Teil 1: Peinliches Kennenlernen

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Partys, Partys, Partys.
Immer diese Partys.
Eigentlich bin ich total genervt davon, aber was tut man nicht alles für seine Freunde -
Ich schlendere durch eine halbdunkle Gasse und höre dabei nur das Klackern meiner Schuhe auf dem gepflasterten Boden. Es ist heute ziemlich kalt und ich ziehe meinen Mantel fröstelnd noch einen Stück enger.
Nachdem meine beste Freundin Anne mehrfach gefragt hat, ob ich zu ihrer Party komme und bettelnd gemeint hat, dass sie eh schon länger keine mehr veranstaltet hat, habe ich mich breit schlagen lassen.

Gib dem Abend eine Chance, klingen ihre Worte immer noch in meinen Ohren und ich kann es nicht fassen, dass ich schließlich auf Grund ihres Quängelns eingeknickt bin.

Hier bin ich also, Misses Partymuffel und hoffe, dass der Abend nicht so übel werden wird.

Ich klingel kurze Zeit später an Anne's Tür und es dauert nicht lange bis sie mir lachend um den Hals fällt.

"Hey Süße! Schön, dass du da bist. Ich hol dir gleich was zu trinken".

Noch bevor ich antworten kann, ist sie in der Küche, klimpert mit ein paar Gläsern und schneller als gedacht halte ich ein Glas Wodka mit Orangensaft in meiner Hand.
Genau das was ich jetzt brauche!
Lächelnd nehme ich mir einen Schluck und begrüße Annes Schwester Deb und ihren Freund Derek.
Dann lasse ich mich auf das noch freie Sofa plumpsen.

"Was gibt's Neues Liss? Du arbeitest ja so viel, dass man dich kaum mehr sieht" sagt Derek lachend und stößt mir dabei relativ unsensibel gegen die Schulter.

Autsch!

Ich reibe mir die schmerzende Stelle und versuche so neutral wie möglich zu antworten, denn eigentlich möchte ich nicht über mich oder meine Arbeit reden.

"Was soll es schon Neues geben?"

Ich zucke mit den Schultern.

"Vielleicht ein Sexskandal auf der Arbeit. Wer weiß", sagt Deb grinsend, die halb auf Derek's Schoß liegt.

"Achtung, Achtung. In Gang 6 macht sich die Karotte gerade über die Aubergine her. Bitte Sauerei wegwischen" ruft Derek mit verstellter Stimme und beide fangen an zu lachen.

Ich schüttle mit dem Kopf und muss ebenfalls schmunzeln.
Seit ich in einem Supermarkt arbeite, darf ich mir ständig von den beiden Witze darüber anhören. Aber ehrlich gesagt stört mich das schon lange nicht mehr. Erstens macht mir die Arbeit dort wirklich Spaß und zweitens sind Deb und Derek zwei verwöhnte Studenten, die noch nie in ihrem Leben einen Finger krumm gemacht haben. Ihre Kommentare kann man daher nicht wirklich ernst nehmen.

Als ich gerade das Thema wechseln will, klingelt es an der Tür. Ein paar Leute kommen herein, die ich nicht kenne.
Anne eilt zu ihren Gästen und fällt einer Person um den Hals, die ich nicht genau erkennen kann, da ein junger Mann mit wilden Locken in meinem Blickfeld steht.
Gelangweilt nippe ich an meinem Glas und bemerke, dass Anne und die Person, die sie eben so herzig begrüßt hat, direkt auf mich zu kommen.

"Darf ich vorstellen? Das ist Hendrik, mein Kindergartenfreund von dem ich dir mal erzählt habe. Er ist zur Zeit beruflich in der Stadt und ich kann euch endlich bekannt machen."

Ich blicke auf und erschrecke.

Oh Gott, der sieht ja genauso aus wie mein Ex!

Vor Schock bahnt sich der Schluck den ich gerade genommen habe einen Weg aus meinem Mund und ich versuche schnell meine Hand vor den Mund zu halten. Ein paar Tropfen landen trotz meiner schnellen Reaktion leider auf dem Sofa.

"Liss!" brüllt Anne kopfschüttelnd und wirft mir schnell eine Serviette zu.

"Sorry", kommt es mir nur verlegen über die Lippen und ich versuche mein Missgeschick rasch zu beseitigen.

Während ich die Tropfen vom Sofa wische, mustert mich Hendrik amüsiert. Dieser Blick macht mich ganz nervös und ich bemerke wie ich rot werde.

Verdammt!
Er denkt jetzt bestimmt, dass ich völlig bescheuert bin.
Ich kann ihm doch nicht sagen, dass er aussieht wie mein Ex und ich mich deshalb erschrocken habe...
Loch tu dich sofort auf und verschling mich! BITTE!

Als ich mit putzen fertig bin, setzt sich Hendrik neben mich und starrt mich komischerweise immer noch an. Nervös rutsche ich ein Stück von ihm weg und versuche zurück zu starren. Seine Augen treffen mich dabei wie ein Schlag. Ein intensives Himmelblau mit leichten goldbraunen Punkten um die Iris.
Der Wahnsinn!
Ich habe noch nie so schöne Augen gesehen.
Erneut steigt Hitze in mir auf und ich spüre wie mein Atem stockt.

"Hi", sage ich verlegen und schaue so schnell ich kann weg.

Wenn er mich weiter so anstarrt, falle ich bestimmt noch vom Sofa.

"Hi", antwortet er lächelnd und nimmt endlich seinen Blick von mir.

Seine Zähne blitzen auf und ich kann nicht anders, als ihn wieder anzusehen. Mein Herz überschlägt sich fast, als ich zu seinen wunderschönen Augen auch noch sein atemberaubendes Lächeln sehe. Es ist verspielt und strahlt so viel Zuneigung aus, dass es einem die Schuhe auszieht.
Verdammt!
Diese Situation wird mir zu viel. Meine Gefühle werden mir zu viel. Ich muss dringend hier weg.

"Hol mir noch wasch", sage ich hastig und klinge als hätte ich einen heftigen Knoten in der Zunge, zeige dann auf mein Glas und versuche so schnell ich kann in die Küche zu eilen.

Dabei spüre ich wie mir alle mit leicht verwirrten Blicken folgen.

Außer Reichweite setze ich mich erstmal auf einen der Barhocker in der Küche und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen.

Scheiße war das peinlich!
Ich atme hörbar aus.

"Bin ich eigentlich so hässlich?"

"WAS?", sage ich verwirrt, blicke auf und sehe direkt in Hendrik's Gesicht.

1. Ihm die Wahrheit sagen

2. Ihn anlügen

Und plötzlich warst du da (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt