Kapitel 2: Freunde III

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Okanur war ein einfacher Händler, für den sich in Meluhha nie jemand privat ernsthaft interessiert hatte. Zumindest nicht genug, um sich näher mit ihm zu befassen. Seit mehr als einem Jahr führte er den kleinen Schmuckstand, der ihm an guten Tagen genug Geld einbrachte, dass er sich wochenlang darauf hätte ausruhen können. Doch so war er nicht. Okanur war gewissenhaft und arbeitsfreudig und hing inzwischen an seinen Stammkunden, wie Palk einer war. Und dieser sah ihn nun erwartungsvoll an.

"Hab ich das gerade richtig verstanden?", fragte er verwundert, aber noch immer lächelnd. "Wohin soll ich denn mitkommen?" 

"Ehrlich gesagt gibt es noch kein genaues Ziel", gab Palk zu. "Aber ich für meinen Teil hab die letzten Jahre vor allem damit verbracht, mich über die Außenwelt zu informieren und es gibt einfach noch viel zu viel Ungeklärtes. Ich will durch die Welt reisen und Dinge entdecken und irgendwann mit jeder Menge guter Geschichten hierher zurückkommen", erklärte er und zum ersten Mal sah Lakran, dass Palk die Aufregung im Gesicht stand. Das freute ihn, denn trotz ihrer etwas eilig entstandenen und schrägen Freundschaft, hatte er Palk bisher als ziemlich introvertierten Menschen wahrgenommen. Erst jetzt wurde ihm klar, dass er selbst nicht einmal auf die Idee gekommen war, Palk nach seinem möglichen Ziel zu fragen, was ihn ein wenig ärgerte.

"Und du denkst ausgerechnet an mich, als einen guten Weggefährten?" Okanur lachte verlegen. "Ich bin kein Krieger, ich bin Händler und mache das gerne. Wieso sollte ich von hier fortgehen wollen?", fragte er.

"Weil wir uns gegenseitig von Nutzen wären", erwiderte Palk ernst, ließ aber nicht von seinem Lächeln ab.

"Gut, wahrscheinlich könntet ihr beiden Kämpfer mir öfter mal das Leben retten, weil ich in Situationen komme, in die ich ohne euch gar nicht geraten müsste", lachte Okanur. "Aber inwiefern wäre ich denn nützlich für euch?"

"Du bist ein intelligenter Mann und du bist stärker, als du zugibst", widersprach Palk.

"Und sechs Augen sind besser als vier", fügte Lakran achselzuckend hinzu und die beiden blickten ihn überrascht an.

"Vergiss nicht die sechs Arme und Beine und die drei Nasen", ergänzte Palk schief grinsend und seine Freunde konnten sich vor lachen kaum halten. Die Selbstverständlichkeit mit der er derartige Dinge sagte, machte seinen ziemlich speziellen Humor aus. 

"Sag bloß, du willst mich auch dabei haben. Wir kennen uns doch noch gar nicht", erwiderte Okanur an Lakran gerichtet, nachdem er sich wieder etwas beruhigt hatte. Mit einem lässigen Lächeln hielt Lakran ihm die Hand hin.

"Tag, ich bin Lakran!", sagte er und versuchte offiziell zu klingen, was die beiden anderen wiederum zum Lachen brachte.

"Okanur Aohata", gab Okanur zurück und jetzt war es Lakran, dem die Unterhaltung peinlich wurde. Er hielt den Händedruck länger aufrecht als ihm klar war, während er Okanur anschaute.

"Ist das ein ungewöhnlich langer Name oder hast du gleich zwei davon?", fragte er und während er rot wurde, wühlte er mit der freien Hand in seiner blonden Mähne herum.

"Oh, sorry!", lachte Okanur. "Ich vergesse immer, dass ihr hier keine Nachnamen habt. Wo ich herkomme, ist das ganz normal. Nenn mich ganz einfach Okanur." Er zog seine Hand zurück und steckte sie in die Tasche seiner graubraunen Hose.

"Nachnamen?", fragten Lakran und Palk wie aus einem Mund.

"Das sind Familiennamen", erklärte Okanur. "Den zweiten Teil des Namens tragen alle Menschen die zu einer Familie gehören, damit man sie besser identifizieren kann. Ihr seht ja selbst, dass es hier schwierig wird, wenn mehrere Leute den gleichen Namen haben."

"Ja, das kann echt lästig sein", entgegnete Lakran. "Meinen dämlichen Namen hat sich mein überaus einfallsreicher Großvater ausgedacht. Blöd nur, dass allein in Lyiapatazia noch drei Typen mit dem Gleichen rumrennen", meckerte er und verschränkte die Arme vor der Brust.

Palk - Finde dein Schicksal [Überarbeitung seit 08.2023]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt