Die beiden Halbgötter, die sich nun immer mehr in ihre übermenschliche Form verwandelten, hatten die Abwesenheit der übrigen Menschen gar nicht zur Kenntnis genommen. Viel zu sehr waren sie jetzt wieder damit beschäftigt, die legendären Schwerter gegeneinanderzuschlagen, allerdings nun mit einer solch brachialen Gewalt, dass der Boden um sie herum genauso stark erzitterte, wie die Luft es zu tun schien.
Keiner von ihnen konnte sicher sein, dass es nicht sein eigenes Schwert sein würde, das zuerst nachgeben und in seine Einzelteile zerfallen würde. Aus irgendeinem Grund, hatte ihnen beide Transformationen die Fähigkeit verliehen, gewissermaßen über dem Boden schweben zu können. Sie glitten in einem Affentempo über den Kampfplatz und krachten dabei immer wieder in einzelne Stände, von denen sowieso schon viele zertrümmert waren. Holzbretter und Verkaufswaren flogen durch den enormen Wirbelsturm, den ihre Energieausbrüche verursachten.
Der Schwertkampf zog sich nun schon einige Minuten, als Palk schließlich auffiel, dass seine anfängliche Überlegenheit schwand. Er hatte nicht den Eindruck, dass es an Tiraitān lag, dessen Kampfstil sich genauso wenig weiterentwickelte wie er selbst, viel mehr war es seine Energie, die sich nach und nach verabschiedete. Aber wie konnte es sein, dass ein Schwert, welches seinem Träger sogar noch zusätzliche Kraftreserven und dauerhafte Wundheilung versprach, ihn derartig im Stich ließ?
„Na, kannst du nicht mehr?" das beinahe dämonisch anmutende Grinsen Tiraitāns, beeindruckte Palk nur wenig. Doch leider stimmte es. Er würde das Ende seiner Kräfte bald erreicht haben. Er parierte nur noch einige Schwerthiebe seines Gegners, der keine Gnade oder Rücksicht kannte, sondern immer brutaler auf Palk, oder besser auf dessen Schwert eindrosch. Da ging dem jungen Halbgott endlich ein Licht auf.
„Das muss es sein!" ächzte er und schleuderte das heilige Schwert im hohen Bogen vom Platz, wo es irgendwo in der weichen Erde eines nahegelegenen Gartens steckenblieb. Das permanente Schwinden seiner Kräfte, hörte schlagartig auf. Er hatte keine Zeit zu kombinieren, was diese eigenartige Erkenntnis nun genau zu bedeuten hatte, doch er konnte jetzt endlich richtig aus sich herausgehen.
Schnell wie nie zuvor, schoss er auf Tiraitān zu, täuschte einen Faustschlag an und als dieser mit seinem Schwert kontern wollte, packte Palk seine Schulter und schob sich an der scharfen Klinge vorbei. Dann verwandelte er seine Faust in einen Feuerball, der in seiner neuen Form jedoch blau und etwas größer war und rammte ihn Tiraitān in den ungedeckten Rücken. Der brüllte vor Wut und Schmerz auf, wurde leicht nach vorn geschleudert und konnte sich gerade noch fangen.
Er drehte sich nicht erst um, sondern nutzte den Schwung des Schwertes, das er in einem weiten Bogen schwingen ließ, um sich mit ihm zu drehen. Um ein Haar hätte er Palk im Gesicht erwischt, doch dieser drückte kraftvoll gegen die Luft zwischen ihnen und Tiraitān jagte davon wie ein Wurfmesser. Sein ohnehin verletzter und freiliegender Rücken brannte, doch seien göttliche Energie löschte den Schmerz vollständig aus.
„Cool!" raunte Tiraitān mit einem selbstgefälligen Lächeln und war zufrieden, einen weiteren Vorteil in der Transformation gefunden zu haben. Dann ließ er das Regenbogenschwert unsichtbar werden und flog wieder förmlich auf Palk zu.
Der wusste sich nicht mehr anders zu helfen und versuchte mit aller Kraft, die Energie aus seinem Körper schießen zu lassen, um so eine Druckwelle erzeugen zu können, wie er sie seit Kurzem anwenden konnte. Als ihm dies nicht gelang, verwandelte er seine Faust erneut in einen blau lodernden Feuerball und riss den brennenden Arm nach oben. Irgendwo zwischen Handgelenk und Ellenbogen traf ihn das Schwert, doch das blaue Feuer hatte ihn bereits vollständig dematerialisiert und die Feuerenergie des Regenbogenschwertes, schaltete sich wie von selbst ein.
Die lodernden Flammen trafen aufeinander und es entstand ein heißer Feuerkreisel, der beide Kämpfer davonschleudern ließ. Tiraitān hatte jetzt genug von dem dämlichen Spiel und warf ebenfalls sein Schwert davon, jedoch in eine andere Richtung als Palk seines geworfen hatte. Die knisternde und zischende Energie der Blitze durchströmte ihn endlich wieder und er wickelte einen fest aussehenden roten Blitz um den Arm, mit dem er bevorzugt zuschlug und ehe Palk noch einmal blinzeln konnte, spürte er den unfassbaren Schmerz der elektrischen Faust auf seiner Brust.
Wäre er nicht in seiner Halbgott-Form gewesen, wäre der Schlag glatt durch ihn durchgegangen und hätte den Rest seines Körpers gegrillt wie ein Schwein. Palk trat mehrfach daneben, denn sein Gegner war um mindestens das Dreifache schneller als er, weshalb er erneut zu einer Druckwelle ansetzte, die glücklicherweise auch gelang, bevor Tiraitān ihn erneut mit einem seiner Schläge erwischen konnte.
Dennoch wusste Palk, dass der Kampf bald aus sein würde, was er auf die bereits durch den Kontakt mit dem heiligen Schwert verlorene Energie zurückführte.
Lakran konnte und wollte sich den schrecklichen Kampf auf Leben und Tod nicht länger ansehen, doch was konnte er schon tun? Er sah zu Katāla, die mit Tränen in den Augen ebenfalls verfolgte, was in der Ferne vor sich ging. Plötzlich bemerkte der junge Kämpfer am Himmel ein schwaches Glimmen, welches näher zu kommen schien. Tatsächlich! Es kam genau auf die beiden zu, neben denen Yurenas und Makkatū bewusstlos am Boden lagen.
Das heilige Schwert bohrte sich nur wenige Häuser von ihnen entfernt in den Garten einer alten Frau, die zu ihrem Unglück gerade in der Küche stand und vor dem anfliegenden Objekt derartig erschrak, dass Lakran sie hinter dem Fenster umfallen sehen konnte.
Er dachte gar nicht weiter darüber nach, sondern gab Katāla ein Zeichen, dass sie in ihrer Deckung verharren sollte und sprintete dann auf das heilige Schwert zu. In Rekordzeit hatte er es erreicht, sammelte seine ganze Kraft und zog es aus dem Boden. Die ehemals wunderschöne silberne Klinge, wies einige starke Schrammen und Schwärzungen auf, schien aber ansonsten noch gut in Schuss zu sein. Lakran begriff allmählich, warum es zu den sechs legendären Schwertern zählte. So schnell ihn seine Beine ließen, rannte er vom Garten der alten Dame aus los, in Richtung Marktplatz.
Dort wurde die Situation so langsam kritisch, als Palk und Tiraitān mit ihrer jeweils besten Schnelligkeit aufeinander zuflogen und Palks Rechte auf Tiraitāns Linke Faust traf. Genau wie bei ihrem langandauernden Schwertduell vor einigen Minuten, ließ wieder keiner vom anderen ab, sondern beide holten noch einmal alles aus sich heraus, was sich noch zu bieten hatten.
Ganz klar war Tiraitān im Vorteil, der sich die Energie nun sparte und seine Blitzfähigkeiten für sich behielt, ebenso wie Palk mit seinem Feuer. Exakt im gleichen Moment, überlegten es sich beide Kämpfer anders, die sich viel ähnlicher zu sein schienen, als sie jemals zugegeben hätten.
Eine massive Explosion entstand durch den urplötzlichen Kontakt von Blitz und Feuer, die ein weiteres Mal, sowohl Palk als auch Tiraitān in entgegengesetzte Richtungen davonrasen ließ. Palk scheuerte gut 25 Meter über den harten, teils grob steinigen Boden, während es Tiraitān nach wenigen Metern gelang, eine Rückwärtsrolle zu machen und seine Schuhe unter dem rasanten Rückstoß leiden zu lassen.
Auch er musste sich nun aber eingestehen, dass er das Limit seiner Ausdauer bald erreicht haben würde. Doch um diesen widerlichen Wurm namens Palk zu zerbröseln, musste es ganz einfach noch reichen! Aus der Ferne sah er mit seinen nun doppelt so scharfen Augen, dass Lakran es ernsthaft gewagt hatte, in ihre Nähe zu kommen, während die beiden Halbgötter noch kämpften. Und nicht nur das, er trug auch noch das heilige Schwert in seiner Hand. Diesen dummen Versuch, das Leben seines wertlosen Freundes zu retten, würde er bitter bereuen!
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Palk - Finde dein Schicksal [Überarbeitung seit 08.2023]
FantasíaDer gerade volljährig gewordene Meluhhaner Palk plant, seine Heimat zu verlassen und die Welt zu entdecken. Doch während er zu diesem Zweck einige Verbündete um sich schart, geschehen schreckliche Dinge und finstere Geheimnisse kommen allmählich ans...