Kapitel 1

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>>Und wie lief es gestern im ,,Fight und Art Club"?<<, fragt Rocelyn und schaut von ihrem Mittagessen auf. >>Super. Vier von vier Siegen<<, meine ich breit grinsend und nehme einen Schluck von meinem Wasser. Rocelyn klatscht aufgeregt in die Hände. >>Ich wusste ja schon seit deiner ersten Kampfstunde, dass du später einmal massig Typen den Hintern versohlen wirst<<, behauptet sie mit mütterlichen Stolz in der Stimme. Schon von klein auf hat sie mich, bei meinem Wunsch, Soldatin zu werden, unterstützt. Sie ist einfach die beste Mutter, die man sich nur wünschen kann.

Doch leider ist sie nicht meine Mum, sondern unsere Köchin. Meine biologische Mutter sitzt einen Stock höher und verzehrt gerade in bester Manier ihren Hummer. Mein Vater, der genauso in der Elternrolle versagt wie besagter anderer Elternteil, sitzt ebenfalls dort oben beim Essen und tüftelt bestimmt schon an einer neuen Werbestrategie für seine Firma. Dann gibt es noch Trish, meine überaus reizende Schwester. Sie ist mit ihrem falschen Lächeln, dem perfekten Aussehen und ihrem Modeldasein, natürlich der Star der Familie. Nicht dass es schwierig wäre diesen Titel in unserer Familie zu gewinnen. Aber später mehr davon.

Jetzt reden wir lieber über erfreulichere Dinge, wie zum Beispiel der ,,Fight and Art Club" neben meinem Trainingsraum, mein absoluter Lieblingsplatz. Früher war die Baar mal ein Dojo, weshalb noch heute ein Ring in der Mitte des Gebäudes aufgebaut ist. Der Besitzer entschied sich damals dagegen das Ding zu verkaufen und gründete stattdessen den ,,Fight and Art Club". Morgens und mittags dient es als normales Café, aber abends ist es die angesagteste Bar der Unterschicht. Neben Kämpfen finden im Ring nämlich auch Gesangseinlagen, Gedicht- und Comedyacts statt. Jeder darf auftreten, keiner wird ausgeschlossen und so ist es vielen möglich, ihren Traum im kleinen Kreise auszuüben.

Denn in Heavensent ist es streng geregelt, wer welchen Beruf ausüben darf. Da gibt es einmal die Königsfamilie, was sie tut ist glaube ich selbsterklärend. Danach kommt die gehobene Schicht, zu der eigentlich alles gehört was Rang und Namen hat, Berater des Königs, Prominente, aber auch große Unternehmer, wie mein Vater. Die gebildete Schicht, übrigens neben der Königsfamilie die kleinste Schicht, steht als Drittes in der Reihenfolge. Hierzu gehören Lehrer und Wissenschaftler, manche sind aber auch in der Medizin tätig. Ganz unten der Rest der Bevölkerung. Ganze achtzig Prozent, macht die Unterschicht aus. Aufstiegschancen sind bei uns eine Seltenheit, so dass für die Unterschicht keine Chance besteht ihren schlechten Lebensverhältnissen zu entfliehen.

Egal wie gut man singen kann, wenn du in die Unterschicht hineingeboren wirst, ist es unmöglich als Sängerin groß rauszukommen. Wohingegen die Oberschicht die Möglichkeit hat jeglichen Beruf auszuüben. Da ist es egal ob der Job zur Ober-, Unter oder gebildeten Schicht gehört. Allgemein gesagt kannst du keinen Beruf ausüben, der in einer Schicht höher als deiner steht. Und wenn du erstmal in eine Schicht hinein geboren bist kann dir nicht mal Heirat daraus helfen.

Warum ich mich als Mitglied der gehobenen Schicht für die Unterschicht interessiere? Dafür müssen wir in der Zeit neunzehn Jahre zurückreisen, zum Tag meiner Geburt. Natürlich weiß ich das was jetzt kommt nur aus Erzählungen, trotzdem kann ich mir die Geschichte fast bildlich vorstellen. Die Schwangerschaft meiner Mutter lief soweit normal ab, doch als ich dann am fünfzehnten November das Licht der Welt erblickte, stellte sich heraus das mit mir doch etwas ,,schief gegangen" war. Meine dunkelbraunen Haare durchzog nämlich schon damals eine weiße Strähne, als Model war ich deshalb von vornerein nicht geeignet, was mich aber nie sonderlich störte. Rumposen vor laufender Kamera war sowie nicht mein Fall.

Neben der Strähne besaß ich aber auch noch ein rotes Tattoo. Alles noch im Bereich der Lösbarkeit würde man sagen. Wozu gibt es denn sonst Perücken und Abdeckstifte? Doch als ich schon mit einem halben Jahr anfing Bettlacken in Feuer aufgehen zu lassen und Wasser zu Eis erstarren ließ, war ich bei meinen Eltern endgültig unten durch. Andersartigkeit ist nämlich im Bereich der Oberschicht streng verpönt.

The chosen princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt