#45 Distanziert und professionell

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POV Lexi Falkner

„Ja gut, das verstehe ich schon, aber irgendwie bereitet mir das trotzdem Sorgen..." Lucrezia hatte mir gerade vom Rest des Gesprächs mit der Direktorin berichtet und ich musste zugeben, dass mich das nicht wirklich beruhigte. Klar, sie hatte mir versichert, dass sie die Idee mit der Fake-Freundin sofort wieder verworfen hätte und das niemals machen würde, doch allein die Tatsache, dass sie überhaupt einen Moment lang darüber nachgedacht hatte, bereitete mir Unbehagen. „Ich hab dir jetzt schon sicher zehnmal versichert, dass ich dich liebe und keine andere", erklärte sie nun erneut, „und das wird auch so bleiben." Wenn sie das so sagte, klang das wirklich so, als könnte uns nichts und niemand trennen, doch so sicher war ich mir da um ehrlich zu sein nicht. „Ich habe eine Idee, wie ich uns aus dieser Misere herausholen kann", kam es plötzlich von ihr. Ich blickte Lucy fragend an, doch sie hielt ihren Blick weiterhin auf die Straße gerichtet. Wir waren gerade auf dem Weg zu ihrer Wohnung. Sie hatte mit mir vorhin noch ausgeredet, dass sie mich hinter dem Supermarkt abholen würde, um zu ihr zu fahren, ich war nämlich mit Tina und Tobi noch in einem Lokal gewesen. „Teilst du mir diese Idee auch mit oder lässt du mich dumm sterben?", fragte ich ein wenig genervt, woraufhin sie mich kurz stirnrunzelnd musterte und dann antwortete: „Naja, sie hat mich nur gefragt, ob ich eine Freundin habe, sie hätte mich nämlich mit einer Frau gesehen. Das muss aber nicht heißen, dass ich mit dieser Frau zusammen bin! Es kann genauso gut einfach nur ein One-Night-Stand gewesen sein, oder?" Ich musste mein Schmunzeln unterdrücken. „So ist das also, ein One-Night-Stand?" Sie rollte mit den Augen: „Du weißt, dass du viel mehr als das bist. Aber das muss unsere werte Direktorin ja nicht erfahren." Nun lachte ich wirklich los. „Jaja, schon klar, wobei ich zugeben muss, dass ich anfangs nicht mal erwartet hätte, dass wir auch nur eine Nacht miteinander verbringen würden. Und das nicht, weil du meine Lehrerin bist, sondern in erster Linie deshalb, weil du so abweisend mir gegenüber warst." Sie zuckte mit den Schultern und meinte nur: „Man weiß nie, was das Leben so bringt..." Dann legte sie ihre freie Hand auf meinen Oberschenkel und begann, darauf auf- und abzustreicheln. Sie näherte sich immer weiter meiner Mitte und mich durchfuhr ein Zucken. Es war unglaublich, dass sie nach all dieser Zeit und den Nächten, die wir schon nackt verbracht hatten, immer noch diese Wirkung auf mich und meinen Körper hatte. Ich presste meine Lippen aufeinander. Das war mein verzweifelter Versuch, meine Beherrschung wiederzuerlangen, doch je fordernder ihre Hand an meinem Schenkel wurde, desto schwerer wurde das. Im Endeffekt entkam mir ein Keuchen, das mir beinahe peinlich war, doch Lucy grinste nur zufrieden, ohne dass sie ihre Augen vom Geschehen außerhalb des Fahrzeugs nahm und entfernte ihre Hand dann von mir. „Ich hasse dich", entfuhr es mir verärgert. Sie konnte mich nicht immer anmachen und mich dann einfach hängenlassen! „Tust du nicht", entgegnete sie nur schmunzelnd. Ja, sie hatte recht, das tat ich nicht, aber im Moment wollte ich einfach nur... sie! Ich wollte sie, am besten hier und jetzt. „Ach Tesoro, ich muss auch schalten, weißt du? Das macht man so beim Autofahren." Ich fühlte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. „Äh... Ja, schon klar...", stammelte ich nervös. Ich wollte nicht, dass die Situation irgendwie komisch wurde, doch wir waren zusammen, also durfte ich wohl auch ohne schlechtes Gewissen angeturnt sein, wenn meine Freundin mich berührte, oder? „Hey, wieso bist du denn jetzt so eingeschüchtert? So kenne ich dich doch gar nicht!", fragte Lucrezia mich ehrlich verwirrt, doch ich war nicht in der Lage, ihr zu antworten. Ich hatte ja selbst keine Ahnung, wo diese Unsicherheit plötzlich herkam. So zuckte ich nur mit den Schultern und schwieg die restliche Fahrt über, die glücklicherweise nur noch wenige Minuten dauerte. Diese Frau machte mich einfach verrückt.

Es war nun Freitag und heute stand das erste Treffen mit Herrn Schmied und Lucy an, was mich zugegebenermaßen sehr nervös machte. Wie sollte ich mich nur verhalten? Und würde Lucrezia seriös bleiben können? Ich wusste, dass sie das besser konnte als ich, sie übte das immerhin täglich und das nicht erst seit ich an ihrer Schule war. Trotzdem traute ich mich zu behaupten, dass es auch ihr nicht leichtfallen würde, neben mir vollkommen cool zu bleiben. Ich stapfte gerade Richtung Konferenzzimmer, vor dem wir uns treffen würden und versuchte krampfhaft, meine zitternden Hände zu beruhigen. Dann schwang auch schon die Tür auf und eine verdammt gefasste Frau Villani trat mir ohne jegliche Regung ihrer Gesichtszüge entgegen. Hinter ihr folgte auch schon ihr Kollege und sie meinte kühl: „Im ersten Stock ist ein leeres Klassenzimmer. Gehen wir da hin, dort haben wir unsere Ruhe."

„Okay, wir haben zumindest schon das Datum, das steht und die Tatsache, dass wir uns ein Theaterstück ansehen und ins Museum gehen. Was meinen Sie, Frau Falkner? Welche Aktivitäten würden Ihre Mitschülerinnen und Mitschüler noch begrüßen?" Ich schluckte. Sie war so distanziert, diese Seite an ihr war irgendwie furchteinflößend. „Boah, ahm... Vielleicht könnten wir zum Christkindlmarkt auch gehen? So für das Weihnachtsfeeling meine ich..." Ich hatte wirklich keine Ahnung, was ich sonst noch vorschlagen sollte. Den Weihnachtsmarkt hatte ich mit Tina besprochen. Doch weitere Ideen? Die hatte ich nicht und ich hoffte inständig, dass Lucrezia mich nicht bloßstellen würde. „Ja, das klingt ganz gut. Das hätte ich mir auch gedacht. Sonst noch Ideen?" Mein Puls begann zu rasen. Sie sollte das nicht fragen, das brachte mich aus dem Konzept! Doch noch bevor ich überhaupt zu stottern beginnen konnte, beantwortete sie ihre Frage selbst: „Okay, ich denke, das ist dann wohl ein Nein." Dann wandte sie sich Herrn Schmied zu und die beiden beredeten irgendetwas mega lehrerhaft Klingendes. Oft strahlte sie einfach diese typischen Lehrervibes aus. Diese Autorität gemischt mit der Art zu reden und generell einfach zu gehen, sich zu bewegen. All das war so lehrerhaft, dass ich mich fragte, ob das wirklich die Frau sein konnte, in die ich mich verliebt hatte und mit der ich eine geheime Beziehung führte. Doch spätestens als ich über das Wort „geheim" genauer nachdachte, wurde mir wieder klar, dass es ganz genau diese Frau war. Die Frau, die für mich so viel riskierte. Und während ich so in Gedanken versunken vor mich hin grübelte, musste ich sie wohl angestarrt haben, denn plötzlich spürte ich einen leichten Tritt gegen mein Bein, das unter dem Tisch versteckt war und dann schaute sie mich schon eindringlich an. Ich musste mich bemühen, nicht rot zu werden, doch so schnell, wie der Moment gekommen war, war er auch schon wieder vorbei. „Dann treffen wir uns nochmal, um den Zeitplan zu erstellen und falls Ihnen noch etwas einfällt, Frau Falkner, dann lassen Sie es uns wissen", beendete Schmied unser Treffen und kurze Zeit später war ich auch schon auf dem Weg zur Bushaltestelle, da Lucy sich jetzt noch mit ihrer besten Freundin treffen würde. Knapp bevor ich das Schulgebäude verlassen konnte, hörte ich jedoch etwas, das mich außerordentlich stutzig machte: „Wir könnten ja mal was trinken gehen, wenn du möchtest... Ich meine, ganz ungezwungen und außerhalb dieser schulischen Atmosphäre..." Es war die Stimme meiner Direktorin und obwohl ich nicht wusste, mit wem sie redete, bekam ich ein ungutes Gefühl. „Ich... Ja, sicher. Also... Bei mir ist nur in nächster Zeit ein wenig schlecht, ich muss viel vorbereiten und korrigieren und eben den Ausflug für die Achten planen..." Mein Atem stockte. Es war meine Freundin, die da antwortete. Meine Freundin, die... gerade irgendwie einem Date mit Frau Weinberg zugestimmt hatte?! Das durfte nicht wahr sein. Warum machte sie das? Ich meine, sie hätte ihr klipp und klar sagen können, dass sie nicht interessiert war! Wieso hatte sie nicht... Stopp. War sie denn interessiert? Frau Weinberg war nur ein wenig älter als sie selbst und würde auch vom Beruf her viel besser zu ihr passen. Und wer war ich? Bloß ihre 18-jährige Schülerin, die ihr sonst nichts zu bieten hatte. Ich musste wohl akzeptieren, früher oder später abserviert und ersetzt zu werden. Doch es tat weh. Es versetzte meinem Herzen einen Stich.

Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, machte ich auf der Stelle kehrt und rannte beinahe in die Richtung, aus der die Stimmen gekommen waren. Keine Ahnung, mit welchem Ziel, aber außer der Angst und der Enttäuschung überkam mich gerade noch eine unsagbare Wut. Und das war bei mir wirklich nicht vorteilhaft. Ich konnte beinahe fühlen, wie sich jeder klare Gedanke aus meinem Kopf verabschiedete und so rannte ich einfach in die Richtung des Ganges und hielt erst an, als ich direkt vor den beiden stand. Bevor ich noch etwas sagen konnte, warf mir Lucrezia einen eindeutigen Blick zu, der mir vermittelte, dass ich jetzt besser die Klappe halten sollte. Meine Wut schlug umgehend in Verwirrung um und ich stand einfach nur mit geöffnetem Mund da, keinen Plan mehr, was ich sagen sollte oder wollte. Die Direktorin musterte mich mit gerunzelter Stirn und auch meine Freundin hatte wieder diesen überaus professionellen Blick aufgesetzt, der mich erschaudern ließ, so kalt war er. „Können wir Ihnen helfen?", fragte sie dann und ich dachte umgehend wieder an die Vorstellung der beiden als Paar. Wir. Können wir Ihnen helfen. Mir wurde übel und ich wollte nur noch hier weg, doch es würde verdammt komisch rüberkommen, wenn ich einfach ohne ein Wort wieder umdrehte und so riss ich mich zusammen und meinte nur: „Mir ist noch etwas eingefallen bezüglich des Ausflugs..." Da Lucy sicher gemerkt hatte, wie neben der Spur ich war und dass mir selbst dieser Satz schon schwergefallen war, machte sie es mir zum Glück leicht und meinte: „Können Sie morgen in der Früh zum Konferenzzimmer kommen? Dann sprechen wir da darüber, ich habe heute nämlich leider noch einen Termin und müsste jetzt wirklich los." Ich atmete kaum merklich durch und war froh, dass ich aus dieser Situation wieder raus war, doch irgendetwas sagte mir, dass das Thema noch nicht erledigt war und dass Lucrezia mich nochmal auf mein Verhalten ansprechen würde. Das konnte mir jedoch erstmal egal sein, jetzt war es nur wichtig, dass ich endlich diese Schule verließ und mit ein wenig Glück den Bus noch erwischte.

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