F I F T Y THREE

2.3K 138 8
                                    

Nervös faltete ich meine Hände ineinander und blickte auf die Tür vor mir. Ich wusste nicht, weswegen ich so nervös war, doch kribbelte mein ganzer Körper von diesem Gefühl. Bald würde mein altes Kindermädchen vor mir sitzen und Freude paarte sich mit der Nervosität. Sie war wie eine zweite Mutter für mich gewesen, doch war irgendwann der Kontakt abgebrochen, weswegen ich sie kaum gesehen hatte. Heute würde es allerdings wieder soweit sein und ich konnte es kaum erwarten. Als sich die Türen öffneten, sprang ich förmlich auf. Sofort erfassten meine Augen ihren zierlichen Körper und ich erstarrte. Sie sah noch genau so aus, wie ich sie in Erinnerung hatte. Mariett hatte sich kaum verändert und trug immer noch die selben Kleider, die sie als mein Kindermädchen getragen hatte; schlicht, einfach und mit einer weißen Schürze auf dem Rock. Ihre braunen Haare hatten ein paar graue Strähnen bekommen und ihr Gesicht war ein wenig faltiger, doch war an ihr sonst nichts nennenswertestes, was sich verändert hatte. Mein Blick fiel auf die junge Frau, die leicht hinter ihr ging. Sie sah ihrer Mutter unfassbar ähnlich und besaß die selben grünen Augen und vollen Lippen. Marietts Tochter könnte in meinem Alter sein und ich hoffte, dass ihr Charakter genauso wunderschön war, wie ihr Aussehen.
"Lia", sagte Mariett erstaunt und kam zu mir. Sie nahm mich fest in den Arm und ich erwiderte diese Umarmung einfach. Es fühlte sich so gut an jemanden aus meiner Vergangenheit im Arm zu haben, der mir noch nicht genommen wurde oder mich hasste.
„Wie schön es ist dich wiederzusehen", sagte ich und lächelte überglücklich. Marietts Tochter trat zu mir und verbeugte sich vornehm: „Mein Name ist Ännlin, aber du kannst mich gerne Lin nennen." Ich lächelte sie freundlich an und nickte: „Hallo, Lin."
„Sie wollte dich kennenlernen, deswegen habe ich ihr erlaubt, dass sie mitkommt. Ich hoffe das ist in Ordnung für dich", sprach Mariett und sah mich entschuldigend an.
„Es ist alles gut", versicherte ich ihr und sah kurz aus dem Fenster, wo Jude stand. Er unterhielt sich mit einer der Wachen und warf immer wieder unauffällig einen Blick hinein. Er machte es nur, um sicher zu gehen, dass alles gut war und auch wenn ich wusste, dass es unnötig war, war ich ihm dankbar.
„Kommt, setzt euch", forderte ich die beiden auf und zeigte auf die Stühle, welche um dem Tisch herumstanden.
„Erzähl nur; wie geht es dir?" Begann Mariett das Gespräch, nachdem wir alle saßen.
„Den Umständen entsprechend gut. Ich meine ich lebe im Schloss", erklärte ich und lachte dabei. Lin nickte mit großen Augen: „Wie sind die Königssöhne so?"
„Schwer zu sagen", antwortete ich lachend, „am besten wäre, wenn du sie irgendwann alleine kennenlernen würdest."
„Wir haben gehört, was geschehen ist", mischte sich Mariett wieder mit ein und sah mich traurig an.
Ich sah auf meine Hände, bevor ich die schlechten Gedanken zur Seite drängte und sie ansah: „Wir sollten jetzt nicht über solche Sachen reden. Erzähl du mir lieber, wie es dir geht."
Mariett verstand und begann: „Ich arbeite bei einer sehr reichen Familie, die uns bei sich wohnen lässt und uns versorgt und doch vermisse ich jeden Tag die Zeit mit dir. Geld macht einen nicht glücklich, sondern die Menschen, die man um sich herum hat."
„Ich weiß genau, was du meinst und ich kann mit Glück sagen, dass ich diese Menschen gefunden habe", bei meinen Worten dachte ich an Thor, Loki, Sif, Frigga, Jude und all die anderen, die mir mein Leben besser machten.
„Das freut mich wirklich sehr zu hören", erwiderte sie und griff nach meiner Hand, welche sie leicht drückte, „du hast dir das auch wirklich verdient, nach all der schweren Zeit. Hast du noch Kontakt zu deinem Vater? Und wie geht es deinem Mann? Wie war sein Name gewesen? Tycho?"
Der Gedanke an ihn ließ mich verbittert auflachen: „Tycho ist tot. Und mit Vater habe ich keinen Kontakt mehr."
„Oh", sie legte sich ihre Hände vor den Mund, „das tut mir leid."
„Muss es nicht", erwiderte ich und zuckte mit meinen Schultern, „ich trauere beiden nicht hinterher."
„Verständlich", kam es leise von Mariett, was mich grinsen ließ. Wir erzählten noch eine ganze Weile, bis sich mit einem Mal die Tür öffnete und ein bekanntes Gesicht zu uns trat.
„Ich wusste nicht, dass du Besuch hast", sprach der Gott und betrachtete die beiden abschätzend. Mariett und Ännlin sprangen sofort auf und verbeugten sich. Erst als Loki eine Handbewegung machte, die ihnen zeigte, dass sie sich wieder erheben durften, taten sie dies auch.
„Es ist mir eine Ehre", sprach Ännlin und legte sich eine Hand auf ihr Herz. Loki erwiderte nichts darauf, sondern kam zu mir.
„Warum wusste ich nichts davon?" Flüsterte er mir ins Ohr und betrachtete mich mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Weil du nicht meine Mutter bist und Jude wusste davon, das sollte genügen", antwortete ich und kniff ihm leicht in den Arm, was mich grinsen ließ, doch sah er mich nur ernst an.
„Warum stellst du mir diese Damen nicht einfach vor?" Fragte er und legte sich nun ein charmantes Lächeln auf die Lippen, was Ännlin noch breiter Lächeln ließ.
„Ännlin und Mariett", antwortete ich und sah ihn verwundert an. Was war das für ein Stimmungswechsel?
„Und dann auch noch solch ein hübscher Besuch", sprach Loki weiter, was mich verdattert dreinblicken ließ.
„Nicht doch", lachte Mariett verlegen und leichte Röte stieg ihr ins Gesicht.
Loki sah sie kurz an, doch haftete sein Blick schließlich an Lin, welche ihn genauso anstarrte. Das gab mir den Rest und ich lachte laut auf. Es war kein erfreutes, lustiges Lachen, sondern ein verwirrtes und zugleich genervtes. Immerhin brachte es mir die Aufmerksamkeit, welche ich wollte.
„Du bist bestimmt schwer beschäftigt", sprach ich an Loki adressiert, „dir nimmt es also niemand übel, solltest du jetzt wieder deiner Arbeit nachgehen."
„Warum arbeiten, wenn man solch nette Abwechslung haben kann", antwortete er nur und grinste, was seinen Worten eine Zweideutigkeit gab, die hier nicht hingehörte. Mein Blick ging nach draußen zu Jude, welcher uns genau im Blick hatte und dessen Augenbrauen verwundert zusammengezogen waren. Als mein Blick zurückging, merkte ich, wie Loki ebenfalls Jude betrachtete und dabei missbilligend den Mund verzog. Nun wusste ich also, wo das Problem lag.
„Das erfreut uns, doch ist es bereits spät geworden und auch wir haben unsere Pflichten, die noch erledigt werden müssen", erklärte Mariett. Sie sah mich dabei an und schien zu bemerken, dass mich gerade etwas stark störte. Lin schien dagegen ganz beleidigt, dass ihre Mutter sie nun wegzerren wollte, doch blieb Mariett hartnäckig.
„Es war schön dich wiederzusehen und ich hoffe wir wiederholen es bald", sagte Mariett und nahm mich erneut in den Arm. Das stimmte mich sofort wieder besser, doch als ich den Ausdruck von Loki sah, welcher sich gerade mit Ännlin unterhielt, ging sie sofort wieder zum Tiefpunkt. Mariett packte Lin schließlich am Arm und zog sie vom König weg, bis sie verschwunden waren. Nun waren wir allein, doch sah Jude weiterhin zu uns, wie ich feststellte. Ich ließ meinen kalten Blick zu Loki gehen, bevor ich ohne ein Wort verschwinden wollte, doch packte er mich am Arm und hielt mich so bei sich.
„Vielleicht solltest du aufhören alles mit Jude zu machen und anfangen mich in deine Pläne einzuweihen", knurrte er.
„Eifersüchtig?" Fragte ich provozierend, was ihn noch dichter zu mir kommen ließ.
„Du solltest dir nicht so viel herausnehmen." Ruckartig riss ich mich von ihm los: „Lass du dich wieder blicken, wenn du dich beruhigt hast."

Love > Hate Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt