Kapitel 26: Die Konfrontation II

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Zeitgleich mit dem Verschwinden des seltsam starken Glanzes aus seinen Augen, bekam Palk auch seinen gewohnten Charakter zurück. Irritiert blickte er an sich herunter und dann auf seine Hände. Keine Veränderung. Alles war wieder wie vorher. Dieses Gefühl...diese eigenartige Macht, die sich kalt und gnadenlos anfühlte, als könne er auf der Stelle jeden um sich herum vernichten...

Er hatte es schon einmal gespürt, das wusste er. Doch die Erinnerung war zu schwach. Irgendwie so nah und doch so unendlich weit entfernt, dass er nicht mehr drankam. Er musterte Āmak, der noch immer am Boden hockte und ihn anstarrte. Dann zog er sich vorsichtig zurück, bis er in Lakran hineinlief.

„Oh, entschuldige! Hab dich nicht ge..-" Er stutzte. Etwas war komisch an seinem Freund. Er bewegte sich nicht, hatte gar nicht darauf reagiert, dass ihm gerade jemand auf die Zehen gestiegen war. „Lakran?" Aus dem Teil der Höhle, in dem Āmak eben noch gekauert hatte, wie ein geistesgestörter Wachhund, hört Palk ein dunkles, leises Lachen und sah zu ihm herüber.

„Du hast dich gar nicht mal so schlecht gemacht, Palk." hörte er Āmak leise sagen. „Aber das Spiel ist aus. Sie ist da!"

Palk hatte keine Sekunde Zeit, um zu reagieren. Er riss nur noch die Augen auf, da packte Lakran seinen Arm, ließ seinen Freund eine Drehung vollführen und drückte seine Arme auf dem Rücken zusammen. Normalerweise wäre es für Palk ein Kinderspiel gewesen, sich aus diesem Griff zu befreien, doch Lakran war nicht nur plötzlich ungewöhnlich stark, sondern war immerhin auch sein Freund, den er nicht verletzen wollte.

Lakran brauchte nur einen Arm, um Palk in dieser Stellung festzuhalten und nutzte den Anderen, um ihn am Hals nach oben zu drücken, damit er wieder auf Augenhöhe war.

„Was soll denn dieser Scheiß!?" fluchte Palk, der kaum mehr einen Muskel rühren konnte. Lakran drehte sich mitsamt seinem Freund um, damit dieser die Frau begutachten konnte, die unbemerkt ins Innere der Höhle getreten war und ein prüfendes Auge auf ihre Besucher warf.

Ihr schwarzer Mantel mit der magischen Kapuze ließ es jedoch nicht zu, das Palk seinerseits erkennen konnte, mit wem er hier die Ehre hatte. Er konnte lediglich erkennen, dass sie fast so groß war wie er und dass sie grünblaue Augen hatte, deren Blick einen beinahe hypnotisieren konnten. Genau genommen konnte er nicht einmal sicher sein, dass es sich bei der Gestalt überhaupt um eine Frau handelte.

„Willkommen zurück, Lady Atokēla." begrüßten Lakran und Āmak die Frau gleichzeitig. Sie nickte und schloss den Eingang der Höhle hinter sich.

„Du hast sicher eine Menge fragen an mich, junger Mann." wandte sie sich an Palk, der noch immer versuchte, sich aus dem eisenharten Griff seines Verbündeten zu befreien.

„Könnte man so sagen." gab er angestrengt zurück. Lady Atokēla durchquerte den Raum und ging an den beiden vorbei, direkt auf Āmak zu, der sich ehrfürchtig verneigte und ihr aus dem Weg ging, damit sie auf ihrem Thron platz nehmen konnte. Palks Geduld sank immer weiter, als sie es sich gemütlich machte, ihre Arme auf den breiten Lehnen ablegte und ihn ansah.

„Nur, dass du es gleich weißt," begann sie ruhig und beinahe freundlich klingend, „ich bin nicht der Feind. Und deinen Freund hab ich nur deswegen manipuliert, damit du nicht auf die Idee kommst, mich angreifen zu wollen."

„Und was ist mit Tiraitān? Oder mit dem da?" antwortete Palk zornig und alle Muskeln in seinem Oberkörper an, um sich endlich aus Lakrans Fängen zu befreien, doch es nützte nichts.

„Tiraitān ist aus freien Stücken an meine Seite gekommen." entgegnete die Frau, deren Stimme Palk bei jedem Hören, irgendwie sonderbar vertrauter vorkam. „Ob du es glaubst oder nicht, der Junge hat wirklich etwas von einem Teamplayer. Natürlich nur, wenn es nach seinen Regeln läuft." fügte sie hinzu und kicherte kurz.

„Also ist er doch nur ein Arschloch!" fasste Palk zusammen.

„Aber nicht doch!" widersprach Lady Atokēla. „Tiraitān hat seine ganz eigenen Pläne, so fragwürdig sie auch sein mögen. Wenn sich unsere Ziele überschneiden, können wir davon doch auch profitieren, oder sehe ich das falsch?" Offenbar war es keine Fangfrage gewesen, denn sie sah Palk erwartungsvoll an.

„Was habt ihr vor?" fragte er schließlich und versuchte sich zu beruhigen.

„Du kannst mir wirklich glauben, meine Ziele sind gut und wichtig für diese Welt." antwortete Lady Atokēla im friedlichen Ton. „Sicher, die Mittel und Wege, die Āmak genutzt hat, mögen unangenehm und...vielleicht etwas übertrieben gewesen sein, aber sie waren leider notwendig."

„Es war also auch notwendig, dass Sie ein ganzes Dorf zu hirnlosen Idioten machen, die versuchen, meine Freunde umzubringen?" fragte Palk wütend.

„Ich verstehe nicht ganz." entgegnete die Frau verwirrt. „Ich habe hier und dort ein paar Leute dazu gebracht, euch aufhalten zu wollen, aber ein ganzes Dorf? Davon weiß ich nichts."

„Sie können mit dem Versteckspiel aufhören!" machte Palk ihr klar. „möglicherweise lässt sich die ganze Sache am Ende ja sogar noch friedlich regeln, aber ich will jetzt endlich erfahren, was hier läuft!" forderte er energisch.

„Du bist nicht in der Position, Forderungen zu stellen!" erwiderte Lady Atokēla erbost. „Wenn ich dir also sage, dass ich nichts von einem manipulierten Dorf weiß, dann kannst du mir das auch glauben." Palk überlegte einen Moment. Er lockerte sich wieder und kaum, dass er den Kampf aufgegeben hatte, ließ Lakran ihn kommentarlos frei. Verblüfft drehte er sich erst zu Lakran, der wieder er selbst zu sein schien und blickte dann wieder zu der Frau auf dem Thron.

„Wieso..?" Āmak und Palk sagten zum ersten mal etwas gleichzeitig. Āmak sagte es zwar nur, weil er keine Ahnung hatte, warum Lady Atokēla etwas so Dummes tat, aber sie teilten die Verwirrung.

„Ich habe gespürt, dass du mir nun vertraust." unterbrach Lady Atokēla. Lass uns beide wie zwei erwachsene Menschen reden!" bot sie ihm an und er sprach Lakran an, ohne sich zu ihm umzudrehen.

„Alles klar bei dir? Bist du wieder der Alte?"

„Äh, ja. Sieht so aus." war die überfordert klingende Antwort. Palk nickte zufrieden und ging bis zu der ersten Stufe, vor dem Thron. Dann bleib er stehen uns sah die mysteriöse Frau ernst an.

„Also gut. Reden wir!"

Palk - Finde dein Schicksal [Überarbeitung seit 08.2023]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt