Vorsichtig hob ich meine Hände und legte sie ihm in den Nacken, wo meine Finger kreisende Bewegungen vollführten. Sofort lag wieder ein Grinsen auf seinen Lippen, welche nicht mehr weit von meinen entfernt waren. Bei dem Gefühl seines Atems auf meiner zarten Haut, verkrampfte ich mich ungewollt, weswegen ich schnell meine Augen schloss und mir jemand anderen an seine Stelle dachte. Bei dem Gedanken legte sich ein Lächeln auf meine Lippen und sofort entspannte ich mich wieder.
Als seine Lippen dann allerdings meine berührten, waren meine Vorstellungen wie weggeblasen. Sie fühlten sich rau und unpassend an und doch kam mir sofort ein weiterer Gedanken in den Kopf: Der Stein stieß ihn nicht ab.
Meine Verwunderung drückte alle weiteren negativen Gedanken zur Seite und ungewollt riss ich meine Augen auf. Er schien aber nichts davon mitzubekommen, da er dabei war meine Lippen grob zu bearbeiten. Sein Mund wanderte dann zu meinem Hals, wo er leicht saugte und leckte. Allerdings konnte ich auch dabei dem ganzen nichts abgewinnen. Stattdessen blickte ich ihm gelangweilt über die Schulter und hielt mich einfach weiterhin an ihm fest.
„Du schmeckst so wunderschön süß", flüsterte er und leckte sich demonstrativ über die Lippen, was mich die Augen verdrehen lassen wollte.
„Ich möchte dich heute Abend wiedersehen", hauchte ich stattdessen und knabberte kurz an seinem Ohrläppchen, um meine Bitte zu unterstreichen.
„Alles, was du willst", kam es überheblich zurück und er zwinkerte mir kurz zu.
„Aber ich möchte unentdeckt bleiben. Vor allen... auch vor Heimdalls Augen..., denn wenn jemand erfährt, dass-."
„Ich weiß, ich weiß", unterbrach er mich und nickte, „Das ist aber eine Bitte, die sehr schwer sein wird zu erfüllen, aber ich werde dir heute beim Abendmahl etwas geben, was dich verstecken wird."
Freudig lächelte ich und drückte ihm erneut einen Kuss auf den Mund, bevor ich schnell sagte: „Sif erwartet mich noch."
Mit diesen Worten ließ ich ihn stehen und lief schnell davon. Als ich aus seinem Blickfeld war, stoppte ich und strich mir angewidert über den Mund und meine Zunge. Es war schrecklich gewesen und versetzte mir nach wie vor einen Stich in meinem Herzen. Diesen probierte ich allerdings zu ignorieren und konzentriere mich stattdessen auf den Erfolg.Ich suchte nicht Sif auf, so wie ich es eigentlich gesagt hatte, denn das war nur ein Vorwand gewesen, um von ihm loszukommen. Stattdessen stellte ich mir immer wieder die Frage, warum der Stein ihn nicht abgestoßen hatte. Ging dieser etwa nach bestimmten Kriterien, die einzig und allein Jude nicht erfüllte? Es war merkwürdig und ich hätte so gerne Antwort darauf, doch von wem sollte ich diese bekommen, ohne sagen zu müssen, was passiert war. So würde ich ebenso Kenan erwähnen müssen und das wollte ich nicht, da er für immer mein kleines Geheimnis bleiben sollte. Naja, insofern das noch eines war, nachdem bereits Loki Bescheid wusste.
Plötzlich fühlte ich mich beleidigt, denn was wollte der Stein mir sagen, wenn ich so jemanden wie Keldan küssen konnte, aber nicht Jude? Was sagte das über mich aus? Keldan war schlichtweg ein Idiot und dagegen wehrte sich der Stein nicht? Auf irgendeine Weise fand ich diesen Gedanken lustig und doch zugleich verletzend. Ich wüsste so gerne, wonach er ging.
Sofort überlegte ich, ob mir vielleicht ein Buch weiterhelfen würde, doch war ich mir sicher, dass das nicht der Fall sein würde, sodass ich den Gedanken verwarf. Damit waren meine erdenklichen Möglichkeiten aber auch schon aufgebraucht, weswegen ich es aufgab.Eigentlich war nun mein nächstes Ziel mich auf mein Bett zu legen und vor mich hin zu schmoren, doch kam mir Thor kurzerhand dazwischen. Dieser kam mir im Gang entgegen und sofort erhellte sich sichtlich sein Gesicht bei meinem Anblick: „Lia! Wie schön es ist dich zu sehen. Eine willkommene Abwechslung!"
Seine Worte ließen mich auflachen: „War dein Tag so schlimm?"
Thor plusterte seine Wangen auf, bevor er die Luft hörbar wieder hinausbließ: „Die Verhandlungen mit dem Geschwisterpaar sind anstrengend. Dazu kommt ihre arrogante Ader und diese Starrköpfigkeit!"
„Sigyn ist nicht einfach zu genießen", erwiderte ich verstehend und schüttelte grinsend meinen Kopf.
„Nur Sigyn?" Kam es ungläubig, aber auch lachend zurück, „Keldan ist mindestens genauso schlimm."
Daraufhin sagte ich nichts und sah ihn nur an, was ihn verwundert die Augenbrauen zusammenziehen ließ: „Dem ist doch so oder?"
„Loki und ich haben uns gestritten", erklärte ich nur daraufhin und blickte auf meine Hände. Ein erstaunter Laut verließ seinen Mund und sofort schien er zu verstehen. Ich wunderte mich außerdem über mich selbst, warum ich so offen und ehrlich war.
„Du wirst doch nicht...?" Fragte Thor atemlos und stoppte einfach mitten im Satz.
Unsicher zuckte ich mit meinen Schultern: „Ich weiß einfach nicht, wo das noch hinführt und ich habe das Gefühl, ich müsste etwas Neues probieren."
„Etwas Neues", wiederholte er skeptisch und betrachtete mich, als wäre ich verrückt geworden, „Wie kannst du ihn einfach gehen lassen? Ich dachte, du würdest ihn lieben."
„Das hatten wir bereits", erwiderte ich kalt und sah ihn abweisend an, was ihn sofort beruhigend die Hände heben ließ. Er trat dichter zu mir und sah mich vorsichtig an: „Ich habe gehört, was passiert ist."
Sofort durchzuckte mich der leichte Schmerz, welchen die Sorge hervorrief: „Es tut mir leid, aber das gibt mir nur noch weiter das Gefühl nicht frei zu sein und keine Unabhängigkeit mehr zu besitzen. Ich bin förmlich an ihn gekettet, an ihn gebunden."
Plötzlich zierte ein wütender Ausdruck sein Gesicht: „Das hättest du dir vielleicht vorher überlegen sollen, bevor du mit ihm schläfst."
Geschockt blickte ich ihn an: „Woher hätte ich wissen sollen, dass sich der Stein teilen würde?!"
„Du bemerkst gar nicht, wie sehr du auf seinen Gefühlen herumtrampelst. Ich kann dir mit großer Sicherheit sagen, dass ihm nicht vieles im Leben bedeutet, doch wenn es dort etwas gibt, dann hütet er es wie sein eigenes Leben und liebt es bis zum Tode", sprach er zischend, „Du solltest dich geehrt fühlen, dass du es bist. Stattdessen führst du dich auf, als wäre da keine Zukunft für dich! Viele würden sich freuen hier im Schloss leben zu können und die Liebe eines Mannes fühlen zu dürfen, der sein eigenes Leben hinter das der Frau stellt!"
„Willst du damit sagen, dass ich undankbar bin?" Fragte ich atemlos und musste erst einmal das Gesagte verarbeiten.
„Nein, aber ich möchte, dass du aufhörst dich wie ein Kind aufzuführen und endlich deine Augen öffnest! Du wirst ihn noch mit deinem Verhalten umbringen!"
Fassungslos sah ich ihn an: „Irgendwie kommt es mir so vor, als hätte ich das alles schon einmal gehört, doch ging es dabei darum, dass ich mich von Loki fernhalten sollte."
„Ich will nicht sagen, dass er sich verändert hat", erklärte Thor nun wieder sehr viel ruhiger, doch loderte weiterhin die Wut in seinen Augen, „Aber du könntest ihn erziehen. Er würde alles tun, um dich an deiner Seite zu behalten und da kommt nun mal mein Problem mit deiner Entscheidung. Wenn du ihn verlässt und er dich verliert, verlieren wir ihn und trotz unserer Missverständnisse in den letzten Jahren, kann ich nicht davon absehen, dass er mein Bruder ist."
„Er ist nicht-."
„Spar dir das", unterbrach er mich und sah mich ernst an, „Du weißt genau, wie ich das meine!"
Mit schwief gelegten Kopf sah ich ihn an und stemmte meine Hände in die Hüfte: „Darf ich dann jetzt gehen?"
Genervt stöhnte Thor auf und packte mich an den Schultern, bevor er begann mich zu schütteln: „Komm endlich wieder zu dir!"
Böse schlug ich seine Arme weg: „Verdammt nochmal, Thor! Loki ist ein Verbrecher! Er hat so viele Menschenleben auf dem Gewissen und du willst mir erklären, dass er der richtige für mich ist?!"
„Darum geht es doch gar nicht, Lia-."
„Aber darum ging es immer, als ich mit ihm zusammen gekommen bin", unterbrach ich ihn und fauchte förmlich, „Euer Verhalten nervt mich einfach! Warum müssen sich immer alle in mein Leben einmischen?!"
„Weil wir uns Sorgen machen", brüllte er nun und sah mich verzweifelt an, „Du scheinst dich förmlich vor uns zu verschließen! Wir wissen alle, wie viel dir Loki bedeutet!"
„Ich werde jetzt gehen", zischte ich nur und drängelte mich an ihm vorbei.
Thor machte dieses Mal keine Anstalten mich zu stoppen, doch spürte ich weiterhin seinen Blick auf mir. Mein Körper bebte vor Zorn und ich bekam kaum meine Gefühle unter Kontrolle. Noch nie hatte ich Thor so erlebt, denn bis er mir gegenüber laut wurde, brauchte es schon wirklich einiges. Es schien ihn wirklich aufzuwühlen und da war er nicht der einzige. Ich musste daran denken, wie er reagieren würde, wenn er wüsste, was ich vor hatte. Irgendwie bestätigte mich auch sein Verhalten in meinem Plan, da ich mich mit einem Mal unwillkommen fühlte. Zwar verstand ich auch seine Beweggründe, doch waren mir diese egal. Es ging dabei um mein Leben und niemand sollte sich ungewollt einmischen.
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Love > Hate
RandomEine einzige Berührung verändert ihr ganzes Leben. Mit einem Mal ist sie nicht mehr nur ein Niemand. Von außen betrachtet, scheint ihr Leben perfekt: Sie lebt im Schloss, wohnt jeder Feier der Königsfamilie bei und verbringt Zeit mit den engsten Ver...