28. Kapitel

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Harry atmet tief ein und wieder aus, bevor er mit gegenüber zum Stehen kommt. „Sag jetzt nicht, es ist nichts." sagt er gerade heraus mit sicherem Tonfall. Ich beiße mir auf die Innenseite meiner Wange und schaue kurz auf den roten Teppich an meinen Füßen. „Harry..." murmle ich, meine Stimme bricht dann aber. „Was sollte das gerade, Louis? Du bist doch sonst so gut in deinem Job, fragst mich immer, bevor du etwas veröffentlichen möchtest und jetzt hältst du dich nicht ans Skript und willst von mir wissen, ob es eine Frau in meinem Leben gibt?"

Er wartet auf eine Antwort, aber meine Stimme bleibt mir weg. Meine Gedanken sind wie leer gefegt. Ich weiß, dass er recht hat, ich kann es ja nicht einmal bestreiten, sagen, dass die Frage sich ergeben hat und gut passte. Das ist gelogen und das wissen wir beiden, es ist unnötig, so zu tun, als wäre es anders.

„Tut mir leid." sage ich ehrlich und schaue ihn an. Er verschränkt die Arme vor der Brust und blickt mich auffordernd an. Er möchte eine Erklärung, keine Entschuldigung, das ist offensichtlich. „Was ist passiert, Louis? Innerhalb von einer Woche oder so, bist du plötzlich so anders. Ja, mir wäre es auch lieber gewesen, wenn ich seit Sonntag noch einmal Zeit für dich gefunden hätte, aber du weißt doch, dass es nun einmal manchmal leider nicht funktioniert. Deswegen brauchst du aber doch nicht fragen, ob es jemand anderes." sagt er gerade heraus und ich seufze, schüttle dann den Kopf.

„Tue ich nicht." lenke ich ein und fahre mir durch die Haare. „Noch nicht." - „Aha?" skeptisch blickt er mich an und mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen. Dann geht es nicht mehr, ich kann es ihm nicht verschweigen. Harrys Blick durchbohrt mich, trifft mich tief in meiner Seele und er wird keine Ruhe geben, bis ich mit der Wahrheit raus gerückt bin. „Ich weiß es, Harry; dass wir die Beziehung nicht weiterführen können, dass es eine Frau gibt, der du versprochen bist. Es hat keinen Sinn, Harry, ich war nur immer zu egoistisch, um das zu sehen." sage ich gerade heraus und lache bitte.

„Aber das hier ist ja auch kein verdammtes Märchen, richtig? Der Amerikaner und der britische Prinz, wie hätte das denn klappen sollen. Ich wollte nur noch ein bisschen länger, die Illusion aufrecht erhalten. Nenn mich jetzt von mir aus kindisch, unreif, was weiß ich, ich weiß ja, dass ich es bin, feige. Aber scheiße, ich liebe dich! Du wusstest es die ganze Zeit! Du hast die ganze Zeit gesagt, dass wir das schaffen." Ich wische mir schnell über die Wangen, damit er es nicht bemerkt, aber vermutlich ist dafür sowieso schon viel zu spät. „Abgesehen davon, ist es deine Pflicht, Nachkommen zu zeugen, eine Königin an deiner Seite sitzen zu haben, das alles. Das hätte mit mir nicht funktioniert und schon gar nicht, als Amerikaner. Ich weiß, es war nicht die feine Englische Art, zu lauschen, aber naja... ich bin eben kein Engländer." meine ich und schniefe.

Harrys Körper ist angespannt, sein Blick liegt auf mir und ich fühle mich, wie der letzte Trottel. Erneut wische ich über meine Wangen, versuche zu verhindern, dass die salzigen Tränen auf den teuren Teppich fallen und doch sind dort schon drei dunkle Flecken zu sehen. „Ich kann ja nicht einmal sauer auf doch sein." spreche ich weiter. „Also doch, dass du mich angelogen hast, darüber bin ich wütend, enttäuscht." füge ich hinzu, aber es ist kein Vorwurf an ihn. „Ich weiß aber, dass es nun einmal deine Pflicht ist und dass du sie dir nicht ausgesucht hast." sage ich und fahre mir durch die Haare, atme tief ein und wieder aus.

Harry hat immer noch keinen Ton gesagt. Er mustert mich, steht stumm da, als wären seine Schuhsohlen festgeklebt. Ich nicke, eher um mir selbst zu sagen, dass ich es getan habe, dass er es weiß und dass es nichts mehr gibt, was ich jetzt noch tun könnte. „Tut mir leid." murmle ich und gehe an ihm vorbei. Harry dreht sich augenblicklich um und kurz bevor ich aus seiner Reichweite bin, macht er einen Schritt nach vorne und greift meine Hand.

„Geh nicht." sagt er leise, aber ich schüttle den Kopf und trockne meine Wangen schon gar nicht mehr. „Hast du mir nicht zugehört? Wir haben keine Zukunft... Haz..." - „Ich weiß, ich hätte es dir sagen sollen!" fällt er mir ins Wort. „Ich weiß, du hättest es von mir erfahren müssen, aber ich wollte nicht, dass du gehst. Ich werde das regeln, ich..." - „Wie? Harry, wie? Du hast Anny doch schon gesagt, dass dein Vater nicht nachgeben wird und du sie heiraten musst... du wirst ein guter Ehemann.. und Vater, und auch König, das weiß ich, aber ich kann nicht so tun, als könnte ich stumm daneben stehen. Tut mir leid, Harry. Ich kann das nicht." entschuldige ich mich abermals.

Mein Herz wird von Nadeln durchlöchert, brennt und bricht in tausende Einzelteile. Es tut höllisch weh, es ist grauenhaft, aber ich weiß, dass es noch schlimmer wäre, ihn mit einer anderen zu sehen. Nein, ich weiß, dass ich das nicht aushalten würde. Meine Knie sind weich wie Butter, aber ich zwinge mich, aufrecht stehen zu bleiben.

„Schatz, bitte.." versucht er es wieder, aber der Ton seiner Stimme verrät deutlich, dass er genau weiß, dass ich recht habe. Ich lächle, mache einen Schritt auf ihn zu und küsse ihn, sanft, nur für einen Augenblick. „Du wirst es schaffen, du wirst das Volk stolz machen." versichere ich ihm, löse meine Hand aus seiner und gehe.

– – – – – – –

Als ihre Finger sich nicht mehr berühren, ihre Blicke sich trennen und der junge Prinz dem Mann nachblickt, der den Flur entlang läuft, hört die Welt für einen Augenblick auf, sich zu drehen. Louis ist weg, er spricht die Wache am Ende des Flures an und diese bricht ihn danach aus dem Palast. Harry schnappt erst wieder nach Luft, als Louis aus seinem Sichtfeld ist. Er schluchzt auf, seine Sicht verschwimmt und er sackt auf dem Boden zusammen.

Ihm ist bewusst, dass er es Louis hätte sagen müssen, wie oft hat er schon darüber nachgedacht, pro und contra abgewägt und trotzdem hat er es weiter und weiter aufgeschoben. Jetzt ist es zu spät. Die ganze Zeit hat er gedacht, wenn er es Louis sagt, verlässt er ihn, ist wütend auf ihn; jetzt ist er zwar weg, aber er ist nicht wütend auf Harry. Er hat es irgendwie verstanden, hat ihn nicht angeschrien, ihm keine Vorwürfe gemacht. Damit hatte Harry ziemlich feste gerechnet und er hätte gewusst, dass Louis jedes Recht dazu hat.

Er weint, hat sein Gesicht in seinen Händen vergraben und zieht seine Knie sein Brust. Sein Herz zerreißt immer und immer wieder. Eine der Wachen, eilt zu ihm, aber Harry reagiert nicht. „Eure Hoheit, was ist passiert? Könnt Ihr mich hören?" Harry weint weiter, hofft, dass es nur ein Albtraum ist, aber er weiß, dass er nicht morgen an Louis' aufwachen wird. Er hat er verkackt.

Eine weitere Wache kommt und verständigt sofort den Hausarzt. Harry schüttelt den Kopf, drückt sich vom Boden hoch sieht mit roten Augen und nassen Wangen zu den Wachen. „Ich komme klar." sagt er und geht den Gang entlang. Er wird immer schneller, bis er schließlich joggt, rennt. Ihm ist egal, dass es sich nicht gehört, zu rennen. Wen juckt das schon. Louis haben die Regeln nie interessiert.

Aber er läuft nicht in sein Gemach. Er läuft eine Etage höher und öffnet die Tür, ohne zu klopfen. Die Frau im Zimmer schreckt auf und wendet ihren Blick von dem Fernseher ab. Als sie ihn sieht, wird der Bildschirm schwarz und sofort steht sie auf. „Gem..." Harrys erstickende Stimme sagt schon alles. Die Tür fällt sie und seine Schwester nimmt ihn in den Arm.

„Harry.. was ist passiert?" Er drückt sein Gesicht in ihre Halsbeuge und schüttelt nur den Kopf. Sie kann sich absolut nicht erklären, was gerade los ist. Das letzte Mal ist Harry weinend zu ihr gekommen, da war er ein Teenager. Es ist so viele Jahre her, dass sie nicht mehr damit gerechnet hat. Sie streicht Harry beruhigend über den Rücken und dirigiert ihn zum Sofa. Er weint weiter und drückt sich an seine Schwester. Er fühlt sich so alleine, ihm ist kalt, sein Herz hat ein finsteres, großes Loch in seiner Brust hinterlassen.

„Harry.." versucht Gemma es noch einmal besorgt. „Soll ich Louis anrufen?" fragt sie und Harry schluchzt auf, weint stärker und schüttelt den Kopf. Jetzt braucht sie auch nicht mehr nachzufragen, jetzt ist klar, weswegen er so bitterlich weint. „Er weiß es..." wimmert Harry dann und drückt sich von Gemma, wischt sich über die Wangen und zupft an dem Stoff des Sofas. „Er weiß, dass ich heiraten soll."

Gemma sieht ihn mit großen Augen an. „Was? Woher?" Harry schnieft und Gemma reicht ihm ein Taschentuch. „Anny hat mich darauf angesprochen.. Louis hat es mitbekommen." meint er geschlagen und Gemma sieht den Prinzen mitleidend an. „Oh, nein.." Harry nickt und schnäuzt die Nase. „Er... er ist weg.." Harrys Stimme bricht und er beißt sich auf die Unterlippe. „Er ist weg." 

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Tja, es ist also doch so gekommen, wie es wohl niemand wollte. Könnt ihr Louis' Entscheidung nachvollziehen? Und was denkt ihr, wie geht es jetzt weiter? 

(Ich hoffe, ihr hasst mich nicht zusehr haha)

Love L 

This OneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt