F O U R T Y SEVEN

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Ich musste ein paar der Wachen fragen, denn in seinem Zimmer konnte ich ihn nicht auffinden. Schließlich sagte mir einer der in Rüstung gekleideten Männer, dass er in die Schatzkammer gegangen sein. Natürlich eilte ich sofort los. Dabei hob ich mein Kleid, welches ich trug, ein wenig nach oben, damit ich nicht stürzte. Meine Hände verkrampften sich dabei in dem Stoff und schienen vor Aufregung immer schwitziger zu werden. Ich wusste nicht, warum ich so nervös war, doch schien mein Kopf langsam zu verstehen, was passiert war. Thor war verbannt worden. Er befand sich nun auf irgendeinem Planeten und würde nicht mehr zu uns zurückkehren dürfen, außer Odin gab sein Einverständnis. Ich würde ihn nie wiedersehen. Ihn, Thor. Er war wie ein Bruder für mich. Wenn ich so darüber nachdachte wusste ich nicht einmal mehr, was unsere letzten Worte gewesen waren. Es waren keine Worte des Abschiedes gewesen und das machte alles nur noch viel schlimmer. Diese Gedanken wollten mich zusammenbrechen lassen. Wollten, dass ich mich in einer Ecke verkroch und weinte. Doch konnte ich es nicht, jetzt noch nicht, denn ich hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Ich würde zuerst mit Loki reden.

Schneller als gedacht, erreichte ich die Schatzkammer, doch ließen mich laute Stimmen vor der großen Flügeltür stoppen. Ich verstand die Worte deutlich, doch ergaben sie keinen Sinn für mich.
„Sag es mir!" Es war deutlich zu hören, dass Loki derjenige war, der diese Worte brüllte, doch wusste ich nicht mit wem er sprach.
„Ich bin also nichts weiter, als noch so ein gestohlenes Relikt?! Hier eingesperrt, so lange bis ich von Nutzen sein kann. Du hast mir all die Jahre meine wahre Herkunft vorenthalten! Wieso hast du das getan?" Erschrocken schlug ich mir meine Hände auf den Mund und etwas stach in mein Herz, was starke Schmerzen entfachte. Noch nie hatte ich ihn so verletzt gehört und es zerstörte mich, dass es ihn so mitnahm. Zudem fragte ich mich nur, was er meinte. Lokis Herkunft war Asgard! Oder etwa nicht?
„Weil ich das Monster bin von dem die Eltern ihren Kindern Schauergeschichten erzählen?! Mit einem Mal ergibt alles ein Sinn! Warum du Thor all die Jahren den Vortritt gelassen hast! Ganz gleich, wie du auch vorgibst mich zu Lieben; Du hättest nie zu gelassen, dass ein Eisriese auf dem Thron von Asgard sitzt!" Geschockt entkam mir ein leiser laut und ich musst mich an der Tür festhalten, um nicht umzukippen. Hatte ich das gerade wirklich richtig verstanden? Loki, ein Eisriese? Ich würde ihn deswegen nicht anders ansehen, doch all die Jahre waren wir in dem Glauben gewesen, dass er ein Ase sei. Er wäre deswegen keine andere Person und doch fühlte ich die selbe Enttäuschung, die er gerade verspüren musste. Wie betrogen und hintergangen er sich fühlen musste, all die Jahre hatte man ihn angelogen und ein wenig erinnerte Loki mich gerade an mich selbst. Der Seelenstein, der Tod meiner Mutter und die Verleugnung meines Vaters. Die Schmerzen kamen zurück und ich hatte gar nicht bemerkt, wie ich angefangen hatte zu weinen. Die Tränen rannen meine Wange hinunter und ich fühlte mich mit einem Mal, als wäre ich betäubt. Mein ganzer Körper zitterte und ich schien in einer Art Schockstarre zu sein. Diese wurde mir ruckartig genommen, als Loki mit einem Mal rief: „Wachen! Helft mir!"
Die Wachen, welche ein Stück weiter hinten standen, kamen auf mich zu gelaufen und stießen die große Flügeltür auf. Ich sah Odin, welcher auf der Treppe lag und Loki, welcher gerade zur Seite trat, damit die beiden Männer den Allvater hochheben konnten. Der Blick des Gottes ging zu mir und mit einem Mal wurden seine Augen groß. Er schien zu verstehen, dass ich alles gehört hatte. Seine Augen lagen starr auf mir und er rührte sich nicht. Auch ich stand einfach nur da und sah ihn an. Ich konnte seine Tränen sehen, die leicht feucht auf seiner Haut glänzten. Er hatte nicht geweint, weil er traurig war, die Wut hatte ihn dazu gebracht. Zudem pulsierte eine seiner Adern sichtbar auf seiner Stirn, doch schien die Wut verschwunden. Sorge befand sich in seinen Augen und Unsicherheit.
Die Wachen brachten Odin an mir vorbei, doch weder Loki noch ich rührten uns. Wir sahen uns einfach an und niemand wusste, was zu sagen war. Er wusste genau, dass ich es wusste.
Ich war es, die sich schließlich rührte und langsam zu ihm ging. Wir beide ignorierten, dass Odin gerade weggebracht wurde. Ich schien wie von der Welt abgeschottet und allein Loki befand sich in meiner Isolation mit mir. Er kam mir nun langsam entgegen und achtete nicht auf die Stufen. Als wir nur noch zwei Stufen von einander entfernt waren, stoppten wir wieder. Wir sahen uns einfach nur an und wieder hatte ich das Gefühl in seinen Augen zu versinken. Sie waren wie ein einziger tiefer See, dessen Wassermassen mich verschlungen.
Plötzlich ging alles ganz schnell und er kam zu mir. Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, da lagen seine Hände an meinem Rücken und seine Lippen auf meinen. Er küsste mich, als wären meine Lippen der einzige Halt, der ihm vor dem Ertrinken retten würde. Sie berührten gierig und verlangend meine und ich konnte einfach nicht anders, als den Kuss zu erwidern. Meine Hände griffen in seine Haare und ich ließ meine Finger immer wieder durch diese fahren. Seine schwarzen Strähnen waren so weich und zerflossen förmlich in meinen Händen. Seine Lippen waren so zart, viel zarter als in meinen Erinnerungen und wieder stieg mir sein Geruch in die Nase. Dieser schien mich förmlich zu beleben und ich konnte nicht anders, als wohlig aufzuseufzen. Wie lange hatte ich darauf gewartet endlich wieder seine Lippen auf meinen zu spüren? Seine Hände auf meiner Haut zu fühlen und dieses wohlige Gefühl in meinem Herzen. Es belebte mich und ich schob jegliche Zweifel beiseite. In diesem Moment war nur noch er wichtig und das Gefühl, welches er mir bescherte. Ich wollte ihm zeigen, dass ich für ihn da war und er auf mich zählen konnte. Zudem, dass es für mich keinen Unterschied machte, dass er kein richtiger Ase war. Er sollte sich nicht minderwertig fühlen und am liebsten hätte ich ihm all die schlechten Gefühle genommen.
Meine Hände wanderten in seinen Nacken und ich ließ mich langsam nach hinten sinken. Er legte seinen Arm um meine Taille und ließ sich langsam mit mir nach unten gleiten. Er beugte über mir, währenddessen ich auf den Stufen lag. Ich nahm weiterhin seine Lippen in Beschlag. Sein Arm lag nach wie vor an meiner Taille und seinen anderen nahm er, um sich abzustützen. Meine Hände lagen mittlerweile an seinem Gesicht und ich genoss einfach diesen Moment. Ich spürte, wie er seinen Arm von meiner Taille nahm und seine Hand auf mein Bein legte. Er hob den Stoff meines Kleides ein wenig hoch und ich wusste, was er damit erreichen wollte, doch hinderte ich ihn daran. Ich nahm seine Hand von meinem Kleid und legte sie auf meinen Bauch. Er sah mich verwirrt an und löste so seine Lippen von meinen.
"Loki", hauchte ich leise und merkte, dass meine Lippen geschwollen waren, „nicht hier." Er verstand und nickte, bevor er mir auf half und mich eindringlich ansah: „Ich weiß nicht-."
„Du musst nichts sagen", unterbrach ich ihn und legte ihm meinen Finger auf die Lippen, „Es macht keinen Unterschied für mich, wo du her kommst."
„Dennoch", begann er, „Ich möchte, dass du es niemandem sagst. Noch nicht." Sofort nickte ich, denn ich wusste, was ihm das bedeutete. Ich wüsste auch nicht, wie ich es den anderen sagen sollte, doch würde ich wollen, dass ich es ihnen alleine erzählte. Gerade verstand ich auch noch nicht richtig, was wir getan hatten. Ich hatte ihn wieder geküsst, obwohl ich mir geschworen hatte, dass ich es nie wieder tun würde. Angst flammte in mir auf und ließ mich leicht erzittern. Was wäre, wenn er mich wieder von sich stoßen würde? Wenn das Ganze gerade nur da war, um all den Druck abzubauen? Er würde mich zutiefst verletzen, erneut.
"Was ist los?" Fragte er verwundert und legte seine Hand wieder an meine Wange. Mit seiner anderen ergriff er meine Hand und drückte diese leichte.
"Wirst du mich wieder verletzen?" Fragte ich leise und sah ihn traurig an. Er schüttelte seinen Kopf: „Jede meiner Handlungen dienen nur zu deinem Schutz."
"Du beantwortest mir damit nicht meine Frage", sagte ich leise. Er holte Luft, um mir zu antworten, doch wurde er unterbrochen.
"Prinz. Sie werden von ihrer Mutter erwartet", die Stimme der Wache war drängelnd und mit einem Mal schoss uns beiden wieder in den Kopf, was passiert war. Odin, dachte ich erschrocken und auch Lokis Augen wurden mit einem Mal groß.
„Geh du zu den anderen", sagte er nur noch, bevor er dem Mann folgte und mich alleine ließ.

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