Kapitel 31: Kampf der Halbgötter II

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Palk stand da, wie die imposante Statue eines legendären Kriegers, zu dem er immer hatte werden wollen. Kampfbereite Position, ramponierte Kleidung, die schon einige schwere Kämpfe hinter sich hatte und das im Licht des sonnigen Tages, stark reflektierende heilige Schwert mit den vier farblosen Kristallen an den spitzen Enden der Waffe.

Sein Blick war die pure Entschlossenheit, die in den roten Pupillen so überzeugend aufleuchtete, dass niemand die innere Anspannung bemerkt hätte, die sich in ihm breitmachte. Ein so kleines Schwert, noch dazu mit eher zweifelhafter Wirkung gegen einen relativ normalen Menschen, war schon etwas riskanter, als er sich am Anfang dieser Mission gedacht hatte.

Tiraitān hingegen, wirkte längst nicht so ruhig. Doch was Palk in dessen Gesichtszügen zu erkennen glaubte, war nicht eben Unsicherheit oder gar Angst, sondern die reine Vorfreude auf das, was da gleich beginnen würde. Sein langersehnter, Schicksale entscheidender Kampf auf Leben und Tod mit dem, der vielleicht sein schwierigster Rivale aller Zeiten war.

Sein schwarzer, knielanger Umhang mit den einprägsamen Verzierungen aus hellem Rot und dunklem Grün, flatterte in einem leichten Wind, der soeben über den Marktplatz schlich, um dem Ganzen noch einen Hauch klassischer Actiondramatik zu verleihen. Tiraitān zitterte vor Kampfeslust und Palk hatte keinen Zweifel daran, dass der Wille zu gewinnen und Palk endgültig in seine Schranken zu weisen, echt war.

„Dann bringen wir es hinter uns." schlug Palk vor, als sein Gegenüber ein Lächeln präsentierte, des nicht mehr von brutaler Entschlossenheit hätte stecken können.

„Du hast nicht die leiseste Ahnung, wie lange ich mich auf diesen Kampf gefreut hab." bestätigte Tiraitān seine vorangegangenen Gedanken süffisant lächelnd. Als das Regenbogenschwert in seiner Hand zu brennen begann, bemerkte Palk einen weiteren kleinen Schwachpunkt an sich. Im Gegensatz zu Tiraitān, war er mit dem heiligen Schwert in der Hand, nicht dazu in der Lage, seine Fähigkeiten einzusetzen.

„Warte, vielleicht sollte ich lieber..-"

„Halt die Fresse, Weichei!" zischte Tiraitān Lakran an, ohne von seinem Grinsen abzulassen.

Und schon schossen Palk und er aufeinander zu, die Klingen fest in beiden Händen und bereit, alles zu tun, was nötig war. Immer wieder knallten die Schwerter aufeinander, wobei jedoch nicht die typischen Schleifgeräusche entstanden, sondern lediglich das Zischen einer Flamme, die mit jeder Berührung des heiligen Schwertes, für wenige Millisekunden erlosch.

Verbissen droschen die Kontrahenten immer wieder aufeinander ein, versuchten den jeweils anderen aus dem Konzept zu bringen, um als Erster zu treffen, doch es gelang keinem von ihnen. Je länger sich der Kampf hinzog, desto größer wurde die Anspannung und der Ärger, der beide immer mehr in sich aufnahm.

Sowohl Palk als auch Tiraitān blendeten ihre Umgebung nun vollständig aus, um nicht die Konzentration zu verlieren. Beiden war klar, dass ein gelandeter Treffer, das Ende des Kampfes bedeuten konnte, denn niemand würde nachgeben, wenn er schon so weit gekommen war.

Tiraitān versuchte einen Tritt, dem Palk aber geschickt auswich und den Moment nutzte, um näher an seinen Gegner heranzukommen. Als Tiraitān zuschlug, verwandelte sich das Regenbogenschwert im letzten Augenblick in die gewöhnliche Metallklinge zurück, was ihm vermutlich das Leben rettete. Fast Kopf an Kopf standen die beiden jetzt, die Klingen direkt vor ihren Augen gekreuzt und drückten immer stärker von beiden Seiten dagegen an.

„Versuch es gar nicht erst, du erbärmlicher Mensch!" fauchte Tiraitān, ohne allzu angestrengt zu sein. Palk wollte eine Augenbraue heben, doch sein Gesicht war vom Kraftaufwand zu angespannt und regte sich nicht.

„Du bist auch ein Mensch, ganz egal wie stark oder schnell du bist." gab er zurück und Tiraitān grinste wieder etwas breiter.

„Das glaubst auch nur du." sagte er mit der tiefsten Stimme, die er hinbekam und ließ der Aggression in seinem Herzen freien Lauf. Beide begannen vor Anstrengung zu ächzen, denn niemand wollte dieses Kräftemessen verlieren, um keinen Nachteil zu bekommen. Palk blickte Tiraitān bei seinen Worten tief in die Augen und konnte deutlich sehen, wie mit dem lauter werdenden Schnaufen und dem immer härteren Knirschen seiner Zähne, sich auch dessen Augenfarbe wandelte.

Das meluhhanische Gold wich daraus und machte dem wenigen Braun Platz, dass sich nun die Herrschaft über das Territorium Iris erkämpfte. Aller Glanz entwich ihnen und als sich die Augen des jungen Mannes fast vollständig in eine Art Bernsteinfarbene Kugeln verwandelt hatten, vernahm Palk noch ein weiteres, ungewohntes Geräusch. Ein leises Surren, kaum wahrnehmbar, doch es steigerte sich und wurde lauter und lauter, bis selbst Lakran und die anderen Umstehenden es hören konnten.

Katāla wurde noch blasser, als sie es sowieso war, denn eine ganz ähnliche Szene hatte sie bei ihrem Bruder schon einmal miterlebt. Tiraitāns Fauchen steigerte sich zu einem Knurren und endete in einem tiefen grollen, welches mit dem ansteigenden Surren ebenfalls lauter wurde.

„Glaubst du immer noch, dass ich wie du bin?" fragte Tiraitān, das groteske Grinsen einer sich immer weiter verändernden Ungeheuers aufgelegt. Er wartete allerdings nicht auf eine Antwort, denn sofort begann er wieder zu brüllen und seine dunkelroten Haare schienen sich heller zu färben. Erst jetzt fiel Palk auf, dass der rötliche Schimmer von Tiraitān selbst kam, dass das Surren von seiner eigenen Aura stammte, die langsam sichtbar und auch hörbar wurde.

Doch leider war das nicht Alles, was ihm auffiel. Je länger sich das Theater hinzog, das Tiraitān veranstaltete, desto mehr Druck übte er auf die Schwerter aus, die sich noch immer mit aller Kraft gegeneinander zu behaupten versuchten. Tiraitān schien stärker und stärker zu werden, während er eigentlich von dem Geschrei aus der Puste sein sollte, in dessen Verlauf sich auch seine Zähne veränderten. Sowohl die obere, als auch die untere Reihe, konnten inzwischen mit je zwei spitzen Zähnen aufwarten, die im Schimmer seiner roten Aura leuchteten.

Palks Chancen wurden immer kleiner, denn mit so einem massiven Kräfteanstieg hätte er nie gerechnet. Er verlor allmählich die Kontrolle über die Situation und musste bereits mit dem Rückzug beginnen. Mehrere kleine Schritte nach hinten machte er, wobei er seine gesamten Kraftreserven mobilisierte, um nicht durch einen einzigen – im wahrsten Sinne des Wortes – Ausrutscher, den Kopf zu verlieren.

Unterdessen machte sich Irichon die praktische Lage zunutze und griff sich mit Merkuris Hilfe Yurenas, der vom Kampf gebannt, angestrengt in Palks Richtung geschaut hatte und nicht verstand, warum der Junge seine Anweisungen nicht befolgte, die er ihm telepathisch zurief. Möglicherweise war Palk bereits dermaßen weit in seiner unbewussten Entwicklung, dass es seinem alten Meister nicht mehr möglich war, zu seinem Gehirn durchzudringen.

Merkuri packte den alten Mann von hinten und hielt ihm die Arme auf dem Rücken fest, damit Irichon ihm seelenruhig in die Augen sehen konnte. Yurenas kniff die Augen so stark zusammen, wie er konnte, doch Irichon schlug ihm kräftig in den Magen, wodurch Yurenas sie wieder aufriss. Merkuri und ihr Sohn legten ihm je eine Hand auf die Schultern und sogen gierig an dessen Lebensenergie.

Palk - Finde dein Schicksal [Überarbeitung seit 08.2023]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt