Kapitel 24: Blitz und Donner III

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Āmak hatte keine Zeit darauf zu achten, wer hinter ihm her lief. Das Einzige, was ihn interessierte, war die Befehle von Lady Atokēla auszuführen. Bei seinem momentanen Tempo würde er noch etwa drei oder vier Minuten brauchen, bis er den Palast erreicht hatte. Er rannte eine ältere Dame um, die ihren Einkauf nach Hause trug und blickte sich nicht einmal nach ihr um, als sie ihm etwas hinterher rief. Den Blick hielt er auf das hochgelegene erste Stockwerk gerichtet, in dessen Fenstern er schon von weitem Blitze zucken sehen konnte. 

Als er sich endlich zum ersten Mal umdrehte, um den Abstand zwischen sich und seinen mutmaßlichen Verfolgern zu überprüfen, atmete er kurz auf. Zumindest hätte er das getan, wenn er die Zeit dafür gehabt hätte. Anscheinend war ihnen die Puste ausgegangen, abgesehen von diesem lästigen Jungen mit dem Schwert, der ihn schon beim letzten Mal gestört hatte. Er konnte bereits die Treppenstufen sehen, die zu dem großzügig gebauten Eingang führte, als er die ein markerschütterndes Brüllen vernahm. Er zuckte kurz zusammen, fing sich dann aber wieder und rannte weiter. 

Er hetzte die Stufen hinauf, begleitet von mehreren lauten Poltergeräuschen, die vermutlich aus dem Versammlungsraum kamen. In Windeseile durchquerte er die Vorhalle und sprang die erste Stufe hinauf, als Palk gerade einen Teil der ersten Treppe hinter sich gebracht hatte. Noch einmal drehte sich Āmak um und sah gerade noch den Feuerball, der hinter ihm herflog und bei seinem Sprung zur Seite, an einer der Stufen verpuffe, wo er einen schwarzen Fleck hinterließ. 

Wäre das Geländer nicht gewesen, hätte sich der Telepath durch diesen Move, glatt in den Eingangsbereich zurückbefördert. Als er oben ankam, sah er, dass die Tür offen stand und lief hindurch. Tiraitān beugte sich gerade über den Oberältesten, um ihn mit seiner elektrisierten Hand zu durchbohren. Āmak hörte noch, wie er sagte:

"Sei froh, dass du nicht mehr lang genug auf dieser Welt sein wirst, um zu erleben, wie ich sie vernichte!"

"Stop, lass ihn am Leben!" rief Āmak ihm zu, doch Tiraitān drehte sich nicht einmal um.

"Halt's Maul!" Seine zischende und knisternde Hand, schnellte vor und berührte Viyalāns Brustkorb. Tiraitān riss die Augen auf und die Hand hoch, als ihm der Stuhl entgegen flog, der dem Oberältesten selbst gehörte. Das holz krachte in seine Hand, die er mit einem wütenden Schnauben an sich drückte, um den Schmerz zu lindern. Der Zusammenstoß hatte ihm zwar längst nicht so sehr geschadet wie dem Stuhl, aber Āmak hatte es geschafft, Tiraitān an dem Mord zu hindern. 

"Lass uns hier verschwinden!" sagte Āmak laut, als er näher kam, doch Tiraitān starrte ihn nur wütend an.

"Was fällt dir eigentlich ein, du Niemand?!"

"Lady Atokēla hat befohlen, niemanden unnötig sterben zu lassen und was du hier gerade vorhast, ist mehr als unnötig." argumentierte er und blickte hastig hinter sich. "Los, komm jetzt! Wir haben eine neue Aufgabe und dieser Schwertkämpfer ist gleich hier."

"Was für ein Schwertkämpfer?" fragte Tiraitān irritiert und Āmak kam zu ihm und packte sein Handgelenk. Da stürmte Palk ebenfalls in den Raum und erfasste das Geschehen innerhalb einer Sekunde.

"Bring uns hier weg, mach schon!" zischte Āmak und widerwillig legte Tiraitān erst den Ring an, um sich im nächsten Moment, mit einem lauten Zischen davonzumachen. Āmak nahm er mit sich.

Fluchend lief Palk zu Viyalān herüber, der zusammengekrümmt am Boden lag und keine Miene verzog, als der junge Mann sich vor ihn hinkniete.

"Oberältester Viyalān, ist alles in Ordnung?" fragte er und merkte gleich, wie überflüssig diese Frage gewesen war. Als er die Verletzungen sah, die Viyalān zugefügt worden waren, zog er die Augenbrauen hoch. "Warum ist Ihnen keiner zu Hilfe gekommen?" wunderte er sich.

"Ich vermute, sie haben die Blitze gesehen und sich nicht getraut." antwortete Viyalān mit brüchiger Stimme. "Wer kann's ihnen verübeln? Mit meinem Enkel würde ich mich auch nicht anlegen wollen."

"Aber das haben Sie doch. Bin ich nicht deswegen hier?" wunderte sich Palk.

"Warum du hier bist, weiß ich nicht, aber Tiraitān ist ohnehin nur hergekommen, um mich herauszufordern. Es lag nicht in meinem Ermessen, den Kampf zu verhindern." widersprach Viyalān und versuchte aufzustehen. 

"Wie ist er hier so einfach..-" Palk brach die nächste Frage ab, als er die toten Männer sah, die ganz in der Nähe lagen und leicht nach verbranntem Fleisch rochen. Einer lag weiter abseits, vermutlich hatte er zu fliehen versucht. "Das ist also mit der Spezialeinheit passiert." stellte er tonlos fest. Dann half er dem alten Mann beim Aufstehen und geleitete ihn zu einem der noch heilen Stühle, die ganz hinten im Raum standen.

"Ich danke dir, Junge." sagte Viyalān erschöpft. "Wo hast du denn deine Begleitung gelassen?"

"Lakran brauchte eine Pause und die Anderen sollten jeden Moment eintreffen." antwortete Palk und grinste. "Und wo ist Ihre?"

"Wenn ich das wüsste." erwiderte Viyalān genervt.

"Ich hole jetzt erstmal Ihren Stellvertreter Ukāla her." verkündete Palk und ging zurück zum Ausgang. 

"Schick her, wenn du triffst." bat Viyalān so laut er konnte. Palk nickte im Weitergehen.


Etwa 1 Stunde später, Königreich Mu, in der Hauptstadt Ero

"Mit dir im Schlepptau, macht das Reisen gar keinen Spaß." stellte Tiraitān klar und klopfte sich den Dreck von der zerschundenen Kleidung. Besonders störte ihn der Staub, der durch das schnelle Bewegen an seinen zuvor schwarzen Kleidung haften blieb, da er den Boden nicht verlassen konnte, solange er Āmak bei sich hatte.

"Besonders lustig finde ich solche Ausflüge auch nicht, wenn es niemanden gibt, mit dem du dich vernünftig unterhalten kannst." erwiderte Āmak und klopfte sich ebenfalls den Staub ab. "Das hier ist also Ero, die unbezwingbare Stadt." stellte er fest und blickte von der Mauer, auf die Menschen runter und auf das, was sie so taten. Tiraitān kannte das schon, weshalb es ihn nicht gerade faszinierte. Er wollte bloß den Smaragd haben und wieder verschwinden. 

"Wir müssen da lang, glaub ich." meinte er gelangweilt und ging vor.

"Du glaubst?" wiederholte Āmak irritiert.

"Ja, hast du was mit den Ohren? Diese blöde Stadt ist so riesig, dass es einfach nur lächerlich war, daraus auch noch ein Labyrinth zu machen." fand Tiraitān grimmig. 

"Naja, wie es aussieht, hat es ja doch seinen Zweck erfüllt." meinte Āmak feixend. "Ein Typ der so schnell ist wie du, könnte ja sonst problemlos an alles kommen, was er haben will.

"Du Klugscheißer! Wenn ich jetzt einen Typen wie dich dabei hab, kann ich das genau so einfach. Wenn man keinen findet, der es freiwillig macht, bedroht man einfach jemanden." konterte Tiraitān und strich sich süffisant das Haar zurecht. "Es müsste irgendwo da vorne sein." sagte er noch und Āmak folgte ihm über die Mauer.

Palk - Finde dein Schicksal [Überarbeitung seit 08.2023]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt