Kapitel 6: Eine seltsame Begegnung II

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"Ähh, können...können wir etwas für Sie tun?", fragte Lakran, um die Stille zu brechen. Der Mann mit dem unheimlichen Erscheinungsbild legte sein mysteriöses Grinsen nicht ab. Palk wurde das Gefühl nicht los, diese fremdartige Aura schon einmal gespürt zu haben, die ihn umgab.

"Du hast da ein paar interessante Kristalle in deiner Tasche", bemerkte der Unbekannte und deutete auf Palk. Der zog eine Augenbraue hoch und spürte, wie er zum ersten Mal seit längerer Zeit unsicher wurde. Woher wusste der seltsame Typ, was er in seiner Tasche hatte? Auch seine Bewegungen waren eigenartig. Sie wirkten irgendwie unsicher und er wippte fast permanent kaum merklich hin und her. Palk beschloss, sich nichts anmerken zu lassen.

"Danke, ich sammle sie."

"Wenn das so ist, wirst du sie mir sicher nicht freiwillig geben", meinte der Mann. Er sprach vollkommen ruhig, sodass man nicht die geringste Bedrohung dahinter vermuten konnte, doch seine Wortwahl ließ die beiden jungen Männer vorsichtig werden.

"Eher nicht, tut mir leid", antwortete Palk respektvoll und bemühte sich um ein Lächeln. Lakran blickte sich nach Okanur um, konnte ihn jedoch nicht entdecken. Irgendwie fühlte er sich trotz der Anwesenheit eines starken Verbündeten, in der Nähe dieses Dreiäugigen nicht sicher.

"Du bist wieder auf den Beinen?", fragte der Fremde und drehte sich vollständig Lakran zu. Dieser verstand nicht, warum sein Gegenüber ihm nicht einmal direkt in die Augen sah. Das konnte doch nicht so schwer sein, auch wenn der Mann in etwa so groß war wie Okanur, und Lakran damit fast um Haupteslänge überragte. "Ich habe mitbekommen, dass du von diesem Blitz-Jungen verprügelt wurdest. Sei froh, dass er nicht ernst gemacht hat." Seine Stimme klang fast spöttisch. Lakran wusste nicht so recht, ob er verärgert oder verunsichert sein sollte.

"Für mich hat es sich ganz schön ernst angefühlt", antwortete er so locker wie möglich.

"Ich konnte deutlich sehen, dass du viel weniger Energie hast, als der andere. Dass du überhaupt angetreten bist, hat mich außerordentlich überrascht", gab der Mann zu.

"Dafür, dass er einen Gegner wie Tiraitān hatte, hat er sich sehr gut geschlagen", verteidigte Palk seinen Freund. Endlich erschien Okanur zwischen den Leuten und tippte dem Fremden von hinten an die Schulter. Der drehte sich um, sah ihm allerdings nicht ins Gesicht, sondern eher auf den Brustbereich.

"Würden sie mich bitte mal durchlassen?", fragte Okanur unbekümmert und schob sich an dem Dreiäugigen vorbei. Hinter ihm tauchte wieder die Frau auf, die gerade die Halskette und den Kamm gekauft hatte und ignorierte den Fremden vollkommen.

"Der nette Verkäufer hat mir gerade gesagt, dass ihr nach dem Regenbogenschwert sucht", erzählte die Frau an Palk und Lakran gerichtet, die sich nun wieder dicht nebeneinander gestellt hatten. Beide nickten stumm.

"Hab ich es mir doch gedacht", mischte sich der Dreiäugige ein, dem die Frau die Hand vorhielt, damit er die Klappe hielt.

"Angeblich hat es der letzte Besitzer des Schwertes an einem Ort versteckt, wo es sich sein Nachfolger holen sollte, wenn er dazu bereit ist", fuhr die Frau fort.

"Wissen Sie vielleicht etwas mehr über diesen Besitzer?", fragte Palk neugierig.

"Sein Name war Anāvulav Apotara", meinte die Frau sofort. 

"Also schon mal kein Meluhhaner", stellte Palk fest. Das Prinzip von Vor- und Nachnamen hatte er erst kürzlich kennengelernt, fand es aber durchaus interessant.

"Sein Ableben ist noch nicht so lange her, wie man sich erzählt", setzte die Dame ihre Erklärungen fort. "Meine Urgroßmutter hat ihn noch persönlich gekannt. Das ist keine 200 Jahre her und sie waren noch nicht so alt. Doch irgendwann war er einfach verschwunden."

Palk - Finde dein Schicksal [Überarbeitung seit 08.2023]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt