POV Lexi Falkner
Ich hatte gerade die Haustür aufgeschlossen und taumelte hinein. Mir war übel und alles drehte sich. Nachdem Jan sich noch vergewissert hatte, dass ich auch wirklich in meinem Haus angekommen war, winkte er mir zu und fuhr dann wieder davon. Er war ein netter Kerl, dem ich wirklich dankbar war, ich hätte nicht länger auf der Party bleiben wollen. Eigentlich wollte ich nach den ganzen Ereignissen heute einfach nur noch ins Bett.
Ich stieg gerade die Treppe hinauf, da fiel mein Blick auf diese eine verschlossene Tür im Erdgeschoß. Es handelte sich hierbei um das Arbeitszimmer meiner Mutter, das ich nicht betreten durfte, da dort die wichtigsten Forschungsansätze und -ergebnisse rumliegen würden, doch irgendwie kaufte ich ihr das nicht ganz ab. Das hatte ich noch nie getan, denn wer bewahrte sowas Wichtiges einfach in einem Raum zu Hause auf? Es musste noch etwas ganz anderes darin zu finden sein und schon drehte ich mich um und stieg die Treppe wieder hinab. Ich wusste, wo sich der Schlüssel befand, nämlich in Mamas Nachttischschulblade in ihrem Schlafzimmer in einem kleinen Schächtelchen, doch ich hatte mich bisher nie getraut, dieses Zimmer doch zu betreten, immerhin hatte sie es mir ausdrücklich verboten. Außerdem hatte ich auch nie genügend Zeit dazu gehabt, denn sie tauchte meist genau dann auf, wenn ich mir gerade vorgenommen hatte, den Raum zu inspizieren. Ich wusste, sie würde es nicht gutheißen, wenn ich das jetzt wirklich machte. Es war irgendwie eine Art Vertrauensbruch, doch ich musste endlich herausfinden, warum sie es so eng sah mit diesem Zimmer. Und da sie sowieso nicht da war, machte ich mich schnurstracks auf den Weg ins Schlafzimmer, schnappte mir den Schlüssel und drehte ihn wenige Augenblicke später auch schon im Schloss herum. Ich betätigte den Schalter neben der Tür und der Raum wurde in ein fahles Licht getaucht. Nicht, dass ich nicht wüsste, wie es hier drinnen aussah, ich hatte schon öfter hineingesehen und war als Kind auch noch oft drinnen gewesen, doch vor einigen Jahren hatte meine Mutter den neuen Job an diesem Institut angenommen und ab da war dieser Raum nicht mehr der Lagerraum für alles Mögliche gewesen, wie ich ihn gekannt hatte, sondern eben ihr Arbeitszimmer. Ich sah mich nun vorsichtig um, erpicht darauf, ja nichts anzurühren, denn wie ich meine Mutter kannte, wusste sie genau, was sich in ihrem Chaos wo befand und ich wollte vermeiden, dass sie bemerken würde, dass ich mich hier drinnen aufgehalten hatte. Nachdem ich aber ihre Tochter war und darum mindestens genauso neugierig wie sie, begann ich nach kurzem Zögern doch, einige Schubladen zu öffnen. Sie hatte nicht gelogen, hier lagen die unterschiedlichsten Notizen rum, die darauf hindeuteten, dass sie irgendetwas an der Genstruktur von Wildkatzen erforschte, doch ich war immer noch nicht zufrieden. Ich hatte immer noch dieses Gefühl, ich würde hier noch auf etwas ganz anderes stoßen.
Kaum hatte ich diesen Gedanken fertiggesponnen, zog auch schon eine kleine, rechteckige Keksdose meine Aufmerksamkeit auf sich. Fragwürdig war nun vielleicht, warum ich das als ungewöhnlichen Gegenstand einstufte, doch an dieser Dose war etwas anders, denn sie war mit einem Vorhängeschloss versperrt. Niemand verwahrte seine Süßigkeiten auf diese Weise. Ich drehte sie herum und wunderte mich, was es damit wohl auf sich hätte. Ich wollte es herausfinden, ich hatte das komische Gefühl, als stünde es mir zu, dem auf den Grund zu gehen und darum initiierte ich dann auch schon die Suche nach dem entsprechenden Schlüssel. Ich kramte in unzähligen Schubladen, so vorsichtig natürlich, dass ich nichts irgendwie auffällig aus dessen ursprünglicher Position brachte. Nach einer Weile war ich dann drauf und dran, einfach aufzugeben, bis mir unter den Büchern über die Verhaltensbiologie von Rentieren ein klitzekleiner Metallgegenstand entgegenblitzte. Es handelte sich hierbei wirklich um ein Schlüsselchen und es passte zum Glück auch zum Schloss an der Keksdose. Gut, hätte es nicht gepasst, hätte ich mich gefragt, ob meine Mutter ein geheimes Leben führte, denn niemand, wirklich niemand, der einigermaßen gewöhnlich war, besaß mehrere verschiedene versperrte Objekte in einem Raum, der für andere tabu war.
Ich öffnete die Box ganz vorsichtig und fand einen Stapel Briefe. Spätestens jetzt hätte ich den Deckel wieder draufgeben und mich einfach auf den Weg in mein Zimmer machen müssen, um mich schlafen zu legen, doch plötzlich war ich hellwach und auch wieder so gut wie nüchtern. Mit einem unguten Gefühl in der Magengegend blätterte ich sie durch. Die meisten waren Liebesbriefe, die irgendwelche Jungs an meine Mutter geschickt hatten, als sie in etwa so alt gewesen war wie ich. Irgendwie brachte mich das zum Lachen. Auch Briefe meines Vaters waren dabei, die sie scheinbar nicht vernichten wollte, obwohl die beiden nun schon an die zehn Jahre geschieden waren. Ich hatte kein gutes Verhältnis zu ihm, da er meine Mutter damals betrogen hatte und dann zu seiner neuen Flamme gezogen war. Er hatte mir zwar früher immerhin noch an meinem Geburtstag geschrieben, doch nach dem Vorfall mit Julie hatte er es „bevorzugt, auf Abstand zu gehen und alle Angelegenheiten nur noch über den Anwalt abzuwickeln", um seine spießige Ausdrucksweise zu zitieren. Sie war verdammt nochmal auch seine Tochter gewesen, doch er hatte dieses Familiending nie gut gekonnt. War nie da gewesen, wenn man ihn gebraucht hatte.
Ich blätterte die Briefe weiter durch, las den einen oder anderen, die meisten beinhalteten sowieso ähnliche Floskeln: Alle lobten die offene und lustige Art meiner Mutter und ihr tolles, lockiges Haar. Das hatte ich von ihr geerbt, zwar waren es bei mir nur Wellen, doch es sah immerhin nicht ganz so langweilig aus, als wenn es ständig nur strähnig herunterhängen würde. Gerade als ich die Box wieder verschließen wollte, sprang mir jedoch etwas ins Auge, das vermutlich das war, was ich nicht finden hätte sollen: ein Brief. Gut, das war nun nichts Ungewöhnliches, wenn man bedachte, dass die gesamte Schachtel voll mit solchen Dingern war, doch dieser hier sah aus, als wäre er schon unendlich oft auf- und wieder zusammengefaltet worden, denn das Papier war nur noch dünn und sichtlich abgenutzt. Plötzlich begannen meine Hände zu schwitzen und ich unkontrolliert zu zittern. Ich haderte mit mir, ob ich ihn denn wirklich lesen sollte, doch würde ich es nicht tun, käme ich nicht zur Ruhe und könnte nur noch daran denken. Ich kannte mich. Also entschied ich mich kurzerhand dazu, das schleißige Papier vorsichtig auseinanderzufalten. Was hier allerdings geschrieben stand, sollte erneut meine gesamte Welt auf den Kopf stellen...
- A/N -
Auf _Ivi_91s Wunsch hin, habe ich heute ausnahmsweise noch ein drittes Kapitel hochgeladen. Als vorzeitiges Weihnachtsgeschenk sozusagen. Ich hoffe, ich konnte euch damit eine Freude machen! :)
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In you I found remedy
Teen Fiction[Abgeschlossen] Mir ist danach, dich besser kennenzulernen. Vielleicht ist das dumm, naiv, aber..." Doch sie unterbrach mich: „Was möchtest du denn wissen?" „Das ist eine gute Frage. Nicht nur die Basics zumindest. Also schon auch, aber mehr noch, w...