S I X T Y FIVE

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Es sollte wieder einer dieser typischen Tage werden, die ich so sehr hasste. Eigentlich hasste ich jeden Tag, den ich ohne ihn verbringen musste und das nun schon seit drei Jahren. Wie jeden Morgen saß ich auf meinem Bett und probierte meine geröteten Augen abschwellen zu lassen, welche durch meine Tränen so geworden waren. Traurig legte ich mich wieder hin und drückte mein Gesicht in sein Kissen, welches mittlerweile meinen Geruch angenommen hatte. Niemand hatte je die Sachen aus seinen Räumen geräumt und ich hatte es nicht übers Herz gebracht sie genauer zu betrachteten. Nach wie vor ließ ich meine Finger von seinen Schränken, doch nicht von seinen Büchern. Wie oft ich sie nun in der Hand gehalten und die Notizen am Rand nachdenklich betrachtet hatte. Loki schien seine Bücher nicht nur gelesen, sondern seine Gedanken am Rand erfasst zu haben. Es faszinierte mich, wie sehr dieser Gott doch um die Ecke denken konnte und sich nicht an das klammerte, was bereits so viele vor ihm gedacht hatten. Bei dem Gedanken an ihn musste ich leicht lächeln, doch war es kein freudiges, sondern ein trauriges. Am liebsten wäre ich sofort aufgesprungen und zum Biefröst gelaufen, um in die anderen Welten zu reisen und die Suche alleine zu führen, doch war dieser nach wie vor zerstört. Hätte ich die Möglichkeit Loki wiederzusehen, würde ich alles dafür tun, doch trennte uns nicht nur das Universum, sondern der Schleier zwischen dem Reich der Lebenden und der Toten. Natürlich wollte ich an dem Gedanken festhalten, dass er noch lebte, doch konnte ich es einfach nicht mehr. Er war nun schon so lange fort und sollte er noch leben, warum kam er nicht zu uns? Was hinderte ihn daran? Ich verstand es einfach nicht und mein Kopf konnte sich einfach nichts mehr zusammenreimen. Ich war es leid mir tagtäglich den Kopf zu zerbrechen und auf etwas zu warten, was aussichtslos erschien. Dieser Gedanke schockierte mich selbst und ich wusste nicht, wann ich begonnen hatte so zu denken. Mein Herz sehnte sich immer noch nach ihm, doch mein Kopf probierte sich langsam zu radikalisieren. Dennoch fiel mir das Aufstehen jeden Tag schwer und dennoch biss ich die Zähne zusammen. Also rappelte ich mich auf und suchte Sif, ohne mir weitere Gedanke über all das zu machen, denn es zerstörte mich.

An einer Ecke stoppte ich abrupt, da laute Stimmen an mein Ohr drangen und mich neugierig werden ließen.
"Was ist, wenn es kein Fehler ist?" Ich konnte deutlich hören, dass es Thor war, der gerade sprach: „Heimdall bestätigte das ganze nur, was eigentlich niemanden mehr zweifeln lassen sollte!"
„Er ist tot!" Volstagg sprach diese Worte und brachte somit jemanden dazu scharf die Luft einzuziehen.
„Du willst einfach, dass er das ist!" Hörte ich nun Sif sagen, „allein um Lias Willen wünsche ich mir, dass er noch lebt." So langsam schien ich zu verstehen, um wem sich dieses Gespräch handelte und ich schärfte nur noch mehr meine Ohren.
„Und selbst wenn! Was macht er dann auf der Erde?!" Fandral räusperte sich kurz, bevor er weitersprach: „Ich kann mir zwar vorstellen, weswegen er nicht zurückkehrt und doch passt das alles nicht zusammen!" Ein undefinierbarer Laut verließ meinen Mund und plötzlich kehrte Stille ein. Ich hörte, wie das Scharren von zurückgeschobenen Stühlen erklang, bevor Sif in mein Blickfeld kam und mich entschuldigend ansah. Nun kamen auch die anderen dazu und ich konnte sehen, wie Fandral seine Hände in die Luft warf: „Es gab nur eine Person, die nichts von diesem Gespräch wissen sollte und wir haben wieder auf ganzer Linie versagt."
Ich ignorierte seine Worte und trat hektisch auf Thor zu: „Stimmt das, was ihr sagt. Loki ist auf der Erde?!"
Thor sah unsicher in die Runde und schließlich war es Jude, der dichter zu mir trat und mich eindringlich ansah: „Wir können uns nicht sicher sein."
Nervös biss ich mir auf meiner Unterlippe herum: „Wir müssen herausfinden, ob es stimmt!"
Sif sah zu Thor und nickte mehrmals in meine Richtung, was mich misstrauisch werden ließ.
„Was möchtest du mir sagen?" Fragte ich an den Gott gerichtet, der leicht verlegen auf den Boden sah.
„Vater wird mich in den nächsten Tagen zur Erde bringen." Wieder entwich mir ein leiser Laut und ich schlug mir erschrocken die Hände vor den Mund: „Ich werde dich begleiten!" Meine Worte kamen nur gedämpft zu den anderen und doch schienen sie genau zu verstehen, was ich gesagt hatte. Synchron begannen sie ihre Köpfe zu schütteln: „Das geht nicht. Es ist einfach zu gefährlich."
Wütend sah ich in die Runde: „Ich bekomme gerade zu hören, dass Loki noch lebt und ihr erwartet, dass ich untätig herumsitze. Ich weiß ehrlich gesagt noch nicht einmal, ob ich es bereits begriffen habe, was mir offenbart wurde, denn wir reden hier miteinander, als wäre das Thema das Wetter!"
„Wir verstehen dich, aber-."
„Er lebt", unterbrach ich einfach Jude, „Drei Jahre war ich in dem Glauben, dass die Person, die ich liebe, tot sei und nun sagt ihr, dass er genau das nicht ist! Wie würdet ihr reagieren?! Ich muss ihn einfach sehen! Oder vielleicht doch nicht?! Ich weiß es nicht! Ich weiß einfach nicht, was ich denken soll!" Zum Ende hin griff ich mir verzweifelt in meine Haare. Ich wusste einfach nicht, was ich fühlen oder denken sollte. Sollte ich mich freuen, weil er tatsächlich lebte oder enttäuscht sein, weil er nicht zurück zu mir kam? Er ließ mich tatsächlich einfach glauben, dass er tot sei und scherte sich nicht darum, wie es mir dabei ging. Wut keimte in mir auf und Tränen stiegen mir zugleich in die Augen. Sif schien das zu sehen, denn sofort kam sie zu mir und nahm mich in den Arm.
„Was soll ich nur denken?" Fragte ich verzweifelt und entlud meine Wut, indem ich mich fest in ihre Kleidung krallte.
Thor kam nun ebenfalls hektisch zu mir und legte mir beruhigend eine Hand auf die Schulter: „Er kam sicherlich nicht zurück, weil er dachte, dass er nicht mehr erwünscht sei."
Mein Blick ging zu den anderen, welche sichtlich etwas anderes zu denken schienen, doch sagte niemand etwas. Weitere Tränen kamen dazu und ebenso Schluchzer, die den Raum erfüllten.
„Ihr wisst, dass ich um Lias Sicherheit immer sehr bemüht bin und doch denke ich, dass es das richtige wäre, wenn sie mit auf die Erde gehen würde." Überrascht weiteten sich meine Augen und ich sah Sif ins Gesicht: „Wirklich?" Sie presste ihre Lippe aufeinander und nickte schließlich. Dabei ging ihr Blick durch die Runde und ich konnte hören, wie Jude schnaubte. Mir war klar, dass er die Idee nicht gut fand, allein schon, weil ich Loki wiedersehen könnte, dabei hatte er mich doch gefragt, ob ich ihn heiraten wollte. Der Gedanke an diesen Moment ließ mir eine Gänsehaut entstehen.

Nachdenklich stocherte ich in meinem Essen herum und dachte darüber nach, wie es nun weitergehen würde. Der Schmerz nahm mich nach wie vor ein und wollte mich einfach nicht gehen lassen. Meine Gedanken gingen immer nur wieder zurück zu dem einen.
Ein Räuspern ließ mich nach hinten sehen und ich erblickte Jude hinter mir, welcher an meinem Stuhl abgestützt stand.
„Hallo, was gibt es?" Fragte ich freundlich und zwang mir ein Lächeln auf die Lippen, welches allerdings schnell wieder erstarb, weswegen ich einfach wieder nach vorne sah.
„Ich würde gerne mit dir reden", erklärte er sein Auftauchen, doch machte es mich nicht gerade schlauer.
„Dann sprich", forderte ich ihn auf, doch kam nichts weiter. Also drehte ich mich wieder um und sah ihn verwirrt an: „Alles gut?"
„Würdest du kurz mit mir mitkommen? Bitte?"
Verwirrt nickte ich und erhob mich vorsichtig. Er griff nach meiner Hand und zog mich leicht hinter sich her. Ich wusste nicht, was ich davon denken sollte, doch machte er mich neugierig, weswegen ich ihm einfach folgte. Als er schließlich in einer Ecke des Gartens stoppte, sah ich ihn noch verwirrter an. Eine Rosenhecke umgab uns und der Duft hüllte mich ein, was mich kurz die Augen schließen und wohlig aufseufzen ließ.
„Ich wusste es würde dir hier gefallen", hörte ich ihn sagen und öffnete wieder meine Augen. Nun schenkte ich ihm doch ein ehrliches Lächeln: „Es ist wirklich sehr schön hier."
Meine Hand wanderte langsam zu eine der Blüten und strich kurz über das Rot, bevor ich sie zurückzog und wieder zu Jude sah, welcher sich geräuspert hatte.
„Ich habe mir wirklich sehr lange überlegt, ob ich diesen Schritt wagen soll, doch entschied ich mich schließlich dafür. Vielleicht kommt es ein wenig überraschend und doch möchte ich einfach, dass du es weißt." In meinem Kopf begann es zu rattern, was er mir wohl sagen wollte, denn seine Worte waren wirklich verwirrend.
„Mein Herz sehnt sich nach dir Lia. Bereits bei unserer ersten Begegnung verlor ich mich in deinen Augen und diese ließen mich nie wieder gehen. Ich möchte, dass du das weißt und, weil ich mir kein Leben mit einer anderen Frau vorstellen kann, wollte ich dich Fragen, ob du diese Frau in meinem Leben sein willst?" Bei seinen letzten Worten knickte er ein Knie und ging zu Boden, was mich nicht mehr zweifeln ließ. Er wollte mich tatsächlich heiraten. Röte stieg mir ins Gesicht und ich sah kurz zur Seite. Seine Hand griff nach der Meinen und ließ ihn mich so wieder ansehen. Ich schluckte schwer und legte meine Hände an seine Arme, die ihn wieder nach oben zogen. Er sah mich strahlend an, was allerdings erstarb, als ich begann den Kopf zu schütteln: „Es tut mir leid. Ich kann diese Gefühle nicht erwidern, zumindest nicht für dich. Ich liebe einfach jemand anderen."
„Er ist tot, Lia. Du kannst nicht nur auf der Stelle laufen", sagte er flehend. Ich verstand, was er damit sagen wollte: „Du hast recht und doch ist das einfacher gesagt als getan."
„Bitte überdenke es noch einmal", bat er mich. Alles in mir schrie, dass ich den Kopf schütteln würde, denn ich wusste das es nur eine Antwort gab und doch nickte ich. Das Lächeln kam zurück und er griff wieder nach meiner Hand: „Ich danke dir."

Dieser Moment spiegelte sich gerade in seinen Augen wieder und hielt mich gefangen. Zwar wusste er, dass diese Hochzeit niemals stattfinden würde und doch sah ich die Hoffnung in seinen Augen.
„Nun gut. Sie wird mich begleiten", sagte Thor plötzlich und ließ meine Augen groß werden.
„Was?!" Kam es von so gut wie allen im Chor. Er hob seine Schultern, bevor er diese wieder fallen ließ: „Sie kann mir bestimmt dabei helfen ihn zu bändigen, soweit das von Nöten sein wird."
„Ich denke-." Wollte Jude beginnen, doch trat Sif schnell vor ihn und nahm ihm so das Wort aus dem Mund.
„Ich finde es gut!"
„Denkt ihr denn, dass Odin dem zustimmen wird?" Fragte Fandral.
„Er muss dem zustimmen", kam es mir selbstsicher von Thor und ein großes Lächeln stahl sich auf meine Lippen.

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