Kapitel 9: Auf der Suche II

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Währenddessen

Palk drehte sich noch einmal um und sah seinen Freunden nach, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Ihn beschlich ein unbekanntes Gefühl, was er mit der Tatsache in Verbindung brachte, dass er nie Freunde gehabt hatte, die sich hätten entfernen können. Fühlte sich so die Sorge um andere an? Er entschied, dass er es nicht mochte.

Er hielt es für das Beste, zuallererst zum weißen Turm zurückzukehren, den er heute in aller Frühe verlassen hatte. Da es bei seiner Verabredung nur um eine kurze Unterhaltung im Haus einer ältlichen Dame gegangen war, hatte er es zuvor noch für eine gute Idee gehalten, seine Umhängetasche nicht mitzunehmen. Jene Tasche, in der sich unter anderem sein wertvollster Besitz, nämlich die schon erbeuteten Kristalle des Regenbogenschwertes befanden. Nun da sein Verstand vollständig aktiv und einige Zeit vergangen war, erschien ihm der Gedanke an seinen mutterseelenallein zurückgelassenen Schatz gar nicht mehr so clever. 

In zügigem Tempo überquerte er die zum Teil mit kunstvollen Mustern verschönerten, gepflegten Steinplatten, welche mehrheitlich den Südteil der meluhhanischen Hauptstadt zierten. Palk war bis vor einigen Jahren nie aufgefallen, dass man die Straßen Lyiapatazias optisch in zwei Gebiete unterteilt hatte. Er hatte es sich immer so zusammengereimt, dass in der nördlichen Hälfte unter anderem der Trainingsplatz und der Marktplatz zu finden waren und die Häuser in diesem Bereich der Stadt zumeist deutlich älter und näher am Meer waren. Vermutlich vereinfachte dies die Erklärungen für die vielen tausend Touristen, die monatlich vorbeikamen.

Als Palk den Turm erreicht hatte, entschied er sich dafür, eine neue und deutlich schnellere Methode zum Aufstieg auszuprobieren. Er ignorierte die Stufen und stellte sich genau in der Mitte des Turms hin. Er konzentrierte sich, ließ die Luft erst langsam, dann immer schneller um seinen Körper wirbeln. Seine recht eng geschnittenen Kleider begannen leicht zu flattern und er ging tief in die Hocke. Dann sprang er mit aller Kraft in die Höhe. Als sein Aufstieg langsamer wurde, nutzte er die Enge des schmalen Turms aus, setzte den linken Fuß an die Seite der steinernen Treppe und stieß sich sofort wieder ab. So sprang er, immer ein kleines Stück höher, von Wand zu Wand. Gelegentlich kam er so weit nach oben, dass er mit den Füßen auf einer Kante aufsetzen, von dort anspringen und noch mal ein gutes Stück höher kommen konnte. Palk legte den Kopf in den Nacken und sah, dass das Ende und damit auch sein Ziel, die längliche Eichenholztür, immer näher kam. 

Kurz bevor er gegen die Decke krachte, stieß er sich ein letztes mal ab, legte sich dabei allerdings so gerade wie möglich in die Luft. Er rauschte nur Zentimeter unter dem kalten Stein vorbei, vollführte eine schnelle Drehung und bekam mit den Händen den Rand der Treppe zu fassen. Er wollte sich mit Hilfe seiner schieren Armkraft wieder in die Senkrechte begeben, geriet jedoch ins Straucheln und konnte nur dank geschickter Umlenkung der Windenergie um sich, einen Sturz verhindern. Mit Hilfe der Luft, konnte er schließlich doch ein kleines Stück aufsteigen, legte die Füße an die Mauer, die der Tür direkt gegenüberlag und wusste nicht weiter, als einfach abzuspringen. Glück im Unglück, dass er offensichtlich vergessen hatte, die Tür heute Morgen wieder richtig zu schließen, denn so machte er sie wenigstens nicht kaputt, als er mit Schwung in den halbdunklen Raum geflogen kam. Die Tür knallte mit einem solchen Schwung gegen die Wand, dass sie daran abprallte und krachend ins Schloss fiel. Palk landete unsauber auf dem Fußboden, konnte allerdings dank einer kräftigen Liegestütze wieder auf die Beine kommen, ohne dass seine Kleidung zu sehr in Mitleidenschaft gezogen wurde. 

"Das", sagte er laut zu sich selbst und musste grinsen, "War lustig. Nicht besonders elegant, aber lustig." Er ächzte leicht, klopfte sich den Staub und etwas Dreck von der grauen Stoffjacke, dessen Ärmel er wie so oft bis knapp unter die Elle hochgezogen hatte und ging zu seiner Tasche. Er kramte darin herum, seine Finger fanden, was sie suchten und er lächelte. Dann schwang er die Tasche über seine Schulter und drehte sich wieder in Richtung Ausgang um.

Palk - Finde dein Schicksal [Überarbeitung seit 08.2023]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt