Nach einer mehrstündigen Zugfahrt stand ich vor dem Haus meiner Eltern. Unentschlossen, ob ich nun klingeln sollte, schaute ich abwechselnd zwischen Klingel und Tür hin und her. Was würden die Beiden sagen? Wie würden sie reagieren? Nichts hatte ich mitgenommen, Hals über Kopf hatte ich meinem Leben den Rücken gekehrt. Kein Auto, keine Klamotten, kein gar nichts. Außer meiner Handtasche mit Laptop, Handy und Geldbeutel samt Inhalt. So ganz stimmte das nicht. Ich hatte mein gebrochenes, kaputtes und womöglich nicht mehr lange funktionierendes Herz im Schlepptau. Ich wollte meine Eltern nicht verletzen, doch es würde nur ein kurzer Besuch werden. Ich wollte nicht bemitleidet werden, ich wollte meine Ruhe und über mein Leben nachdenken. Wenn es sein müsste, würde ich es ändern und von vorne anfangen. Doch dazu musste ich weg und ich hatte auch schon einen Plan. Meine Sehnsucht zog mich an einen Ort, an dem mich niemand vermuten würde.
„Hey Paps." ich lächelte, auch wenn es ein gekünsteltes war, ich lachte. „Mein Schatz, was machst du hier?" fragte mein Vater zwar skeptisch, dennoch erfreut mich zusehen. Weshalb er mich liebevoll in eine Umarmung zog und mir somit wieder Tränen in die Augen trieb. Mein Vater bemerkte meinen emotionalen Ausbruch und drückte mich noch enger an sich. „Klaus, wer ist denn da?", die piepsige Stimme meiner Mutter ertönte im Hintergrund. Doch anstatt meiner Mutter zu antworten, blieb er einfach stumm, weshalb diese keine zehn Sekunden später vor mir stand. „Sophia mein Schatz." sie zog mich in eine liebevolle Umarmung, „Mum, ist schon gut du zerdrückst mich noch." lachte ich, nachdem ich wieder gefangen hatte. „Komm doch erst einmal rein, es ist kalt." sagte meine Mutter und spähte an mir vorbei, „Kind, hast du keinen Koffer dabei? Hast du ihn im Auto? Sollen wir ihn holen?" fragte sie verwirrt und strich sich dabei eine Blond gefärbte Haarsträhne hinters Ohr. Ohne es zu wollen, brachte meine Mutter mich durch ihre Fragen erneut zum weinen. Ein kurzer Schmerz durchzuckte mein Herz, der zum Glück nachließ. Lia du musst stark sein, ermahnte ich mich selbst. „Sophia, das wollte ich nicht." meine Mutter war total mit der Situation überfordert. Selbst mein Vater, der als Psychologe schwere Fälle behandelte, schien nicht zu wissen, was er tun sollte. „Tut mir Leid." schluchzte ich und strich mir die Tränen aus dem Gesicht.
An meiner Schokolade schlürfend, saß ich zusammengekuschelt auf dem Sofa, während meine Eltern mir jeweils in einem Sessel gegenüber saßen. Das ganze hatte etwas von einer Therapiestunde. „Schatz, könnte es sein das du nun ja." meine Mutter sich sich durch die Haare, „Das ich was?" fragte ich und durchstöberte meinem Kopf nach Möglichkeiten, was meine Mutter nur meinen könnte. „Du brichst wie aus dem nichts in Tränen aus und deine Laune wechselt von fröhlich zu traurig in weniger als einer Sekunde. Noch dazu hast du anscheinend in Herford alles stehen und liegen lassen und bist hier her gekommen. Ohne Gepäck versteht sich." mein Vater übernahm das Wort. Doch meine Mutter beendete den Satz „Sophia, wir denken das du." meine Eltern blickten sich in die Augen und lächelten dabei, „Das wir." mein Vater griff nach der Hand meiner Mutter, „Das wir Großeltern werden." beide blickten mich hoffnungsvoll an, während mir die Kinnlade herunterklappte. Mir fehlten die Worte, ein dicker Kloß machte sich in meinem Hals breit und ich begann, trotz der Tatsache das mir kalt war, zu schwitzen. Die Tasse in meiner Hand, schwankte bedrohlich durch die Bewegungen, die meine zitterte Hand verursachte. Ein durchdringendes Piepen machte sich in meinen Ohren breit, vor meinem inneren Auge spielte sich alles in Zeitlupe ab und Bilder von Emilia, Max, Konstantin und Andreas taten sich vor meinem inneren Auge auf. Sie standen vor einem Spiegel und lächelten mir entgegen, dann zerbrach dieser in tausend Stücke und nahm die Bilder wieder mit sich. Sodass ich nur noch von undurchdringlichem Schwarz umgeben war. Kein Licht, kein Ausweg, ich war gefangen. Mein Herz klopfte gegen meinen Brustkorb und es fühlte sich so an, als würde dieses jeden Moment genauso, wie der Spiegel in tausend Teile zerspringen. „Tasche." nuschelte ich, „Klaus tu doch was. Ruf den Notarzt." schrie meine Mutter während ich immer und immer wieder nach meiner Tasche nuschelte. Als mein Vater sie mir endlich in die Hand drückte, waren nur Sekunden vergangen, doch für mich war es eine halbe Ewigkeit. Voraussichtlich hatte mir der Arzt ein paar Ampullen Beruhigungsmittel zugesteckt. Mit zittrigen Fingern, versuchte ich Spritze und Flasche aus den Tiefen meiner Tasche heraus zu fischen. Während die Angst in mir stieg. Ich wusste, wie es um mich stand. Doch ich fand es einfach nicht. Meine letzte Hoffnung, mein letzter Versuch. Fest entschlossen endlich fündig zu werden, leerte ich den gesamten Inhalt der Tasche auf dem Sofa aus. Meine rechte Hand ergriff das Medikament, während meine linke Hand die Spritze umgriff. Auch wenn es mir schwer fiel, schaffte ich es dennoch die Spritze zu befühlen und mir den Inhalt zu injektzieren. Merklich spürte ich, wie sich mein Körper und ganz besonders mein Herz beruhigte. Als ich aufblickte, stand meine Mutter wie versteinert da, während mein Vater sich vor mich kniete. „Schätzen was, was war das?" fragte er besorgt und nahm meine Hände in seine. Ich konnte sie nicht anlügen, die Wahrheit würde früher oder später sowieso rauskommen, weshalb ich mich meinen Eltern öffnete. „Ich bin nicht schwanger." sagte ich so leise wie möglich und blickte dabei bedrückt zu Boden. „Ich, ich..." mich verließ der Mut, ich konnte es ihnen nicht sagen. Ich konnte es ihnen nicht antun. „Das, das war nur ein leichter Anfall." sagte ich, da dies auch stimmte. „Ich bin gegen Nüsse allergisch." nuschelte ich, wohlwissend, dass ich meine Eltern anlog. „Gott sei dank." meine Mutter löste sich aus ihrer Starre, „Ich hatte echt Angst." seufzte sie und fiel mir um den Hals. Ein klingeln an der Tür ließ mich hochschrecken. „Das muss der Notarzt sein." meinte mein Vater und machte sich mit den Worten „Wir brauchen ihn wohl nicht mehr." auf den Weg zur Tür. Wenn er nur wüsste!
„Musst du wirklich schon gehen." fragte meine Mutter traurig, als wir an der geöffneten Tür standen. „Mum, ich werde wiederkommen." sagte ich und drückte sie zum Abschied. Genauso wie meinen Vater. „Ich hab euch lieb." flüsterte ich, als ich ihnen noch einmal zu wank. Ehe ich mich Richtung München und Flughafen aufmachte.
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By your side || EhrlichBrothers
Fiksi Penggemar„Ich werde immer an deiner Seite sein, vergiss das nicht." sagte Andreas, ehe er mich alleine zurück ließ.