S E V E N T Y ONE

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Natürlich fand ich nicht die Ruhe, mit welcher ich gerechnet hatte. Stattdessen wühlte ich mich nur umher und hatte wieder einmal das Gefühl durchzudrehen. Deswegen kam es wie erwartet und ich erhob mich. Ich hielt es einfach nicht in diesen engen Räumen aus und das jede Nacht aufs Neue. Also kam es dazu, dass ich den Ort aufsuchte, welchen ich vor einigen Tagen gefunden hatte.
So kam es, dass ich mir schnell einen Mantel überzog, bevor ich vorsichtig meinen Kopf aus dem Raum hielt und in die Flure sah. Gerade war keiner der Wachmänner unterwegs und ich wusste genau, wie ich vor den Kameras verborgen bleiben konnte. Also schlich ich schnell aus meinem Raum und schloss leise die Tür hinter mir, bevor ich mich leichtfüßig durch die Flure bewegte. Dabei stets meine Gedanken auf mein Ziel gerichtet.
Jedes Mal, wenn Schritte ertönten, suchte ich mir schnell eine Nische und schlüpfte hinter diese. Dort wartete ich dann, bis sie vorüber waren und setzte meinen Weg fort. Ich wusste nicht, was passieren würde, sollten sie mitbekommen, dass ich nachts im Schiff unterwegs war. Vermutlich würde ihr Misstrauen wachsen und das brauchte ich nicht und ich wollte mich noch weniger erklären müssen, weswegen ich diese nächtlichen Ausflüge unternahm.

Als ich unentdeckt die Tür erreichte, sah ich mich ein letztes Mal um mich, bevor ich diese mit einem Ruck öffnete. Kalte Luft kam mir entgegen und wehte mir meine Haare zurück. Erleichtert zog ich diese in meine Lungen und spürte, wie sie mir meine schlechten Gedanken forttrug.
Mit einem leisen Geräusch schloss sich die Tür wieder und ich trat von dieser weg. Ich suchte die kleine Nische auf, in welcher ich mich immer versteckte und lehnte dann meinen Kopf gegen das kalte Metall. An diesem Ort war ich zwar nicht weniger aufgewühlt und doch fühlte ich mich nicht mehr so eingesperrt. So wurde wenigstens mein Herzschlag langsamer und meine Atmung ebenso. Ich wusste einfach nicht mehr, was ich machen sollte, denn irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich auf der Stelle lief. Irgendwie kam ich einfach nicht voran und war unzufrieden mit mir selbst. Die Situation machte mich einfach unglücklich und ich wollte so gerne Ablenkung. Ich sehnte mich förmlich danach. Irgendwas in mir, wollte mein ganzes Leben ändern und einfach wieder von vorne beginnen. Ich wollte einfach alles vergessen, also wirklich alles, doch Loki nicht. Ich wollte vergessen, was er getan hatte und ihn einfach mit mir nehmen.
Ein plötzliches Ziehen in meiner Brust ließ mich hörbar die Luft einziehen, doch so schnell wie der Schmerz gekommen war, so verließ er mich wieder. Auch der Stein sehnte sich nach diesem Mann. Wütend sprang ich auf und schlug kraftvoll gegen die Wand hinter mir. Sofort verzog sich mein Gesicht vor Schmerzen und ich umklammerte das Handgelenk meiner schmerzenden Hand. Diese Handlung war wirklich unüberlegt und emotional gewesen. Doch ich hasste gerade alles, wirklich alles! Nichts sollte sich mehr nach ihm sehnen! Er hatte es nicht anders gewollt und war aus meinem Leben getreten. Warum musste ich ihm also hinterher trauern?
Ein Klicken ließ mich zusammenzucken und ich blickte schnell zum Ausgang der Nische. Ich sah dort eine schwarze Person stehen, welche etwas auf mich richtete, was Thor mir als Waffe erklärt hatte. Sofort hob ich ergeben meine Hände und auch die Person ließ die Waffe wieder sinken.
„Was tun Sie hier?" Ertönte wieder diese tiefe Stimme, welche mir bereits am Morgen eine Gänsehaut verpasst hatte. Nervös nahm ich die Kapuze meines Mantels vom Kopf und erklärte: „Ich wollte frische Luft schnappen." Misstrauisch betrachtete mich der Mann und trat kurz ins Licht, bevor er zur Seite sah: „Ich komme gleich nach." Mit diesen, an seine Begleiter gerichteten Worten, nickte er kurz, bevor er zu mir in die Nische kam und mich wieder betrachtete: „Es gibt bessere Zeitpunkte, um an Deck zu treten." Ich lachte leicht auf: „Bestimmt, aber in der Nacht habe ich das meiste Verlangen dazu."
„Es ist gefährlich."
Ich zuckte mit den Schultern: „Mir ist alles recht. Egal, ob positiv oder negativ."
Der Mann strich sich kurz durch seine Haare: „Sehr leichtsinnig."
„Ich habe nichts mehr zu verlieren", erklärte ich kühl. Er zog kurz die Luft ein, bevor er sich setzte und auf den Platz neben sich zeigte, sodass ich mich auch setzte.
„Ein Schlag gegen Metall, hat mich dich finden lassen", erklärte er und griff dabei nach meiner verletzten Hand, was mich zischend die Luft einziehen ließ. Seine Berührung sandte ein kribbelndes Gefühl in die Mitte meines Körpers, doch probierte ich dieses zu ignorieren, denn es war unangebracht.
„Was hat dich das tun lassen?" Fragte er und betrachtete meine aufgeplatzten Knöchel.
„Wut und Ablehnung."
„Ablehnung? Gegen was?"
Ich überlegte kurz, ob ich ehrlich sein sollte und das war ich dann: „Gegen mein Leben. Ich bin es so leid! So gerne würde ich mich ablenken!"
„Ablenkung", das Wort bekam eine ganz andere Bedeutung bei seiner tiefen, aufheizenden Stimme. Sie verursachte etwas mit mir, was ich schon so lange nicht mehr verspürt hatte. Verlangen. Dazu kamen diese braunen Augen, die mich wieder lebendig werden und einfach alles vergessen ließen.
„Wer bist du?" Fragte ich schweratmend und erhob mich. Was tat dieser Mann nur mit mir? Dabei kannte ich ihn gar nicht. War es einfach, weil so viele Faktoren zusammenliefen?
„Mein Name ist Kenan", erklärte er charmant lächelnd, „Angehörig der Menschenrasse." Ich merkte, wie mir ganz heiß wurde: „Was tust du nur mit mir?"
„Jeder hat ein Verlangen, welches mit der Zeit aufblüht. Mein Anblick erledigt nur den Rest", nun klang er ein wenig arrogant und doch änderte es nichts an meinen Gefühlen. Ich sehnte mich tatsächlich nach diesem Gefühl. Nach diesem ganz besonderen. Dazu wusste ich, dass ich nichts mehr zu verlieren hatte. Ich blickte ihm in diese goldigen Augen und schluckte schwer. Er schien genau zu wissen, was er wollte, denn er trat selbstsicher auf mich zu: „Spürst du es?" Wie von seiner Stimme hypnotisiert, nickte ich und hielt automatisch die Luft an. Seine eine Hand umgriffen mein Kinn und hob dieses leicht, bevor er meinen Kopf von links nach rechts drehte und mich betrachtete. Ich wollte etwas auf seine Worte hin sagen, da zog er mich ruckartig zu sich, bevor er grinsend seine Lippen auf meine legte. Erschrocken weiteten sich meine Augen, denn ich erinnerte mich daran, was mit Jude passiert war, als er mich geküsst hatte, doch passierte hier nichts. Der Stein stieß ihn nicht ab und das wunderte mich wirklich. Doch verdrängte ich diese Gedanken und konzentrierte mich auf den Kuss. Es war komisch einen anderen Mund auf den meinen zu spüren, als Lokis und es war nicht dasselbe. Dennoch fühlte es sich gut an und ich wehrte mich nicht gegen ihn. Ich wollte das und ich wollte abgelenkt werden. Von Loki und meinem Leben.

(Ich würde sagen: That escalated quickly xD.
Was sagt ihr dazu? Ist es dumm von ihr gewesen darauf einzugehen?)

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