E I G H T Y SIX

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Nervös faltete ich immer wieder meine Hände zusammen, bis ich mich schließlich zur Räson rief und damit aufhörte.
Wir saßen mittlerweile schon eine Weile lang alleine am Tisch und die Geschwister ließen sich nicht blicken. Ich konnte Odin ansehen, wie sehr es ihn störte und auch ich fragte mich für wen sie sich eigentlich hielten. Sie schienen zeigen zu wollen, dass sie diejenigen waren, die die Schnüre in der Hand hielten und alles dirigierten.

Als sich dann endlich die große Flügeltür öffnete und zwei Personen mit wehenden Gewändern eintraten, erhoben wir uns schließlich und blickten ihnen abwartend entgegen.
Mein Blick fiel zu erst auf den Mann, welcher rotes Haar besaß und viele Sommersprossen im Gesicht hatte. Seine Augen strahlten in einem wunderschönen braun und waren sehr hell und leuchtend. Außerdem war sein Gesicht so kantig und majestätisch, dass ich mich an Odins Stelle angegriffen fühlen würde. Keldan, wenn ich mich recht erinnerte, war das sein Name, strahlte in dem Moment mehr Macht aus, als es Odin mir gegenüber je getan hatte.
Er trug Gewänder, welche Kobaltblau waren und goldene Elemente besaßen. Dazu einen Umhang, der nun hinter ihm her wehte und ihm dadurch nur einen noch größeren Auftritt bescherte.

Nervös schluckte ich und legte nun meinen Blick auf die Frau neben ihn.
Ihr Anblick fühlte sich wie ein Faustschlag in meine Magengrube an.
Auch sie besaß rotes Haar und viele Sommersprossen. Ihre Lippen und Wangen wirkten außerdem so rosig. Sie trug ebenfalls blaue Gewänder und einen Umhang. Die goldenen Elemente auf ihrer Kleidung und in ihrem Haar ließen ihren braunen Hautton noch mehr leuchten.
Mein Blick fiel in ihre Augen und ich atmete ungewollt schwer aus. Diese waren leuchtend blau und so widersprüchlich zu ihrem restlichen Aussehen. Sie wirkte, als würde sie mit diesen Augen sofort alles und jeden durchschauen und stellte gleichzeitig alles in ihren Schatten.
Ich war mir sicher, dass ihr niemand widerstehen konnte und sofort wusste ich, was Loki an ihr gefunden haben musste. Sie strahlte ebenso eine Macht aus und ein Selbstbewusstsein, dass mich sofort minderwertig fühlen ließ.
Sie zog einen einfach in den Bann und ich konnte nicht einmal sagen warum. Es war einfach so.

Besonders schlimm war eigentlich auch, dass Sif untertrieben hatte, was ihre Schönheit betraf. Zwar vermutete ich, dass ihr Charakter nicht so viel herzugeben hatte und doch fürchtete ich mich davor es herauszufinden.

„Wir bitten um Verzeihung", erklärte Keldan mit einem selbstsicheren Grinsen und verneigte sich kurz, was ihm seine Schwester gleich tat.
Sie zog daraufhin einen Stuhl zurück und setzte sich: „Wir wurden aufgehalten."
Es herrschte kurz Stille, denn jeder wartete darauf, dass sie sich weiter erklären würden, doch taten sie es nicht, sodass sich Odin räusperte und zu sprechen begann: „Wir erfreuen uns dennoch über eure Anwesenheit und wünschen uns einen schönen Abend. Die Verhandlungen können noch warten."
„Natürlich", Keldan griff nach seinem Kelch, wo sich Wein drin befand und hob diesen kurz in die Luft. Wir folgten ebenfalls dieser Geste und doch konnte ich mir kein Lächeln abringen.
Mein Blick ging zu Thor, welcher ebenfalls unglücklich aussah und doch wirkte seine Maske sehr viel glaubwürdiger, als meine, denn ich probierte nicht einmal eine aufzusetzen.

„Wir sind wirklich erfreut hier zu sein", sprach Sigyn wieder und ließ ihren Blick über die Anwesenden schweifen, „Es ist eine lange Zeit her, seit unserem letzten Aufeinandertreffen. Ehrlich gesagt hat sich auch nicht viel verändert... außer, dass ich hier nur einen der Prinzen sitzen sehe. Wo ist Loki?"
Ungewollt verkrampfte ich mich und sah auf meine Hände, um von niemanden die Aufmerksamkeit zu erregen. Dennoch bemerkte ich leider den Blick Keldans auf mir, was mich ungemein störte, denn so war ich dazu gezwungen, dass ich mich beruhigte.
Ich spürte, wie er mich abschätzend betrachtete und ich das Gefühl hatte, dass sein Blick immer schwerer auf mir lastete.
„Loki kann aus bestimmten Gründen nicht anwesend sein, doch diese gehören jetzt nicht an diesen Tisch", erklärte Odin und lächelte dabei, doch konnte ich mir denken, dass dieses ebenfalls nur eine Maske war. Sigyn nickte und doch konnte ich ihr ansehen, dass ihr diese Antwort nicht gefiel.

Dann wurden die Speisen aufgetischt und die Gespräche in eine belanglose Richtung gelenkt. Ich hörte gar nicht richtig hin, sondern betrachtete die beiden Geschwister nur immer wieder abwechselnd und musste zugeben, dass bei Keldan noch mehr war. Ich hatte bei seinem Anblick so ein Gefühl, welches sich deutlich als Bauchgefühl herausstellte, doch wusste ich nicht, was es mir sagen wollte.
Sigyn gegenüber verspürte ich furchtbare Eifersucht, was so absurd war und doch so berechtigt. Allein schon, dass sie sich nach ihm erkundigt hatte, hatte gereicht, damit diese aufkeimte.

Ich würde nachher definitiv mit ihm reden müssen und hoffentlich alles aus der Welt schaffen. Diese Ungewissheit war ein schreckliches Gefühl, doch ich war mir sicher, dass wir das schaffen konnte. Immerhin hatte wir schon so viele gemeinsam bewältigt, warum sollte eine Göttin das jetzt zerstören.
Zwar eine wunderschöne Göttin, die vermutlich jeden Mann dazu brachte ihr zu verfallen. Dachte ich ungewollt.

Geplagt von solchen Gedanken verbrachte ich den restlichen Abend mit ihnen, bis ich endlich entlassen und die Runde aufgelöst wurde. Leider stellte sich heraus, dass es noch nicht das Ende für mich war.
„Bitte, warte doch", hörte ich hinter mir rufen und stoppte aus Höflichkeit.
Keldan und Sigyn tauchten hinter mir auf und kamen mit einer einschüchternden Eleganz auf mich zu: „Wir hatten noch nicht das Vergnügen. Weswegen seid ihr im Schloss?" Sigyn stellte diese Worte an mich und ich würde bei ihrem gefälschten Gesichtsausdruck am liebsten würgen.

„Mein Name ist Aurelia und ich bin sozusagen ein Teil der Familie", erklärte ich, denn ich wusste nicht, wie ich mich genau vorstellen sollte.
„Ein Teil der Familie?" Fragte Keldan mit hochgezogenen Augenbrauen.
Mein nächsten Worte waren unüberlegt und spontan, sodass ich sie kaum realisierte, bevor ich sie ausgesprochen hatte: „Ich bin Lokis Gefährtin."
Großen Augen sahen mich nun an und trotz meiner dummen Worte, verspürte ich so etwas wie Genugtuung, da ich es geschafft hatte die beiden kurzzeitig zu überwältigen. Als ich nun aber den überheblichen Blick wahrnahm, den Sigyn ihrem Bruder schenkte, wurde ich ganz klein.
„Interessant", raunte Keldan und hob sein Kinn in die Höhe, „Dennoch hoffe ich weiterhin das Vergnügen mit dir zu haben."
„Ich-." Wollte ich beginnen, doch stoppte ich und sagte stattdessen überfordert, „Entschuldigt mich. Der Tag war anstrengend." Ich floh förmlich vor den beiden und stoppte erst wieder, als ich in meinem Zimmer angelangt war.

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