Kapitel 25: Das geheime Versteck IV

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Als Tiraitān in der geheimen Höhle landete und wieder seine gewöhnliche Form annahm, stellte er fest, dass niemand dort war. Die Fackeln an den Wänden brannten, wie sie es immer taten und verliehen dem unterirdischen Unterschlupf, eine mysteriöse Atmosphäre. Er sah sich noch einmal um, ging dann wieder zu dem kleinen Loch zurück, durch das er die Höhle jederzeit betreten konnte und machte sich auf den Weg, zurück zu Āmak. 

Palk und Lakran konnten gerade noch mit ansehen, wie Tiraitān in der Nacht verschwand. Doch Palk ließ sich davon nicht beirren, es bestärkte ihn in seinem Vorhaben sogar.

"Dann konnte Makkatū ihn wohl nicht ablenken. Hast du gesehen, wohin er geflogen ist?" fragte Lakran und die beiden sahen sich kurz an.

"Spielt keine Rolle, ich hab gesehen, wo er herkam." entgegnete Palk und sie rannten die letzten Meter bis zu der Stelle, wo sie den Blitz gesehen zu haben glaubten. Die Ernüchterung war groß, als sie auf den steinernen Hügel stiegen, der etwa zwei Meter hoch und noch dazu völlig unauffällig war.

"Oh nein!" entfuhr es Lakran, der sich erschöpft und entmutigt auf den harten Untergrund fallen ließ. "Hier kann es nicht gewesen sein, das ist bloß ein blöder Hügel."

"Ich weiß, dass er hier rausgekommen ist." widersprach Palk angestrengt nachdenkend. Er ging auf der mehrere Quadratmeter umfassenden Anhöhe umher und suchte nach etwas, das als Ausgang dienen könnte.

"Vielleicht hat er auch einfach hier hinter gesessen." vermutete Lakran und Palk sah ihn von oben herab an.

"Wahrscheinlich hast du recht. Er hat sich bestimmt nur die Schnürsenkel zugebunden." meinte er sarkastisch und suchte weiter. Lakran verzog das Gesicht und wackelte mit dem Hintern herum, um eine bequeme Position einnehmen zu können, was ihm nicht gelingen wollte.

"Das ist alles zum Kotzen." meldete er sich genervt und stand auf. Dabei stolperte er über etwas Undefinierbares und konnte gerade noch verhindern, dass er umknickte. Ein kurzer Schrei entwich ihm, als er sich mit einer Hand abstützte und mit Schwung wieder hoch kam.

"Was hast du denn?" fragte Palk, der sich grinsend neben ihn stellte.

"Hier war was." meinte Lakran nachdenklich und tastete mit dem Fuß den Boden ab. "Da!" sagte er laut und ging vor dem kleinen Loch in die Hocke. Palk sah es ebenfalls und ein leises, euphorisches Lachen drang aus seiner Kehle.

"Sieh mal einer an, du hast drauf gesessen." bemerkte er und hüllte seine Faust in Feuer, um besser sehen zu können. Das Loch hatte etwa die Größe seiner Faust und es schien mehrere Meter in die Tiefe zu gehen, denn trotz des Lichts, konnte Palk den Boden nicht sehen.

"Klasse! Und wie kommen wir jetzt da runter?" wollte Lakran wissen und stützte den Kopf auf seiner Hand ab, während er neben Palk hocken blieb.

"Wir bräuchten etwas, mit dem wir das Loch breiter kriegen." meinte Palk und überlegte weiter. "Aber wenn es keinen anderen Eingang gäbe, würde hier wahrscheinlich auch sonst keiner reinkommen. Es muss noch einen geben."

"Was ist, wenn andere sich auch in einen Blitz verwandeln können?"

"Nein, das glaub ich nicht." widersprach Palk. "Zu seiner Gruppe gehört mindestens ein Telepath und die können unmöglich solche Fähigkeiten haben."

"Benutz doch dein Schwert, um da durch zu kommen." schlug Lakran vor und Palk zog eine Augenbraue hoch.

"Auch für ein legendäres Schwert gibt es Grenzen. Damit kriegt man doch keinen Erdboden kaputt."

"Es gibt ein Schwert, das Böse Menschen tötet, wenn sie es anfassen. So blöd ist die Vorstellung auch wieder nicht." verteidigte Lakran seine Idee.

"Das mag sein, aber dieses Schwert ist darauf ausgerichtet, Elementarenergie einzusetzen."

"Erde ist ein Element." gab Lakran zu bedenken und kniff überlegen grinsend die Augen zusammen. Palk seufzte übertrieben laut.

"Selbst wenn du recht hättest und das Schwert in der Lage wäre, Erde zu manipulieren, hast du die nicht ganz unwichtige Tatsache vergessen, dass es noch gar nicht über die nötigen Kristalle verfügt." erklärte er und Lakran rollte mit den Augen.

"Kannst du deine Sätze mal etwas weniger angeberisch sagen?" stöhnte er.

"Beherrscht eben nicht jeder die Kunst einer guten Unterhaltung."

"Du beherrschst vor Allem die Kunst des Diskutierens." widersprach Lakran.

"Der Diskussion."

"Was?"

"Es heißt, die Kunst der Diskussion." korrigierte Palk seinen Freund.

"Klugscheißer!" gähnte Lakran.

"Noch was, das ich gut kann." gab Palk an und lachte.

"Noch einmal: Wie kommen wir da jetzt rein?" fragte Lakran mit deutlich entnervter Stimme.

"Es muss auf jeden Fall einen zweiten Weg geben." beharrte Palk. "Wir werden noch mal ein Stück in die Richtung gehen müssen, aus der Tiraitān gekommen ist. Irgendwo muss der Eingang ja sein." meinte er und Lakran sah nicht begeistert aus.


Fast zeitgleich, traf Tiraitān wieder an dem Standpunkt ein, wo er zuvor Āmak zurückgelassen hatte. Der saß dort auf dem dreckigen Boden und schien schon ungeduldig zu warten. Als Tiraitān mit einem leisen Summen, der ihn noch immer umgebenen Blitze vor ihm landete, hob Āmak leicht den Kopf und legte die Stirn in Falten.

"Du siehst ja mal wieder richtig gut gelaunt aus." stellte er fest. "Stimmt was nicht?"

"Dieser dämliche Vollidiot, dem ich meinen Kristall gegeben hab, hat ihn sich klauen lassen." antwortete Tiraitān mit vor Zorn bebender Stimme.

"Hast du die ganze zeit danach gesucht?"

"Nein, so ein Typ hat mich aufgehalten. Immer wenn ich ihn angreifen wollte, ist er verschwunden." meinte Tiraitān und stellte sich direkt vor Āmak, dessen Kleidung inzwischen fast vollständig getrocknet waren. "Warum bist du so trocken? Es ist nicht gerade warm hier."

"Ich hab auch so meine Tricks drauf." entgegnete Āmak lässig. "War ja keiner hier, also hab ich die Sachen einfach ausgezogen und mit Telekinese komplett ausgewrungen." erklärte er, dann sah er seinen Begleiter seinerseits fragend an. "Aber warum bist du nicht  mehr nass?" wollte er wissen und griff sich eine Ecke von Tiraitāns Umhang. 

"Hast du eine Ahnung, wie viel Hitze dabei entsteht, wenn man sich so fortbewegt wie ich?" 

"Nein, aber wenn ich ehrlich bin, verstehe ich das Ganze sowieso nicht." antwortete Āmak und kratzte sich am Kopf. "Wie du dich einfach in einen Blitz verwandelst und hinterher deine Klamotten wieder da sind, kapier ich zum Beispiel nicht."

"Musst du auch nicht." gab Tiraitān schließlich zurück, nachdem er realisiert hatte, dass er sich mit Āmak unterhalten hatte. Wie kam nur ein Krieger seines Ranges darauf, sich mit so einem unwürdigen Exemplar abzugeben? Schließlich bestand seine Aufgabe nur darin, mit ihm zusammenzuarbeiten. Von einer Freundschaft war nie die Rede gewesen.

"Setzt du mich beim Versteck ab? Dann kannst du weiter suchen." bat Āmak und Tiraitān überlegte. Dann nickte er. So konnte er sich ganz in Ruhe, der Suche nach seinem Stein widmen und wenn er den Dieb gefunden hatte, konnte er ihn umbringen, ohne sich stundenlang Moralpredigten anhören zu müssen.


Āmak landete etwas unsanft, als Tiraitān ihn über seinem Ziel, praktisch abgeworfen hatte, um sofort weiter zu können. Erneut musste er sich den Dreck von der Hose klopfen und untersuchte sich kurz nach Verletzungen. Als er keine fand, ging er die letzten Meter zu einem Loch, das schwarz wie die Nacht selbst, ins Nichts zu führen schien. Er sprang hinein und direkt hinter ihm, kamen Palk und Lakran nach, die seine spektakuläre Landung beobachtet hatten. Nun standen sie zum ersten Mal in dem Gang, der unmittelbar zum Geheimversteck der mysteriösen Gegner führte.

Palk - Finde dein Schicksal [Überarbeitung seit 08.2023]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt