38. Kapitel

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Man hätte genauso gut die Zeit anhalten können, ich hätte es in diesem Augenblick nicht bemerkt. Die Sekunden wollen nicht verstreichen, als er um die Ecke kommt und unsere Blicke sich treffen. Mein Körper erstarrt in der Bewegung und mein Herz explodiert fast. Ich höre das Blut in meinen Ohren rauschen und glaube, jeden Moment das Gleichgewicht zu verlieren.

Er macht einige Schritte auf mich zu, der Druck in meinem Brustkorb wird größer, aber ich kann mich nicht wegbewegen. „Hallo Schatz." sagt er ruhiger und ich schnappe überfordert nach Luft, schüttle leicht den Kopf und sehe hilfesuchend zu Gemma. „Lauf bitte nicht weg." sagt sie ruhig und etwas leiser. Ich könnte gar nicht, mein Körper hört nicht mehr auf mich. Mein Herz ist dafür verantwortlich, dass mein Körper funktioniert, aber leider hört es gerade nur auf Harry und ich kann nichts dagegen tun.

Dass er mich Schatz nennt, macht es nicht wirklich besser. Wir haben uns seit einer gefühlten Ewigkeit nicht gesehen und dennoch klingt seine Stimme so liebevoll wie vorher. Wie kann er mich denn nicht hassen? Gemma meinte, dass es ihm absolut beschissen geht. Ist es sich nicht so, dass sich Trauer irgendwann in Wut verwandelt? Dass man die Person, die einem so viel emotionalen Schmerz zugefügt hat, einfach nicht mehr mag?

Die Vorstellung, dass das passieren könnte, ist zwar unangenehm, aber lange nicht so schmerzhaft, wie die Vorstellung daran, dass er nicht mehr glücklich werden könnte. Wenn es dazu gehört, dass er mich nicht mehr mag, dann ist das so, es ist der bessere Weg. „Geh bitte.." flüstere ich schon fast, aber meine Stimme ist schwach.

Gemma geht einige Schritte und verschwindet im nächsten Gang. Ich schüttle leicht den Kopf, als Harry näher kommt und ich sehe, was ich angerichtet habe. Das Hemd sitzt nicht richtig, er ist dünner geworden. Er hat Augenringe, der Glanz seiner Augen ist nicht mehr da; das Gesamtbild tut einfach nur weh. Man kann nicht ignorieren, dass ihm anzusehen ist, wie schlecht es ihm geht. Ich dachte, die Bilder zu sehen, wäre schlimm, aber es kommt ganz und gar nicht an diese Situation heran.

„Harry... geh.." wiederhole ich verzweifelt und mein Herz schreit danach, ihn zu umarmen, ihn zu küssen. „Louis bitte. Das kann doch nicht dein ernst sein." entgegnet Harry mit rauer Stimme und ich mache einen weiteren Schritt zurück. „Bitte lass uns darüber sprechen, eine Lösung finden." versucht er es weiter, aber ich schüttle wieder nur den Kopf. Ich muss hier weg; ganz dringend. Sonderlich lange werde ich es mit ihm hier nicht mehr aushalten. Meine Maske bröckelt immer mehr, wegen ihm.

„Harry du heiratest. Geh zu deiner Verlobten, mach das Volk stolz." bitte ich ihn wieder, aber er will es nicht verstehen oder gar einsehen. „Mir ist egal, was das Volk will." - „Wie kannst du das sagen? Du kannst nicht einfach Gesetze ignorieren und vergessen, wie viele Menschen zu dir aufschauen. Es geht nicht, das weißt du doch. Es ist nicht gut, dass wir uns sehen." - „Aber wir sind hier." antwortet er knapp und ich nicke seufzend. „Ich wusste nicht, dass du auch da sein wirst, sonst hätte ich einen Kollegen gebeten, herzufahren."

„Louis.." Harry bricht ab und macht einen weiteren Schritt auf mich zu. „Nein, geh bitte." flehe ich, aber er denkt gar nicht daran. Harry überbrückt die letzten zwei Meter, legt einen Arm um meine Taille, eine Hand an meine Wange und zieht mich in einen von Sehnsucht getränkten Kuss. In diesem Moment bricht meine Mauer, meine Maske ist verschwunden und verzweifelt drücke ich mich an ihn.

Mein Herz flattert wie verrückt und mein Gehirn ist von jetzt auf gleich in den Standby-Modus übergegangen. Er spaltet mit seiner Zunge meine Lippen und nimmt meinen Mund in Besitz. Meine Arme legen sich um seinen Hals und meine Finger gleiten durch seine Locken. Er seufzt auf und küsst mich wieder. Alles um mich herum ist egal, es verschwimmt und Harry beherrscht meine Gedanken, meinen Körper und mein Herz.

This OneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt