#37 Unüberlegte Handlungen und deren Folgen

2K 118 14
                                    

POV Lucrezia Villani

„Ich hoffe, ihr hattet alle schöne Ferien?" Ich sah nur, wie meine Schüler miteinander tuschelten. Gut, ich konnte es ihnen nicht verübeln, immerhin hatte ich noch nie so einen Satz von mir gegeben und das hätten sie mir vermutlich auch nicht zugetraut. Doch dass das Getuschel in Geschwätze umschlug, nervte mich. Ich war heute zwar grundsätzlich ausgesprochen gut drauf, denn ich war neben Lexi aufgewacht und wir hatten sogar noch gemeinsam gefrühstückt, doch dass meine gesamte Autorität gerade dabei war, sich zu verabschieden, das passte mir gar nicht. „Ich habe euch nicht die Erlaubnis zum Quatschen gegeben! Wenn jemand etwas zu sagen hat, dann einzeln, laut und auf Italienisch!", donnerte meine Stimme ein wenig zu gereizt durch den Klassenraum. Mein Blick blieb an Lexi hängen, die wie der Rest der Klasse zusammengezuckt war und mich nun aus großen Augen ansah. Verdammt, war das süß. Doch ich durfte mir nichts anmerken lassen und so meinte ich: „Fräulein Falkner, wollen Sie vielleicht gleich beginnen? Was haben Sie in Ihren Ferien erlebt?" Okay, es war minimal unfair, ausgerechnet sie das nun zu fragen, doch ich hatte ein Image zu wahren und dieses beinhaltete eben meinen Unmut gegenüber dieser einen Schülerin. „Io... Io... Ho passato... Warum muss ich jetzt was sagen, verdammt?! Ich hab nicht mal geredet vorhin!", entgegnete sie mir wirklich angepisst. „Toll, Lucrezia, du hast deine Freundin verärgert", dachte ich. Aber jetzt konnte ich auch keinen Rückzieher mehr machen, schon gar nicht, nachdem sie mich so angefaucht hatte. „Das Leben ist eben nicht immer fair. Und durch diese Aussage jetzt haben Sie sich das Sprechen sogar selbst verdient. Los, che cosa ha fatto durante le vacanze?" Sie schnaubte nur zornig und blickte in die verwunderten Augen ihrer besten Freundin. Dann flüsterte diese ihr etwas zu, woraufhin Lexi nur mit den Schultern zuckte, mich böse anfunkelte und... von ihrem Platz aufstand! Was hatte sie denn jetzt bitte vor? Sie steuerte geradewegs die Tür an. Als sie an mir vorbeikam, raunte ich ihr gefährlich zu: „Zügel dein Temperament, Madame." Doch sie lief einfach an mir vorbei und schlug die Tür hinter sich zu. „Noch jemand, der sich seine Note durch unüberlegte Aktionen verschlechtern möchte?", fragte ich nun mindestens genauso genervt an die Klasse gerichtet. Stummes Kopfschütteln. Na ging doch. „Sehr schön, dann beginnen wir mit dem Stoff. Schlagt eure Bücher auf Seite 70 auf und lest euch mal die grüne Infobox durch. Dann werde ich euch ein Arbeitsblatt austeilen und überprüfen, wo ihr in Hinblick auf dieses Grammatikkapitel steht."

Die Stunde war nun beinahe vorbei, doch Lexi hatte die Klasse nicht wieder betreten. Ich war immer noch zornig auf sie. Wie konnte sie sich nur so kindisch verhalten?

*drrrrr* Unsere unglaublich nervtötende Glocke riss mich aus meinen Gedanken. Noch bevor ich zusehen konnte, hatten beinahe alle Schüler die Klasse verlassen, sodass ich nicht mal mehr die Hausübung aufgeben konnte. Tina schlich an mir vorbei und schielte mich von der Seite aus an. Mann, was musste die denn so komisch gucken? Es war immerhin ihre beste Freundin gewesen, die meine Laune in den Keller sinken hatte lassen.

*wums* Die Tür fiel erneut ins Schloss. Ich hatte mich noch nicht mal umgedreht, da stand schon eine wütende Lexi neben mir. „WAS SOLLTE DAS VORHIN BITTE?!" Sie machte mir Vorwürfe? „Das tust du gerade nicht. Du drehst nicht gerade alles um und tust so, als wäre ich die Böse! Wer konnte denn seine Klappe nicht halten und ist dann aus der Klasse gestürmt?!" Ich war sauer. Stinksauer. Doch ich versuchte, mich zusammenzureißen. „Du hast mich verdammt nochmal drangenommen, um über meine Ferien zu reden! Was hätte ich denn sagen sollen?", sie senkte ihre Stimme ein wenig, „Dass ich mit meiner Lehrerin in der Toskana in einer Ruine gevögelt habe?!" Wow. Das saß. „Halt doch die Klappe! Wenn das jemand hört, bin ich geliefert!" „DU?! Du bist geliefert? Schon mal daran gedacht, dass das dann uns beide betreffen würde? Unsere Beziehung?! Du denkst immer nur an dich! Meine Gefühle sind dir dabei vollkommen egal!" Sie wollte gerade wieder verschwinden, da hielt ich sie an ihrem Handgelenk zurück: „Hey, jetzt warte doch, du weißt genau, wie ich das meine..." „Ach lass mich doch einfach in Ruhe...", fauchte sie und wandte sich ab. Mir platzte erneut der Kragen. Sie wollte doch gar nicht mit sich reden lassen! „Verdammt, jetzt verhalte dich doch nicht so kindisch!", rief ich empört. „Kindisch?! Ach so ist das, ich bin dir zu kindisch! Na dann solltest du dir vielleicht jemanden in deinem Alter suchen!" Das waren ihre letzten Worte gewesen, bevor sie aufgebracht aus der Klasse rannte. Ich wusste, dass sie wütend war und ich wusste auch, dass das für sie gefährlich werden konnte, doch ich war wohl nicht die Person, die ihr jetzt helfen konnte. Was sollte ich nun bloß machen? Kurzerhand verließ auch ich den Raum und machte mich schnellen Schrittes auf den Weg zum Konferenzzimmer.

In you I found remedyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt