ONE HUNDRED S E V E N T E E N

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Erneut wollte ich mich zu ihm drehen, doch schmerzte mein Hals zu sehr. Leider trieb es mich einfach in den Wahnsinn nicht sein Gesicht sehen zu können und zu wissen, dass ich ihn irgendwoher kannte. Ebenso schwieg der Fremde auch plötzlich und ließ mich somit fasst vor Neugier platzen. Doch nicht nur das machte mich verrückt, sondern auch all die Gefühle, die sich in mir aufgestaut hatten. Dazu kam die Angst, welche durch eine bitterböse Vermutung erwacht war.

Ich war nicht mehr auf diesem merkwürdigen Planeten. Zwar konnte ich mir nicht sicher sein und doch war ich es irgendwie. Das konnte allerdings nur heißen, dass es Kenan gelungen war, mich wegzubringen. Ebenso hieß es, dass nun alles zu spät war und mich vermutlich die Leute hatten, die es auf mich abgesehen hatten.

Tränen stiegen mir in die Augen und mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Ich blickte nach oben an die Decke und probierte die Tränen wegzublinzeln, da ich mir nicht die Blöße geben wollte, vor dem Fremden zu weinen. Vermutlich wollten sie mich genauso sehen. Zerbrochen und am Boden. Das würde ich ihnen nicht geben.

„Zeig dich doch!" Fluchte ich wütend. Erst jetzt merkte ich, wie trocken eigentlich mein Hals war, was ihn unangenehm kratzen ließ. Dazu kamen meine geschundenen Stimmbänder, die Kenan zuvor bearbeitet hatte.
„Nicht so ungeduldig", kam es nur süffisant zurück, was mich nur noch wütender machte. In diesem Moment verspürte ich keine Angst mehr, sondern nur noch Trotz.

Plötzlich erklangen Schritte und ich versteifte mich automatisch. Wollte ich wirklich sehen, wer dort gleich vor mir stehen würde? Was ist, wenn ich wieder einen vermeintlichen Freund vor mir haben würde? Könnte ich erneut diese Enttäuschung verkraften? Genau das ließ mich die Augen schließen. Ich dachte darüber nach, ob es wirklich möglich war, doch kam ich zu dem Entschluss, dass es das nicht war. Ich kannte diese Stimme zwar und doch war sie mir nicht bekannt genug, um ein Gesicht in meinem Geist hervorzurufen. Ich musste ihm einmal flüchtig begegnet sein.

Die Schritte verstummten wieder und ich öffnete die Augen. Augenblicklich verkrampfte ich mich und schluckte schwer, was mich das Gesicht verziehen ließ.
Diese eisblauen Augen, diese markanten Wangenknochen, diese schwarzen Haare und dann dieser schwarze Mantel aus Leder. Ich war ihm nicht oft begegnet. Vielleicht zweimal und doch war da sofort wieder diese unangenehme Gänsehaut, die mein Körper heimsuchte. Er war so Furcht einflößend und unberechenbar. Dazu kam dieses Grinsen, welches mich an ein Raubtier erinnerte und erzittern ließ.

„Du scheinst mich noch zu kennen", sagte er grinsend und verschränkte seine Hände hinter dem Rücken. Natürlich tat ich das. Er war derjenige gewesen, der Numitor all diese Befehle gegeben hatte. Die Befehle, die mir das Leben zur Hölle gemacht hatten. Sofort dachte ich wieder an meine Narben auf der Stirn und all die Qualen, die ich erlitten hatte.
Überraschenderweise ging er nun vor mir in die Hocke, sodass ich zu ihm nach unten gucken musste. Nun wirkte er unterwürfig und irgendwie auch gar nicht, denn allein sein Anblick war so düster und einschüchternd.

„Endlich haben wir das bekommen, was uns so viele Jahre verwehrt gewesen war", säuselte er und betrachtete mich. Ich probierte seinen Blick zu erwidern, doch hatte ich das Gefühl, dass sich dieser in mich brannte, weswegen ich schnell den Blick abwandte.

„Weißt du, Lia?" Erklang wieder seine Stimme und er erhob sich, „Du erinnerst mich an deine Mutter."
Ich drückte meinen Kopf weiter an die Rückenlehne und probierte seine Worte zu verdrängen. Mit ihm wollte ich nicht über eine solch wichtige Person aus meiner Vergangenheit reden. Er schien allerdings noch nicht fertig zu sein: „Sie war ebenso eine wunderschöne Frau gewesen. Nur leider musste sie uns viel zu früh verlassen."
„Du kanntest sie doch gar nicht", zischte ich wütend, „als hättest du jemals etwas vorher über mich gehört. Du bist doch ein einfacher Kopfgeldjäger!"
„Ich kannte sie besser, als du denkst", grinste er und entlockte mir erneut eine kalte Gänsehaut.
Ein abwertendes Schnauben verließ meinen Mund und ich probierte ihn so trotzig wie möglich anzusehen.

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