Die schönste Person

8.1K 394 51
                                    

Die schönste Person

[Remus]

Ich verdrehte genervt die Augen. Wieso um aller Welt habe ich mich überreden lassen, diesen Quatsch auch nur ansehen zu müssen?

Ich saß auf einer der breiten Fensterbänke im Gemeinschaftsraum, las ein spannendes Muggle Buch, das ich von Lily bekommen habe, und hörte dem Geschehen halbherzig zu. Ich wäre lieber an einem ruhigen Ort.

Eine kleine Gruppe Gryffindors hatte sich in der Mitte des Gemeinschaftsraums auf dem Boden in einem Kreis versammelt. Da sie vorher schon Ich-Hab-Noch-Nie gespielt haben, sind die meisten etwas angetrunken und kicherten vor sich hin. Als jemand plötzlich „LASST UNS WAHRHEIT ODER PFLICHT SPIELEN!" gerufen hatte, haben alle lautstark zugestimmt. Ich hatte nur abermals meine Augen verdreht.

Mittlerweile hatten schon ein paar Jungs ihre Shirts ausgezogen. Naja, Hauptsache ihnen macht's Spaß.

Doch jetzt war wieder Sirius an der Reihe. Er würde wieder Pflicht nehmen. Wie immer. Er war immerhin der Mutige.

„Pflicht", rief er ritterlich grinsend.

Sag ich ja. Irgendwie süß. Trotzdem merkte man, dass er auch schon einiges intus hatte.

„Küss die schönste Person in diesem Raum!", kam grinsend von Dorcas. Zweifels ohne hoffte sie, dass sie diejenige sein würde.

Und ich wusste, dass er sie küssen würde, weil sie schon vorher was miteinander hatten und sie wirklich hübsch war.

Ich verdrehte wieder die Augen, wandte mich meinem Buch zu und ignorierte den Stich in meinem Herzen.

Ich hörte Schritte, die näher kamen und schaute auf. Meine Augen wurden groß. Sirius kam auf mich zu, nahm meinen Kopf in seine Hände und drückte seine Lippen auf meine. Mein Herz setzte einen Schlag aus, nur um dann doppelt so schnell weiter zu schlagen.

Ich konnte nicht anders und erwiderte den Kuss. Meine Lippen begannen ganz komisch zu kribbeln, mein Herz drohte aus meiner Brust zu springen. Der Kuss war nicht besonders tief und es war auch keine Zunge dabei. Außerdem schmecktet er nach Alkohol. Trotzdem fühlte es sich gut an. Zu gut.

Endlich.

Er löste sich von mir. Ich schaute ihn verdattert und einfach nur überrascht an und meine einen kurzen Funken Verwirrung in seinen Augen gesehen zu haben. Dieses überspielte er aber schnell mit einem fettem Grinsen. Er drehte sich um und ging zurück zum Kreis.

Ich sah Verwirrung, Überraschung, Entsetzen und Freude in den Augen der Anderen.

Was sollte ich davon halten? Was davon spürte ich? Definitiv alles.

Verwirrung, weil ich immer angenommen habe, dass Sirius absolut nicht auf Jungs, geschweige denn auf mich stehen könnte. Und vor allem, weil ich gedacht habe, dass diese dumme Gefühle nicht mehr da wären.

Überraschung, weil er mich vor allen anderen geküsst hatte und ich damit in seinen Augen die schönste Person des Raumes war.

Entsetzten, genau deswegen, weil er mich geküsst hatte. Vor allen anderen. Was wird jetzt passieren? Ignorieren wir das? Kommen wir zusammen? Wird er mir sagen, dass es nur am Alkohol lag? Was zur Hölle sollte ich denken??

Freude, weil er mich geküsst hatte. Genau das war passiert, was ich mir in Vergangenheit so oft vorgestellt hatte, wovon ich schon so oft geträumt hatte und was ist dachte, dass es niemals passieren würde, weswegen ich dachte, dass diese Gefühle langsam nicht mehr da wären.

Ich schüttelte den Kopf und versuchte mich wieder auf mein Buch zu konzentrieren, aber vergeblich. Meine Augen flogen über die Zeilen, aber ich verstand den Inhalt nicht.

Verdammt.

Nach einer Weile, in der ich die Zeilen wieder und wieder gelesen hatte, ohne den Inhalt zu verstehen, gab ich auf, klappte das Buch zu und sagte zu den anderen, dass ich müde sei und ins Bett gehen würde.

Gesagt, getan.

Im Schlafsaal angekommen, zog ich mir ein dünnes Shirt und eine Schlafshorts an. Da es noch zwei Wochen zum Vollmond waren, fror ich auch im Frühling nicht.

Ich legte mich auf mein Bett und versuchte einzuschlafen. Doch das konnte ich mir schenken. Meine Gedanken waren voll von Sirius und dem Kuss.

Wieso waren diese seltsamen Gefühle wieder gewesen? Ich hatte echt gehofft, dass ich darüber hinweg wäre. Diese Gefühle, die ich bei ihm empfunden hatte, waren lange nicht mehr so präsent gewesen...

Nach einer gefühlter Ewigkeit des Wachliegens, hörte ich, wie sich die Tür öffnete und sich Schritte zu den Betten bewegten. Doch es waren nur zwei Paar.

Ich öffnete vorsichtig meine Augen und sah James schon auf dem Bauch liegend und schlafen in seinem Bett. Er hatte sich nicht mal die Mühe gemacht sich umzuziehen. Typisch, dachte ich.

Peter dafür zog sich gerade sein Pyjama an und legte sich dann ebenfalls in sein Bett.

Wo war Sirius? Sorge breitete sich in mir aus.

Als ich Peter schnarchen hörte, schob ich meine Decke von mir und stand leise auf. Ich ging, entschlossen Sirius zu suchen, in den Gemeinschaftsraum.

Warum tat ich das überhaupt?

Ich fand Sirius tatsächlich. Er saß im Schneidersitz auf der Fensterbank, auf der ich vorher gesessen hatte, und sah in den Himmel.

„Wie kann so etwas Schönes dir so etwas Schreckliches antun?", fragte er leise. Er hatte mich bemerkt, aber sah mich nicht an. Stattdessen starrte er in den sternenklaren Himmel.

Ich ging auf ihn zu, blieb vor der Fensterbank stehen und schaute zum Mond. Er war in der Tat wunderschön.

„Ist alles in Ordnung mit dir?", fragte ich vorsichtig.

Ich wusste nicht, wie er auf das Geschehene reagierte und hatte Angst, dass er mich ablehnen würde.

„Ja. Ich brauchte nur etwas Zeit für mich, zum Nachdenken.", antwortete er. Er sah mich immer noch nicht an. Das gab mir einen kleinen Stich, den ich aber wissentlich ignorierte.

„Oh, dann geh ich mal besser.", sagte ich leise und drehte mich um zum Gehen. Wenn er das nicht will, mich nicht will, möchte ich ihn wenigstens noch als Freund und will mich nicht aufdrängen.

„NEIN!", rief Sirius „Komm." Ich drehte mich wieder zu ihm, ein wenig überrascht.

Er hatte sich nun zu mir gedreht, so dass seine Beine an der Fensterbank runter baumelten.

Ich stellte mich mit einem kleinen Abstand vor ihn und sah ihn unsicher an.

„Ich habe auch viel nachgedacht.", sagt ich leise, als er nichts sagte.

„Und zu welchem Schluss bist du gekommen?", fragte er leise und sah mich an.

Ich sah ihn an und wusste genau, dass er über die gleiche Sache gedacht hatte.

„Vielleicht sollten wir uns nochmal küssen.", rutschte es mir heraus. Meine Augen weiteten sich, als ich realisierte, was ich da gerade gesagt hatte. „Ähm ich meine-" „Dann küss mich nochmal.", forderte Sirius mich auf.

Ich ging vorsichtig auf ihn zu. Er rutschte von der Fensterbank, kam mir entgegen und drückte seine Lippen auf meine.

Wolfstar OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt