Kapitel 31: Kampf der Halbgötter I

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Lakran hatte nicht damit gerechnet, doch das heilige Schwert tauchte genau in der Hand auf, indem er bereits das unsichtbare Regenbogenschwert hielt. Er fluchte, als seine Hand sich wie von selbst öffnete und beide Waffen zu Boden fielen. Tiraitān holte weit aus und schmetterte Lakran den Schwarzen Schuh gegen den Kopf, dass er Sterne sah.

Er ließ sich von dem Schmerz jedoch nicht erneut bremsen, sondern warf sich nach vorn, um sich wenigstens eines der Schwerter schnappen zu können. Leider war Tiraitān wie üblich schneller und griff sich das inzwischen wieder sichtbare Regenbogenschwert, mit dem er noch in der selben Bewegung weit ausholte.

Makkatū witterte seine Chance, den Kämpfen ein Ende zu machen und rannte auf Irichon zu, der sich in seiner seltsam ungelenkten Gangart davonzumachen versuchte. Er konnte geradeso einigen Schlägen ausweichen, die Makkatū auf ihn abgab, doch dann konzentrierte er sich wieder auf Tiraitāns Emotionen, die er nach wie vor unter seine Kontrolle hatte.

Der rothaarige Schwertkämpfer führte nur noch den Schlag aus, der glücklicherweise nur einige von Lakrans Haaren entfernte und drehte sich dann auf dem Absatz um, weil er das Gefühl bekam, seinem guten Freund Irichon unbedingt helfen zu müssen. Als er angestürmt kam, duckte sich Makkatū direkt unter dem ersten Schwerthieb weg und schubste seinen Gegner schwungvoll von sich.

„Hör zu, Tiraitān! Du willst überhaupt nicht gegen mich kämpfen, das spüre ich!" rief er dem jungen Mann zu, während er verzweifelt versuchte, sich nicht von ihm umbringen zu lassen.

„Sag mir nicht, was ich will, du Ratte!" fauchte Tiraitān und traf Makkatū mit der Klinge am linken Arm. Der Ärmel des edlen Mantels riss auf und einige Tropfen Blut schossen davon, als Tiraitān noch ein weiteres Mal ausholte.

„Ich kann die Emotionen von Menschen fühlen." versuchte der Telepath es weiter. „Er ist derjenige, der dir Gefühle aufzwingt, die du gar nicht hast!" hechelte er Tiraitān zu und steckte gleich den nächsten Treffer ein, diesmal an der rechten Schulter. Er ignorierte den Schmerz, wie sein Gegner offenbar seine Worte.

„Halt dein Maul!" Tiraitān schien richtig wütend zu werden. Das passte Irichon nicht wirklich, denn wenn die wahren Gefühle eines Menschen diejenigen überwogen, die er ihnen einflößte, würde sein Einfluss rapide sinken.

„Schnell, du musst mir helfen, mein Freund!" spielte er den Ängstlichen und lachte sich innerlich halbtot.

Tiraitān konzentrierte sich wieder mehr auf seine Aufgabe und schnitt Makkatū nun auch noch leicht in die Hüfte. Dessen Bewegungen wurden mit jedem Treffer langsamer und ungenauer und er wusste genau, dass er kaum noch Zeit hatte, um Tiraitān zur Vernunft zu bringen. Diese Feststellung erreichte sein Hirn gerade noch, dann bekam er einen völlig unerwarteten Fußtritt von immenser Kraft von seinem Gegner verpasst, der seinen Magen ordentlich durchrüttelte.

Er würgte und griff sich an den Bauch. Dann ging er in die Knie und stützte sich mit nur einem Arm am Boden ab. Tiraitān stieg ihm auf den ausgestreckten Arm und machte sich bereit, zuzustechen. Dann hielt er unerwarteterweise inne und dachte noch einmal über die Worte nach, die Makkatū zu ihm gesagt hatte. Hatte er nicht vor langer, langer Zeit, auch so etwas Ähnliches gedacht? Dass ihm jemand einen fremden Willen aufzuzwingen versuchte? War es schon zehn oder fünfzehn Jahre her? Oder...

Verzweifelt griff er sich mit der freien Hand an den Kopf, um sich wieder erinnern zu können. Tiraitān war immer ein Mensch mit klarem Verstand gewesen und keiner, der sich von jemandem kontrollieren oder benutzen ließ, dazu war er viel zu intelligent. Die Tatsache, dass er sich an seine wahren Absichten und Motive nicht mehr zu erinnern wusste, war an sich schon merkwürdig genug. Verwirrt schaute er zu dem Dreiäugigen Mann herüber, der auf ihn inzwischen eher wie ein Hexenmeister erster Güte wirkte.

Dann entspannte er sich auf einmal und in sein Herz kehrte die Ruhe ein. Irichon hätte sich vor Ärger den Arm abreißen können, dass er auf diese Weise kapitulieren musste. Aber wenn Tiraitān sein Wesen weiterhin so genau analysiert hätte, wäre sein gesamter Plan zum Scheitern verurteilt gewesen.

Lakran hatte dagestanden und sich den kurzen Kampf angesehen, da er noch zu sehr außer Atem war, um gegen einen der Feinde ankommen zu können. Auch Yurenas und Katāla standen wie paralysiert da, genau wie Älteste Merkuri, die sich ohne klare Gedankenbefehle ihres Sohnes nicht mal groß zu rühren schien. Palk erhob sich langsam, klopfte sich den Dreck von der Kleidung und sah Katāla an, die sich ihm zudrehte.

„Hey." sagte er leise und mit tiefer, angeschlagener Stimme. Dann zeigte er auf das klaffende Loch im Stoff seines Oberteils und schaute sie fragend an. „Bist..bist du das gewesen? Hast du mich geheilt?" Einen langen, quälenden Augenblick überlegte sie, ob sie ja sagen sollte, um seine Verwirrung verschwinden zu lassen und – nicht ganz nebensächlich – um seine große Heldin zu sein. Aber sie gab sich einen Ruck und schüttelte den Kopf. Palk machte einige kleine Dehnübungen, um zu überprüfen, ob sein System wieder einwandfrei arbeitete und schlenderte dann zu Lakran herüber.

„Was hab ich verpasst?" versuchte er so laut wie möglich zu sagen, doch er konnte nicht leugnen, dass der Schock seine beinahe eingetretenen Todes, ihn doch ein Wenig sprachlos gemacht hatte. Lakran konnte nicht anders und umarmte seinen Freund einige Sekundenlang fest.

„Ach du Scheiße, ich hab wirklich gedacht, dass das schon mit dir war, man!" ächzte er mit starkem Herzklopfen. Palk schien noch nicht zu irgendwelchen Gefühlsregungen in der Lage zu sein – oder er war es vielleicht nie so richtig – denn er bückte sich nur, um das heilige Schwert aufzuheben, das vor ihm am Boden lag.

Sofort konnte er spüren, wie das Leben und die positive Energie durch seine Adern, seine Blutbahnen und durch seine Seele floss. Das heilende Licht der heiligen Kristalle durchströmte ihn vollständig und regenerierte Körper und Geist des jungen Kämpfers. Der tiefsitzende Schock löste sich langsam in Nichts auf und nachdem Palk noch einmal tief durchgeatmet hatte, stand er wieder in voller Pracht da. Zwar mit total ramponierter Kleidung, blutverschmierter Brust und zerkratzten Gliedmaßen, aber das war eben eine ganz spezielle Form der Pracht.

„Dein großer Augenblick ist endlich da, Tiraitān." raunte Irichon zu seinem wie hirntot dastehenden Beschützer herüber und dieser drehte sich kurz darauf um. „Das ist doch dein Ziel, nicht wahr? Diesen eingebildeten, widerlichen Klugscheißer zu besiegen. Das ist deine Chance!" tönte der Bermuthaner und während Tiraitān sich auf Palk konzentrierte, der mit dem heiligen Schwert auf ihn zuging, widmete sich Irichon dem am Boden liegenden Makkatū. Er packte ihn am Hals und zog ihn zu sich nach oben. „Du hättest dich wirklich nicht hier einmischen sollen! Einen schönen Alptraum wünsch ich dir."

Er zwang Makkatū dazu, ihm tief in die Augen zu sehen und dann warf er ihn achtlos weg, als sei er bloß ein Stück Abfall, das seine Beachtung nicht weiter verdiente.

Palk - Finde dein Schicksal [Überarbeitung seit 08.2023]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt