#21 Gedankenkarussell

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POV Lucrezia Villani

Was dachte ich mir nur immer dabei? Wie hatte ich meine Schülerin schon wieder anfassen können?! Das war nicht nur sowas von illegal und würde mich sofort den Job kosten und ziemlich sicher ins Gefängnis wandern lassen, wenn das rauskäme, es war auch noch dazu überhaupt nicht meine Art! Gut, ich war dominant. Ich mochte das und das würde auch immer so bleiben. Aber eine Schülerin?! Normalerweise hatte ich etwas mit einer Frau und am nächsten Morgen war ich wieder weg. Oder sie, je nachdem, bei wem wir es trieben. „Lucrezia, verdammte Scheiße, das muss aufhören!", schrie meine Vernunft. „Aber Lucrezia, es hat ihr doch auch gefallen!", schrie der Wahnsinn. Und genau das war es, was mich so fertig machte. Sie hatte meine Berührungen genossen. Hatte sich mir völlig unterworfen und sich mir hingegeben. Freiwillig! Sie hatte sogar von sich aus um einen Kuss gebeten, ja schon regelrecht gefleht! Und doch war das anders gewesen, als bei all den Frauen zuvor. Sie hatte etwas in mir geweckt, das ich nicht wieder zum Schlafen brachte, so sehr ich mich auch bemühte. Ich wollte sie unter mir sehen. Sie nach Luft ringen hören, nachdem ich es ihr ordentlich besorgt hätte. Ich wollte sie berühren. Sie um den Verstand bringen. Ich wollte sie.

„Lucy, warum bist du denn heute so abwesend?", fragte mich meine beste Freundin gerade, mit der ich mich in unserer Lieblingsbar getroffen hatte, damit ich endlich auf andere Gedanken kommen könnte. Funktionierte ja toll... „Ich bin nicht abwesend", murrte ich ein wenig demotiviert, was mir von ihr nur einen zweifelnden Blick einbrachte. „Ach Mensch, ich hatte einen harten Tag und muss noch unglaublich viel korrigieren, wo ich mich doch eigentlich am liebsten nur betrinken möchte", versuchte ich erneut, sie zu überzeugen, was diesmal schon besser klappte. Ohne dass ich es verhindern hätte können, hatte sich Clara bereits über die Theke zum Barkeeper gelehnt und uns noch zwei weitere Mojitos bestellt. Ich blickte mit diesem Dein-Ernst-Blick zu ihr, doch nahm das Getränk dann dankbar an. „Prost! Auf einen tollen Abend, ohne die Gedanken bei der Arbeit zu haben!", rief sie und ich lächelte mild und stieß dann mit ihr an. "Ohne die Gedanken bei meiner Schülerin zu haben, meint sie wohl...", spukte es durch meinen Kopf.

Es war bereits spät, als ich aus dem Taxi stieg. Wir hatten noch relativ viel getrunken und im Endeffekt sogar gelacht. Ich hatte Lexi den restlichen Abend über recht gut ausblenden können. Als ich aber gerade die Treppe zu meiner Wohnung hochstieg, wanderten meine Gedanken wieder zu ihr. Wie hatte sie den Abend wohl verbracht? Es war bald Anfang Oktober. Wurde es in ihrer Hütte nicht langsam ungemütlich? Und wieso wohnte sie gerade nicht bei ihrer Mutter? Nur weil die einen neuen Freund hatte? Das war doch kein Grund, gleich abzuhauen, oder? „Naja, auch das finde ich noch heraus", murmelte ich leise und schloss dann ein wenig unbeholfen die Wohnungstür auf. Vielleicht ergab ja irgendwann alles Sinn. Bis jetzt wusste ich nur eines: Dieses Mädchen verbarg etwas vor der Außenwelt und dabei handelte es sich keineswegs nur um ihre Sexualität.

Es war nun wieder Montag und ich hatte am Wochenende wirklich noch alles erledigt, was ich mir vorgenommen hatte. Zumindest was meine Arbeit betraf. Mir Lexi und ihre Art aus dem Kopf zu schlagen, war nicht wirklich geglückt. „Jetzt ist sie auch schon mein erster Gedanke am Morgen!", dachte ich und schüttelte genervt meinen Kopf. Was passierte nur mit mir?

Ich hatte beschlossen, meine Laufrunde heute wieder ausfallen zu lassen. Es war nämlich nebelig und kalt draußen – typisches Herbstwetter eben. Da hatte ich wirklich keine Lust, mich hinauszubegeben, um Sport zu treiben. So war eben ich ein wenig länger in meinem kuscheligen Bett geblieben, bevor ich mich dann endgültig auf den Weg zur Schule machte. Die Straßen waren an diesem grauen Morgen stark befahren und ich kam aufgrund der schlechten Sicht nur langsam voran. Ich hätte schon schneller fahren können, doch ich wollte das Leben meines Audis nicht durch meine gedankenverlorene Art riskieren.

Am Lehrerparkplatz angekommen, parkte ich mein Heiligtum, schnappte mir meine Unterrichtsutensilien und war gerade auf dem Weg ins Gebäude, als ich plötzlich Stimmen hörte. Wo kamen die denn nun her? Ich war heute deutlich früher da als sonst, normalerweise sollte um diese Zeit doch noch alles ruhig sein! Ich hielt inne und horchte gespannt, bis ich erkannte, dass es sich dabei definitiv um eine Auseinandersetzung hinter der Schule handelte! Ohne länger darüber nachzudenken und von meinem überaus stark ausgeprägten Pflichtbewusstsein geleitet, machte ich kehrt und stapfte schnellen Schrittes zum Ort des Geschehens. Ehe ich mich versah, erkannte ich auch schon, wer sich da gerade prügelte. War ja klar... „Auseinander! Sofort!", brüllte ich. Ich war ausgesprochen gereizt. Was dachte sich Lexi nur dabei, einen sicher zwei Köpfe größeren Jungen anzupöbeln?! Das konnte doch gar nicht gutgehen! „Ich sagte auseinander! BEIDE!" Erst jetzt schienen sie mich zu bemerken. Lexi hatte gerade einen gezielten Schlag abgekriegt, durch den ihre Unterlippe aufgeplatzt war. Das musste echt wehtun, doch sie ließ sich nichts anmerken. Sie ließ sich nie etwas anmerken, da waren wir uns beide echt ähnlich. Der Junge schien trotz seiner Größe hingegen auch nicht unversehrt geblieben zu sein. War meine Schülerin wirklich so stark? „Was sollte das eben?! Spinnt ihr?", wollte ich nun in strengem Ton von den beiden wissen. Erst jetzt identifizierte ich den Jungen als Brandon, den Mädchenschwarm aus Lexis Parallelklasse. Es war bis ins Konferenzzimmer durchgedrungen, dass ihm alle nachliefen, immerhin war er sportlich und muskulös. Das zog einfach gestrickte Mädels, die es hier zuhauf gab, natürlich an. „Ich habe euch etwas gefragt, antwortet mir verdammt nochmal!", entfuhr es mir nun scharf. „Ich denke, Sie fragen besser diesen werten jungen Mann hier, was los ist", entgegnete mir Lexi verärgert. Ich runzelte die Stirn, wandte mich dann aber an ihn: „Also?" Er funkelte meine Schülerin böse an und meinte dann nur: „Sie müssen sich nicht in unsere Angelegenheiten einmischen." Jetzt reichte es mir. „Ich bin Lehrerin und ihr richtet euch auf dem Schulgelände zu wie wilde Tiere! Ich muss mich leider sehr wohl in eure kindischen Angelegenheiten einmischen, auch wenn es mir anders natürlich weitaus lieber wäre. Aber da würde ich dann wohl meinen Job verlieren und das riskiere ich nicht wegen zwei Teenagern, die einen Konflikt nicht mit Worten austragen können!" Lexi starrte mich nur an, Brandon trat nach dieser Ansage meinerseits einen Schritt zurück. Da er mir aber immer noch nicht sagen wollte, was los war, seufzte ich genervt auf und bat dann im Endeffekt beide, mir zu folgen. Ich würde sie zur Direktorin bringen, dann hätte ich meinen Part wenigstens ordnungsgemäß erledigt. Warum mussten Montage nur immer so schrecklich beginnen?!

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