Schwach

251 16 6
                                    

Chris war ebenfalls aufgesprungen.
„Lia was hast du vor? Wohin willst du? "
„Nach Herford.", nuschelt ich und lief weiter Richtung Straße.
„Was willst du dort?" sichtlich wirkte er verwirrt.
„Mensch Chris.", ich schüttele leicht den Kopf.
„Manchmal ist es besser die eigentlichen Gründe nicht zu kennen, das hast du doch selbst gesagt.", gab ich patzig von mir und lief weiter ohne auch nur eine Sekunde daran zu denken stehen zu bleiben.
Selbst als er überholte und sich mir in den Weg stellte, wich ich ihm aus.
„Lia bitte bleib stehen, du kannst so nicht gehen, du hast ja kaum was an! Außerdem ist es viel zu gefährlich für eine Frau Nachts alleine in der Dunkelheit herum zu laufen!", es war ein verzweifelter Versuch mich aufzuhalten.
„Ich bin eine erwachsene Frau, ich bin alt genug um meine eigenen Entscheidungen zu treffen!"
Chris machte mich wütend und meine ständigen unkontrollierbaren Gefühlsausbrüche machten mir zeitgleich zu schaffen.
„Verdammte Hormone." dachte ich und Strich mir dabei erschöpft über das Gesicht.
Chris starrte mich unglaubwürdig an,
„Was hast du da grad gesagt?"
Die Erkenntnis, dass ich meine Gedanken gerade laut mit ihm geteilt hatte, versetzte mich in eine Erklärungsnot.
„Ach nichts, ich will fühle mich nur nicht so gut.", gab ich zerknirscht wieder.
Zum Glück akzeptierte er meine Lüge, weswegen er das Thema wechselte.
„Lass mich dich wenigstens fahren.", ich kannte Christian, ein "nein" würde er nicht akzeptieren. Auch wenn das bedeuten würde, das er mich eigenhändig zum Auto schleifen musste.
Ich gab mich geschlagen, nickte leicht und folgte Chris zu seinem alten VW Golf.
Die meiste Zeit der Fahrt schwiegen wir und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
Mein Unbehagen hingegen wuchs. Mir wurde schlecht und meine Glieder waren schwer. Nur wiederspinstieg konnte ich die Augen offen halten.
„Wo soll ich dich rauslassen?" fragte er nach einer Weile.
„Klinikum." nuschelte ich abwesend, eine Hand dabei auf meinem Bach liegend.
Hoffentlich hatte ich mir nur eine einfache Grippe eingefangen.
„Hast du es ihm schon gesagt?", Chris legte seine rechte Hand auf meine Stirn, kurz schien er meine Temperatur zu fühlen. Dann wanderte sie, zu meiner immer noch auf dem Bauch verweilenden Hand.
„Ich weiß nicht, was du meinst.", während ich sprach, zittierte meine Stimme. Mein Blick war auf unsere Hände gerichtet.
„Das deute ich mal als ein nein.", deutlich war zu hören, das er lächelte. Seine Hand ruhte immer noch auf meiner.
„In welchem Monat?", Chris wirkte sichtlich interessiert.
„Was, woher?", ich sah Chris erschrocken von der Seite an.
„Deine Aussage vorhin, deine ständigen Stimmungsschwankungen  und Gefühlsausbrüche in letzter Zeit.
Außerdem hat dir Jamie davon abgeraten, da dein Körper dein  Herz jederzeit abstoßen könnte. Was vor allem daran liegt, das du im Falle einer Schwangerschaft deine Medikamente absetzen müsstest, um dem Embryo nicht zu schaden. Und da dich in den letzten Stunden alles zu sehr aufgewühlt hat und du darauf bestanden hast, nach Herford zu gehen, habe ich vorhin eben eins und eins zusammengezählt. Du machst dir Sorgen, das etwas mit dem Fötus sein könnte.
Und ich mache mir nicht nur Sorgen, um das Baby sondern auch um dich. Also in der wievielten Woche bist du?", Chris sprach ruhig, doch als er mir kurz in die Augen blickte, konnte ich den Sturm in seinem Inneren erkennen.
In ihnen lag Schmerz, Angst, Freude und vor allem machte er sich Vorwürfe daran schuld zu sein.
„In der elften Woche. Ich wollte die zwölfte abwarten, um auch sicher zu sein, das mein Körper es nicht vorher abstoßen würde. Mein Körper ist ohne Medikamente geschwächter als sonst. Jamie weiß bescheid, ich musste es doch jemanden sagen.
Doch um ehrlich zu sein, hat er mir nicht viel Hoffnung gemacht.
So oder so es würde eine Risikoschwangerschaft werden.
Die Ärzte meinten, ich sollte das nicht tun. Ich sollte meinem Körper, in meinem jetzigen Zustand, nicht so etwas zu muten.
Egal, wie es mir geht. Es ist mein Kind und ich kann doch nicht mein Kind umbringen. Es kann doch nichts dafür.", ich schluchzte und vergrub während dem Reden mein Gesicht in meinen Händen, sodass ich nicht merkte, wie wir auf dem Parkplatz vor dem Krankenhaus hielten.
Ich bemerkte auch nicht, wie Chris aus dem Auto ausgestieg und mir seine Jacke umgelegt hatte.
Erst als er mich aus dem Auto in eine Umarmung zog, die ich dringend gebraucht hatte, bemerkte ich, das wir unser Ziel erreicht hatten.
Es viel mir schwer mich auf den Beinen zu halten, als wir die Notaufnahme betraten. Chris hielt mich dabei fest in den Armen, sodass ich nicht fallen konnte.
Ich war froh den jüngeren Reinelt an meiner Seite zu haben, doch es fühlte sich falsch an. Andy hätte an seiner Stelle hier sein sollen. Doch so sehr mein Herz danach schrie, so sehr verbot ich es mir. Das meinem Baby nichts passieren würde, war nun das Einzige was zählte.

By your side || EhrlichBrothersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt