„Bist du jetzt total wahnsinnig geworden, man?!" fuhr Lakran seinen Freund an, nachdem er endlich die Sprache wiedergefunden hatte. Doch er stieß auf taube Ohren.
„Noch gehört er zu uns nach Lyiapatazia." sagte Palk dazu.
„Das wirst du mal schwer bereuen und wenn nicht heute, dann irgendwann!" versicherte Lakran ihm, doch Palk winkte ab und wandte sich wieder Tiraitān zu.
„Katāla hat wirklich Angst um dich, ist dir das klar?"
„Sie soll sich endlich um ihre eigenen Probleme kümmern." erwiderte der junge Mann genervt.
„Du bist im Moment ihr einziges Problem!" meinte Palk in einem harten Tonfall. „Die ganze Stadt hätte unter dem Scheiß leiden können und wer weiß, ob es nur dabei geblieben wäre!" Tiraitān sagte nichts dazu und der vor Wut bebende Lakran, packte Palk an dem Arm, in dessen Hand noch das heilige Schwert war.
„Das ist unsere Chance, ihn endlich zu töten! Hast du schon vergessen, dass wir genau dafür geschickt worden sind?" schärfte er seinem Freund ein. „Er hat Menschen getötet, unter anderem sogar einen seiner eigenen Freunde. Er hätte seine Schwester umgebracht, wenn du sie nicht..-" weiter kam er nicht, denn er hatte die Faust von Tiraitān im Gesicht, der sich diesen Unsinn keinen Moment länger anhören wollte. Lakran stolperte einige Schritte rückwärts und rannte wieder auf ihn zu.
„Genug!" befahl Palk und stellte sich ihm in den Weg. Lakran bremste ab und sah ihm tief in die roten Augen. Er wäre am Liebsten vor Wut in die Luft gegangen, hätte sie gleich alle beide verprügelt, doch er gab sich alle Mühe, seinen Zorn runterzuschlucken.
„Du bist ein Verräter! Lass mich in Ruhe und sprich mich nie wieder an!" Er senkte den Blick, entriss Palk das heilige Schwert, ohne dass dieser Widerstand leistete und stampfte davon.
Palk unternahm nichts, denn er konnte Lakrans Wut und die Enttäuschung gut verstehen, dass er sich von seinem angeblich besten Freund verraten fühlte und nur noch von ihm weg wollte. Er blickte ihm noch einige Sekunden hinterher, dann drehte er sich wieder Tiraitān zu, der wieder nur mit ausdruckslosem Gesicht ins Nichts schaute.
„Ich kann dich nicht leiden, nur dass du das weißt." sagte er schließlich, blickte Palk dabei aber nicht an. Der schmunzelte und richtete den Blick Richtung Himmel. Die dunklen Wolken verzogen sich allmählich und wichen einem blauen, sonnigen Morgenhimmel, der ihnen ein schönes Wetter für die folgenden Stunden zusicherte.
„Das Schwert und der lange Abstand von diesem Bermuthaner, scheinen den Einfluss aufgehoben zu haben, den er auf dich hatte." sagte er schließlich und Tiraitān sah ihn verständnislos an.
„Wie kommst du immer auf sowas?" wollte er wissen. „Ich will dich immer noch fertigmachen und sobald ich dazu wieder fit genug bin, bist du erledigt, klar?"
„Klar." Palk nickte nur. Er machte eine längere Pause, während der ihn Tiraitān die ganze Zeit ansah. „Aber du bist wieder bei Verstand." meinte er dann. „Wenn du immer noch von diesem Irichon kontrolliert werden würdest..-"
„Er hat mich nicht kontrolliert, ist das klar?" zischte Tiraitān ungehalten dazwischen. „Er hat nur meine Gefühle manipuliert. Aber was versteht schon jemand wie du von sowas? Du hast ja schließlich keine, du cooler Einzelgänger." Palk musste nun tatsächlich lachen.
„Das erinnert mich zu sehr an den Tag, an dem Lakran und ich uns angefreundet haben. Er hat ziemlich das Gleiche gesagt. Und schon damals war es Schwachsinn."
„Ich will keine Liebesschnulzen über dich und den kleinen Spinner hören." meinte Tiraitān ärgerlich. Er wollte sich umdrehen, um sich aus dem Staub machen zu können. Immerhin würde nach all den vergangenen Geschehnissen, niemand einfach weiterleben wie bisher, sondern jeder würde sich auf die Jagd nach dem Abtrünnigen machen. Doch er hielt inne, als er in der Ferne, einen dünnen Schatten auf sich und Palk zulaufen sah der mit den Armen ruderte und deren lange Haare im leichten Wind wehten.
Sie verstanden nicht, was die Gestalt ihnen zuzurufen versuchte, doch es sah eher nicht danach aus, als ob es gute Nachrichten zu verkünden gäbe. Offenbar mit ähnlichen Gedanken im Hinterkopf, gingen beide Kämpfer dem langsam deutlicher sichtbaren Mädchen entgegen, das sich bald als Katāla zu erkennen gab. Ihre Bewegungen sahen jetzt etwas unsicherer und irgendwie eigenartig aus, bis Palk schließlich als Erster erkannte, dass sie weinte und kurz darauf zusammenbrach. Tiraitān war selbstverständlich zuerst da und baute sich vor seiner Schwester auf.
„Was suchst du hier? Hatte ich nicht gesagt, dass du dich raushalten sollst?" blaffte er rücksichtslos und als sie endlich die Kraft gefunden hatte, wischte sich Katāla die Tränen aus dem Gesicht und stammelte:
„Ich...ich glaube sie...sie haben L-Lakran getötet."
„Was?!" schrie Palk, der endlich bei ihnen angekommen war und die Worte geradeso mitangehört hatte. „Sag mir, dass er dich dazu gezwungen hat, solche Scheiße zu erzählen, weil er mich herlocken will!" verlangte er ungehalten, ballte die Fäuste und eine fette Ader zeichnete sich deutlich auf seiner Stirn ab, als er mit rötlich anlaufendem Kopf, die Tränen der Wut zurückhielt.
„Es war M-Merkuri." heulte Katāla wieder los und dieser Anblick schien der letzte Schritt gewesen zu sein, der dazu nötig war, um Tiraitān endgültig von seinem Bann zu befreien. Er biss die Zähne zusammen und hockte sich neben seine Schwester. Ohne auch nur die geringste Ahnung davon zu haben, was er sagen sollte, legte er ihr eine Hand an die Wange, um ihr die Tränen wieder abzuwischen.
„B...bist...bist du...Tiraitān, bist du...?" Katāla versagte vollends die Stimme und sie schmiss sich ihrem Bruder in die Arme. Er ließ es geschehen und stützte sich mit seiner schwerverletzten Schulter ab, was ihn heftig vor Schmerzen aufstöhnen ließ.
„Wo ist er?" grollte Palk wütend und ignorierte die rührende Szene, die sich vor seinen Augen abspielte.
„Hm?" machte Katāla total verwirrt und überfordert.
„Wo ist Lakran?!" Palks Stimme überschlug sich fast und Katāla merkte, dass es ihm wirklich ernst war.
„Er ist mit...mit dem heiligen Schwert zu mir gekommen und...und wollte mir irgendwas wegen Ti...Tiraitān sagen, als älteste Merkuri auf einmal dastand und ihm einen...einen Ziegelstein oder sowas an den Kopf gedonnert hat. Er...war sofort weg und die...Wunde sieht wirklich schlimm aus." stammelte sie zitternd.
„Ich werde diesen verdammten Hurensohn jetzt ein für alle Mal abschalten!" fauchte Palk und seine Hände verwandelten sich gleichzeitig in massive Feuerbälle, wie sie es noch nie bei ihm gesehen hatte. Es erstaunte sie schon genug, dass es beinahe den Anschein hatte, als würden sich Tiraitān und er auf einmal verstehen, aber mehr noch, dass ihm die Sache mit Lakran offenbar näher ging, als der nur knapp verhinderte Tod von Yurenas.
Katāla sah ihm hinterher, als er sich in die Richtung aufmachte, in die zuvor Lakran gegangen war, als sie am Himmel wieder diesen weißlichen Schein bemerkte, der sie zu Beginn dieser grausamen Schlacht hierher geführt hatte.
„Das kann nichts Gutes heißen." dachte sie laut und legte den Kopf wieder gegen die Brust ihres Bruders.
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Palk - Finde dein Schicksal [Überarbeitung seit 08.2023]
FantasyDer gerade volljährig gewordene Meluhhaner Palk plant, seine Heimat zu verlassen und die Welt zu entdecken. Doch während er zu diesem Zweck einige Verbündete um sich schart, geschehen schreckliche Dinge und finstere Geheimnisse kommen allmählich ans...