Mit einem Mal war sein Augenlicht weg. Für einen Moment dachte Palk, er würde gerade ohnmächtig werden, doch es geschah nichts weiter. Er spürte noch immer die Schmerzen in seinem Gesicht und an seinem Arm. Er hörte, wie seine Begleiter mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden aufschlugen und den Alten, der laut lachend, direkt vor ihm zu stehen schien. Er konnte lediglich überhaupt nichts mehr sehen. Alles war schwarz und Palk spürte, wie allmählich Panik von ihm Besitz ergriff.
"Hey, was ist los mit dir?", brüllte ihm die tiefe Stimme von Makān zu, der den hilflosen Blick seines Kameraden sofort bemerkt hatte.
"Ich kann absolut nichts mehr sehen! Irgendwas stimmt hier nicht!", rief Palk zurück.
Er bemühte sich darum, seinen Geist wieder zu beruhigen, seinen Atem und seinen Herzschlag zu verlangsamen, um einen klaren Gedanken fassen zu können. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er ja noch immer das Schwert in der Hand hielt, das er nicht zum Töten von Menschen verwenden wollte, die im Grunde unschuldig waren und nur kontrolliert wurden. Doch darauf konnte er so langsam keine Rücksicht mehr nehmen, denn er hörte bereits, wie sich der alte Mann wieder auf seine Kameraden stürzte.
Noch ziemlich orientierungslos, drehte er sich einmal um die eigene Achse und versuchte, das Bild seiner Umgebung, das eben noch so hell und klar vor ihm gelegen hatte, wieder in sein Gedächtnis zu rufen. Da hörte er plötzlich jemanden auf sich zurennen. Dieser Jemand war schnell und würde ihn in weniger als zwei Sekunden erreicht haben. Palk hielt das Schwert als eine Art Warnsignal so, wie man einen Baseballschläger zum Schlagen bereithielt und als die Person noch näher kam, schlug er zu. Ein Ächzen war zu hören, dann ein leises Ratschen und er hörte, dass die Frau nun fast neben ihm stand.
Er wusste in etwa, wie groß sie war und ließ den Ellenbogen zur Seite fahren. Ein noch lauteres Ächzen, das ihm sagte, dass sie knapp ausgewichen war. Er drehte sich in die Richtung, aus der er sie kommen hörte und trat zu. Ein kurzer Aufschrei, dann hörte er etwas zu Boden gehen, das sich gleich wieder erhob. Er konzentrierte sich und spannte seinen Oberkörper an. Eine Druckwelle ließ seine Kleidung sich aufblasen, als stünde er unter einer Belüftungsanlage. Die Frau flog mit einem Fluch auf den Lippen davon und Palk konnte hören, wie sie in die Holzkonstruktion am Dorfeingang krachte.
Dann drangen die Schreie von Mizlok und Itiama an sein Ohr, gefolgt von einem Aufbrüllen, das von Makān zu kommen schien, der sich auf den alten Mann stürzte. Palk wusste allmählich nicht mehr weiter, denn er hörte es mehrmals krachen und spürte, wie die Erde unter ihm zitterte. Er versuchte zu lokalisieren, woher die Geräusche ganz genau kamen und setzte zum Sprung an. Er erhob sich mehrere Meter in die Luft und hielt das Regenbogenschwert, mit der Spitze nach unten gerichtet. Als er landete, hörte er ein unschönes, leises Zischen, dann ein Stöhnen und schließlich merkte er, wie er an einem Körper herunterrutschte.
"Scheiße, wie hast du das geschafft?!" Makāns erschöpfte Stimme drang an Palks Ohr und er wusste, dass er den Richtigen erwischt hatte. "Meine Fresse, sind die denn nie fertig?", stöhnte Makān auf einmal und Palk konzentrierte sich, um zu hören, ob sich etwas verändert hatte. Er konnte nichts wahrnehmen.
"Was ist los? Wie geht es den anderen?", wollte Palk wissen und sprach in die Richtung, in der er Makān vermutete.
"Mizlok ist zu schwer verletzt, der kann nicht mehr weiter. Der andere Telepath sieht nicht gerade gut aus, aber es geht ihm wohl ganz okay", erklärte Makān und Palk nickte.
"Jetzt wäre ein guter Moment, um zu zeigen was ihr drauf habt", stellte er fest.
"Ich könnte versuchen, sie ruhig zu machen", meldete sich Itiama zu Wort, der sich gerade wieder mühsam erhob. "Wenn die wirklich kontrolliert werden, kann ich aber nicht genau sagen, ob es funktioniert", fügte er hinzu.
"Egal, versuch's!", bat Makān und da kamen der Typ mit dem Messer und die Frau, die keine Peitsche mehr hatte, aber dafür noch aggressiver aussah als vorher. Von zwei Seiten konnte Palk sie heranstürmen hören und drängte seine Begleiter dazu, aus dem Weg zu gehen. Sie taten, was man ihnen sagte und Palk ging in eine Pose über, bei der er das Schwert diagonal vor sich und die leere Hand auf Schulterhöhe neben sich hielt, als würde er damit einen Stein fangen wollen, den jemand nach ihm warf.
Als er sicher war, das beide Angreifer nahe genug waren, verlagerte er sein Gewicht auf das Linke Bein und ließ nur die linke Fußspitze auf dem Boden stehen. Dann vollführte er eine ruckartige Drehung und stieß gleichzeitig Luft aus seiner leeren Hand gegen den Schwertarm, wodurch er sich mehr als doppelt so schnell drehte. Nun konnte er einfach den Arm ausgestreckt halten und sich im Drehen auf seine überraschten Gegner zubewegen. Die Frau wurde mehrfach geschnitten und warf sich schließlich zu Boden. Der Mann mit dem Messer, versuchte einige der Schwerthiebe mit seiner Klinge abzuwehren, doch schon beim ersten Kontakt zwischen den Klingen, wurde sein Messer in zwei Teile gespalten, als bestünde es aus Holz.
Als Palk merkte, dass die Drehungen langsamer wurden, sprang er in die Luft, wo er sich nun wie ein Propeller bewegte. Dann steckte er das Schwert weg, fiel dem Boden entgegen und bremste sich mit Hilfe der Luft, direkt vor dem Mann. Der wollte sofort zuschlagen, doch da packte ihn Itiama mit seiner gesunden Hand von hinten am Nacken und zog ihn zu sich. Er nahm den Mann in den Schwitzkasten und legte ihm dann die Hand auf die Stirn. Langsam wurde der Fremde ruhiger und hörte auf sich zu wehren. Dann ließ Itiama ihn los, um ihn auf den Boden zu setzen. Da drehte sich der Mann plötzlich um und rammte Itiama die abgebrochene Messerklinge zwischen die Rippen.
Itiama spuckte Blut und brach zusammen. Palk hatte keine Ahnung was los war, also musste Makān übernehmen. Er wirbelte zu dem Killer herum und rammte ihm die Faust ins Gesicht. Bevor er wieder hochkommen konnte, zog Makān ihn zu sich heran und starrte dem leicht Benommenen direkt in die Augen. Als der Mann realisierte, dass Makāns Augen immer heller und immer intensiver rot leuchteten, verfiel er in Panik und Makān konnte ihn mit Leichtigkeit k.o. schlagen.
Dann ging er zu der Frau herüber, die sich blutend am Boden wälzte und nicht einmal zu merken schien, dass sie den Dreck immer tiefer in die offenen Wunden rieb. Makān kniete sich neben sie steckte ihr eine kleine Kapsel in den Mund, die er aus seiner Jackentasche gezogen hatte.
"Das Zeug wird dafür sorgen, dass du dich in den nächsten drei Stunden nicht rühren kannst", sagte er tonlos. "Aber es wird dich auch vor den ganzen Bakterien schützen. Nichts zu danken", mit diesen Worten ging er wieder von ihr weg und setzte sich zu seinen Kameraden, die um ihr Überleben kämpften. "Mehr hab ich leider nicht, ihr müsst durchhalten", war alles, was er zu ihnen sagte.
Palks Augenlicht kehrte nur schleichend zu ihm zurück und als er wieder vernünftig sehen konnte, waren Lakran und die anderen bereits wieder zurück.
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Palk - Finde dein Schicksal [Überarbeitung seit 08.2023]
FantasyDer gerade volljährig gewordene Meluhhaner Palk plant, seine Heimat zu verlassen und die Welt zu entdecken. Doch während er zu diesem Zweck einige Verbündete um sich schart, geschehen schreckliche Dinge und finstere Geheimnisse kommen allmählich ans...