Kapitel 32: Irichons Plan III

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„Das wird dieser Bastard noch bereuen! Ich werd' ihm sein beschissenes Auge ins Maul stopfen!" Palk war so zornig wie nie zuvor. Allein der Gedanke daran, seinem Freund könnte möglicherweise tot irgendwo in der hintersten Gasse im Sterben liegen, entfesselte ungeahnte Kräfte und ließ ihn jegliche Schmerzen vergessen. Nicht nur, dass Lakran aus purer Wut auf ihn abgehauen und in Gefahr geraten war, die gesamte Situation war seine Schuld. Er war es gewesen, der Lakran trainiert und zu diesem gefährlichen Abenteuer mitgenommen hatte.

Ziellos rannte er erst über den Nördlichen Teil des Marktplatzes, bis er das Eingangstor erreicht hatte, lief dann in die erste Gasse, die ihm ins Auge sprang und von dort aus einfach weiter. Nach dem dritten Fehlversuch, Lakran in einer der Seitenstraßen zu finden und als er sämtliche Gärten in der näheren Umgebung ausgekundschaftet hatte, bemerkte er endlich, dass der Himmel über ihm wieder ungewöhnlich hell war. Die Sonne konnte nicht so gleißend hell dort oben strahlen, das war selbst zur heißesten Mittagszeit im Hochsommer eher unwahrscheinlich und gerade jetzt im Frühling besonders.

Er drehte sich um die eigene Achse und konnte schließlich die Lichtsäule ausmachen, die irgendwo in der Nähe, ein weißes Loch in die wenigen Wolken riss. Hektisch und mit zu viel verwirrender Wut im Kopf, um sich zu konzentrieren, versuchte er den Ursprung des Lichts herauszufinden, als es ihm endlich klar wurde. Ausgehend von seiner jetzigen Position und der anscheinend noch immer nicht aufmerksam gewordenen Bevölkerung, konnte es nur von der Spitze des Turms ausgehen, in dem Palk üblicherweise schlief.

Er sprintete los, übersprang die wenigen im Weg stehenden Zäune und niedrigen Mauern, die die Gärten der Anwohner zur Zierde errichtet hatten und...was war das gewesen? Er hielt inne, bremste so abrupt, dass er um ein Haar vornüber gefallen wäre und sah hinter einem der dünnen Backsteinmauern, den gelben Kapuzenpullover seines Freundes.

„Lakran?" rief er, als ob dieser ihn gehört hätte, wenn er es denn wirklich war. Andererseits dachte sich Palk, wer hätte es denn sonst sein können? „Hey, Kumpel!" ächzte er und warf sich neben dem stark am Kopf blutenden Lakran auf den Boden, um die Wunde zu begutachten. „Scheiße! Scheiße! Scheiße!" brummte er, als er die lebensbedrohliche Kopfverletzung genauer sah. Vermutlich hatte Lakran kaum noch mehr als ein paar Minuten, wenn er nicht sofort behandelt wurde.

„Er wird das...Schwert brauchen." stöhnend trat Yurenas neben ihn, von wo der alte Mann plötzlich gekommen war, wusste Palk nicht.

„Yurenas!" raunte er erstaunt und drückte seinen alten Lehrmeister einen Moment lang. „Geht's dir auch gut?" wollte er wissen, aber Yurenas winkte ab.

„Wir brauchen das heilige Schwert. Sonst hat der Junge keine Chance." machte er seinem Schützling klar.

„Ich weiß, wo ich es finde." sagte Palk entschlossen und verfluchte sich in diesem Augenblick dafür, dass er das Schwert selbst aus Tiraitān herausgezogen hatte. Die Kette von Ereignissen, die danach passiert waren, gingen vollends auf seine Kappe und das ärgerte ihn. Am Schlimmsten war in diesem Fall daran, dass durch seine letzte Berührung des heiligen Schwertes, seine göttlichen Fähigkeiten gänzlich dahin waren.

„Ich weiß, dass dich das verwirrt, Junge." Yurenas hatte sein Gedanken gelesen und allein, dass er das konnte, bewies für Palk nur, was er schon wusste. Er war nicht mehr besonders stark, weder körperlich noch geistig. „Leider ist für Erklärungen jetzt keine Zeit. Du musst dich sputen, Junge, sonst kommt für Lakran jede Hilfe zu spät." Palk nickte ernst und nachdem Yurenas ihm versichert hatte, bei seinem Freund zu warten, rannte er wieder los.

Diesmal brauchte er nicht mehr als sechs Minuten, um den Turm zu erreichen, doch schon der Treppenaufstieg würde ihn wieder viel Zeit und Energie kosten, die er nicht hatte. Plötzlich nahm er neben sich einen zuckenden Blitz war und fürchtete im ersten Moment, dass es vielleicht schon zu spät sein könnte und das Portal sich geöffnet hatte, doch es war Tiraitān, der neben ihm, auf einer der unteren Stufen stand und ihm die Hand reichte.

„Kein Wort!" befahl der Rothaarige streng. „Ich hasse dich immer noch, aber dann sind wir quitt, weil du mir den Penner vom Leib gehalten hast!" erklärte er seine Aktion und Palk zögerte nicht länger. Er ergriff die Hand seines Rivalen, sprang und den Rest erledigte Tiraitān Er sauste in einer halsbrecherischen Geschwindigkeit die Wendeltreppe nach oben und zog Palk dabei hinter sich her.

Kaum 30 Sekunden hatte der Weg gedauert und als sie das einzige Zimmer an der Spitze erreicht hatten, klaffte in der Decke ein riesiges Loch, sodass man das Wort Dach dafür eigentlich schon gar nicht mehr hätte benutzen dürfen. In der Mitte des Raumes standen Irichon und daneben seine Mutter, die das heilige Schwert in die angenehm kühle Luft reckte und das Licht gen Himmel sandte.

„Na warte, du Arschloch!" zischte Palk und ging sofort auf den nervös dreinschauenden Irichon los.

„Schnell, tu was gegen diesen blöden Störenfried!" befahl er Tiraitān, doch der verschränkte die Arme vor der Brust und spuckte demonstrativ vor sich auf den Boden. „Ich glaub's nicht! Alles muss man selber machen!" beschwerte sich der Bermuthaner, entriss seiner Mutter das Schwert und nahm den Schmerz hin, den die bloße Berührung in seinem Arm verursachte und der sich schließlich im gesamten Oberkörper ausbreitete. „Mach schon!"

Merkuri gehorchte sofort. Sie musste wirklich jede Form von Widerstand aufgegeben haben, seit ihr Sohn sie mit ihrem größten Fehler aus der Vergangenheit konfrontiert hatte.

„Sag mal, wo hast du eigentlich deine Schwester gelassen?" Palks Frage hatte sich natürlich an Tiraitān gerichtet. Dieser sagte nichts, sondern ging bloß zum Fenster uns sah hinaus. Katāla kam gerade auf den Turm zugelaufen, ebenso wie einige Anwohner, die von dem schrecklichen Lärm des abgerissenen Daches aufgeschreckt worden sein mussten. Unter ihnen erkannte Tiraitān sogar jemanden in einer hellgrauen Robe, die auf ein Mitglied des Ältestenrates schließen ließ.

Palk versuchte währenddessen, Merkuri mit seinen Schlägen zu treffen, oder sie wenigstens aus dem Weg zu stoßen, um an das eigentliche Ziel zu gelangen, der der Beschwörung des dunklen Gottes inzwischen gefährlich nahe gekommen war, denn das weiße Leuchten am Himmel, dehnte sich bereits zu einer rundlichen Form aus.

Merkuri nutzte unentwegt ihre telekinetischen Kräfte, die glücklicherweise nicht ganz so ausgereift waren, wie es die von Āmak gewesen waren. Ein kleines Schränkchen kam dem Krieger zugeflogen, der das Möbelstück jedoch einfach aus dem Weg kickte. Dann flog ihm ein Regal mitsamt einiger Bücher zu, die er wieder loswurde, indem er einen kräftigen Wirbel erzeugte, der eines der Bücher geradewegs aus dem geschlossenen Fenster beförderte.

Zu Katālas Füßen knallte es auf den Boden, weshalb das Mädchen erschrocken nach hinten sprang und damit direkt auf die Füße des Robe tragenden Mannes hinter ihr.

„Oh, bitte entschuldigen Sie...Ältester..." Sie blickte ihm peinlich berührt in die Augen, um zu erkennen, um wen es sich handelte. Ältesten Makarik, dem es gelungen war, sich den ganzen Weg bis hierher zu schleppen, nachdem Yurenas ihn alleingelassen hatte, schaute sie fragend an.

„Was geschieht hier, Kind?" fragte er mit brüchiger Stimme und sah dann angestrengt in das ihm viel zu helle Sonnenlicht.

„Älteste Merkuri ist da oben und kämpft mit Palk und meinem Bruder." fasste sie zusammen und der Alte staunte nicht schlecht.

„Meine Merkuri tut bitte was?!"

„Sie sind es!" Katāla schlug sich die Hände vor den Mund, weil sie nicht mit der Lage umzugehen wusste. Sie entschied sich letztendlich für die ehrliche Variante und erzählte Makarik alles, was sie selbst wusste. Zu ihrem Erstaunen, trat der alte Mann näher an den Turm und holte tief Luft.

Palk - Finde dein Schicksal [Überarbeitung seit 08.2023]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt