waren und mein Oberkörper war noch ein wenig bunt verfärbt von den Brüchen.
Dennoch nahm mich Sif kraftvoll in den Arm, was mich zischend die Luft einziehen ließ. Sofort löste sie sich von mir und sah mich entschuldigend an. Auch die anderen kamen auf mich zu und umarmten mich kurz, bevor ich zu Jude überging. Dessen Lächeln war noch ein Stück erleichterter und seine Umarmung umso länger.
„Jage uns nie wieder so einen Schrecken ein", hauchte er und drückte sein Gesicht in mein Haar. Seine Hand ruhte auf meinem Hinterkopf und drückte mich so noch dichter zu sich. Mit so etwas hatte ich nicht gerechnet und doch war ich froh diesen Halt zu haben. Ein Räuspern ließ ihn wieder nach hinten treten und Loki kam mir in mein Blickfeld. Sein Gesicht war ausdruckslos, was mich leicht verunsicherte, doch legte sich plötzlich ein erleichterter Ausdruck auf sein Gesicht. Er überbrückte den letzten Abstand zu mir und sofort umgriffen seine Hände mein Gesicht. Seine Augen flogen gierig über mein Gesicht und ehe ich mich versah, lagen seine Lippen auf meinen. Überrascht begann ich den Kuss zu erwidern. Mich wunderte es, dass er es vor allen Leuten tat, immerhin standen hier all meine Freunde und dazu auch noch Wachen. Ich hörte, wie Fandral verwundert fragte: „Warum weiß ich davon nichts?"
„Glaube mir, du bist nicht der einzige", antwortete Hogun und ich konnte nicht anders als zu lächeln.
„Es reicht", hörte ich Sif sagen und spürte, wie sie mich am Arm packte und leicht von Loki wegzog, „Das könnt ihr später machen. Jetzt müssen Tatsachen ausgetauscht werden." Sie zog mich ein wenig weg von dem Ort, wo sich der Thron befand und ging auf einen kleineren Balkon, wo ein Tisch stand. Die anderen kamen und setzten sich ebenfalls zu uns.
Ich verschränkte meine Hände auf der Tischplatte und sah in die Runde. Erwartungsvolle Blicke sahen mich an, doch begann nicht ich, sondern Loki: „Denkst du, dass du darüber reden kannst?" Sofort nickte ich: „Ich möchte darüber reden. Es muss besprochen werden!" Alle sahen mich verstehend an und gaben mir so den Anlass zu beginnen: „Ich war Loki aus dem Saal gefolgt, in eine kleine, abgelegene Ecke-."
„Was wolltet ihr denn da?" Fragte Fandral mit zusammengezogenen Augenbrauen und unterbrach mich. Sif schlug ihm gegen den Arm und er blickte verwundert zu ihm.
„Also wenn ich es gewesen wäre, dann-." Begann Loki, doch stoppte er, nachdem ich ihm einen finsteren Blick zuwarf. Er brauchte nicht ausplaudern, was wir vermutlich gemacht hätten. Sie konnte es sich denken und das tat Fandral dann auch, wie mir sein Blick verriet. Seine Augen waren plötzlich geweitet und etwas Röte schoss ihm ins Gesicht. Ich selbst merkte, wie unangenehm diese Situation war, weswegen ich schnell weitersprach: „Dort zeigte sich mir dann Numitor. Anfangs dachte ich, dass er nur in meinem Kopf sei, doch war er es nicht. Dafür hatte er mir die ganze Zeit vorgegaukelt, dass er Loki sei. Als ich dann merkte, dass dem nicht so war, wollte ich fliehen, doch hielten mich zwei der Garde auf, die die Rüstungen unserer königlichen Garde trugen. So gelang es Numitor schließlich mir eine Flüssigkeit in die offenen Wunden meiner Arme zu schütten, die mich schließlich betäubte-."
„Ab da kommen wir ins Spiel", unterbrach mich Jude und sah zu Loki, „Die Garde hatte es geschafft in das Schloss einzudringen und wir schätzen ihr Anführer, hielt sogar eine Art Rede im Saal." Neugierig sah ich ihn an, denn das war neu für mich. Jude blickte kurz auf seine Hände, bevor er wieder zu mir sah: „Als sie bemerkt hatten, dass Loki es geschafft hatte aus dem Saal zu verschwinden, waren sie das ebenfalls. Vermutlich merkten sie ihr scheitern und wollten nichts riskieren."
„Wie habt ihr mich eigentlich gefunden?" Fragte ich verwirrt.
„Loki war es", sprach nun Sif. Der Angesprochene nickte nachdenklich, bevor er sich erklärte: „Es war wie ein innerer Instinkt, der mich zu dir geführt hat." Diese Aussage ließ mich erneut daran denken, dass er vermutlich den anderen Teil des Steines trug, der uns verband. Damit bestätigte sich das ganze ein klein wenig mehr. Ich würde ihn später genauer dazu befragen, nahm ich mir vor.
„Wie ist es dir eigentlich gelungen zu fliehen? Immerhin waren Numitor und seine Begleiter tot, als wir ankamen", nun war es Hogun, der das Wort erhob und sich in seinem Stuhl zurücklehnte.
„Der Mann mit den goldenen Augen", sagte ich nur und hörte, wie sie die Luft anhielten.
„Was? Hat er dir etwas angetan?" Fragte Jude besorgt und erhob sich impulsiv. Ich zeigte ihm mit einer Handbewegung, dass er sich wieder setzten sollte und sofort kam er diesem nach.
„Nein. Er tötete Numitor und seine Begleiter, dabei fiel ich vom Pferd und brach mir meine Rippen", erklärte ich ihnen, „Danach trug er mich zu einem Baum und sagte mir, dass sich etwas verändert habe." Ich schwieg, denn bevor es die anderen erfahren würden, wollte ich, dass es Loki erfuhr.
„Hat er auch gesagt was?" Kam natürlich die Frage, die kommen musste. Ich nickte, was die anderen verwirrt zu mir sehen ließ, doch musste ich sie enttäuschen: „Zuerst möchte ich mit jemandem darüber reden, bevor ihr es erfahrt." Sif sah mich schockiert an: „Du musst es uns-."
„Alles mit der Zeit", unterbrach Loki sie und sah mich verstehend an. Ich war ihm dankbar dafür, dass er mich nicht drängte, denn das brauchte ich nun wirklich nicht.
„Nun gut", gab sie nach, doch hob dabei fassungslos ihre Arme, „Als wäre es nicht wichtig zu wissen, was los ist. Dieser eine Vorfall hatte ja nicht gereicht."
„Es ist genug", sagte Loki ernst und mahnte sie mit strafenden Blicken. Sif schien zu verstehen, was sie gerade gesagt hatte und wie es klang, denn mit einem Mal sah sie mich entschuldigend an: „Es tut mir leid, doch bin ich noch immer so aufgewühlt. Fast hätten wir dich verloren."
Freundlich lächelte ich ihr zu, um ihr so zu zeigen, dass es mich nicht verletzte und alles gut war.
„Gibt es sonst noch etwas?" Fragte Volstagg, der sich somit zum ersten Mal einmischte.
„Denkt ihr wir müssen bald mit einem weiteren Angriff rechnen?" Fragte ich und biss mir besorgt auf die Unterlippe. Jude, Fandral und Hogun begannen den Kopf zu schütteln, doch gab die anderen keine Reaktion.
„Ich denke, dass die Garde nun erst einmal geschwächt ist und doch müssen wir mit allem rechnen", erklärte Loki und hob leicht sein Kinn. Der Mann mit den goldenen Augen machte mir dabei weniger Sorgen, denn seine Worte hatten geklungen, als würde von ihm erst einmal keine Gefahr mehr ausgehen. Natürlich könnte es auch sein, dass er gelogen hatte, mit all dem, was er mir gesagt hatte und doch sagte etwas tief in mir, dass dem nicht so war.
Loki erhob sich mit einem Mal und sah zu Jude: „Es kann nicht sein, dass Leute die Identität unserer Wachen annehmen können. Das ist ein großer Schwachpunkt und dieser muss beseitigt werden." Sofort nickte Jude, bevor er sich ebenfalls erhob und verschwand. Ich stand nun auch auf und sah zu Loki: „Hättest du einen Moment."
Er kam einen Schritt auf mich zu, bevor er seine Lippen zu meinem Ohr senkte und hauchte: „Für dich auch die ganze Nacht."
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Love > Hate
RandomEine einzige Berührung verändert ihr ganzes Leben. Mit einem Mal ist sie nicht mehr nur ein Niemand. Von außen betrachtet, scheint ihr Leben perfekt: Sie lebt im Schloss, wohnt jeder Feier der Königsfamilie bei und verbringt Zeit mit den engsten Ver...