#20 Aufwühlen, abkühlen...

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POV Lexi Falkner

Ich wurde von den Sonnenstrahlen geweckt, die durch die Bäume außerhalb der Hütte direkt auf mein Sofa fielen. Heute war Freitag. Gleich zwei Stunden Sport mit Villani standen an. Wollte ich da wirklich hin? Und war es so eine gute Idee, vorher noch laufen zu gehen? Ich überlegte kurz, entschied mich dann aber im Endeffekt dafür, denn würden wir heute wieder Geräteturnen, würde ich sowieso nicht mitmachen. Es würde meine Mitschülerinnen nur unnötig wundern, auch wenn mir deren Meinung grundsätzlich egal war.

Ich hatte gerade mein Tempo erhöht, als ich auf einmal meine Lehrerin erspähte, die wohl auch wieder mal ihre Runde drehte. Ich wollte es vermeiden, mit ihr sprechen zu müssen und so lief ich schneller, um an der Weggabelung verschwinden zu können, doch da hatte ich die Rechnung offenbar ohne sie gemacht. „Guten Morgen, Lexi!", rief sie. Ich wurde langsamer, überlegte, ob ich mich wirklich umdrehen sollte, doch dann entschied ich mich dazu, einfach davonzurennen. Sie war doch abweisend gewesen, nicht ich.

Ich hatte soeben wieder meine Hütte erreicht, wenn auch genervt darüber, dass meine Runde heute so kurz gewesen war. Doch gerade als ich durch die alte Holztür ins Innere meines Schlafgemachs verschwinden wollte, hörte ich erneut ein Rufen: „Lexi, bitte. Wir sollten wirklich reden." Ich drehte die Augen über, doch wandte mich ihr dann trotzdem zu. Sie würde mir ansonsten nur folgen und das brauchte ich nun wirklich nicht. „Hey... Was machst du hier?", wollte sie neugierig wissen und bestaunte die Holzhütte. „Ich... wohne hier momentan", gab ich nur zurück, doch anstatt nachzubohren, meinte sie nur: „Du bist immer wieder für Überraschungen gut, weißt du das?" Ich runzelte die Stirn, sie lächelte mich aber einfach an. Ganz freiwillig! Am Morgen! „Jetzt hab dich nicht so. Ein Lächeln hat noch keinem geschadet." Versuchte sie mir gerade wirklich zu erklären, dass ich öfter lachen sollte? Sie? Die Eiskönigin in Person? „Das sagt die Richtige", schmunzelte ich. Eigentlich hatte ich erwartet, dass mich ihre Gegenwart nerven würde, doch im Gegenteil. Ich fühlte mich irgendwie wohl in ihrer Nähe. „Wollen Sie... ähm... vielleicht mit reinkommen? Ich kann... Kaffee anbieten", schlug ich ihr vor, bevor ich überhaupt darüber nachgedacht hatte. Sie schien zu überlegen. Ernsthaft abzuwägen, ob es in Ordnung wäre, mit ihrer Schülerin zu frühstücken. Dann legte sich jedoch wieder dieses freundliche Lächeln auf ihre Lippen und sie nahm mein Angebot an.

„Ich will dir ja nicht zu nah treten, aber warum wohnst du in einer halb verfallenen Hütte im Wald?" Ich hatte geahnt, dass diese Frage noch kommen würde und trotzdem hatte sie mich unvorbereitet getroffen. Anstatt ihr zu antworten, stellte ich frech eine Gegenfrage, für die ich mich im nächsten Moment am liebsten geohrfeigt hätte: „Seit wann wollen Sie mir nicht zu nah treten?" Ich biss mir gleich darauf auf die Zunge, um nicht noch etwas noch Dümmeres hinzuzufügen. Ihr Blick blieb jedoch emotionslos und nach einer Weile sagte sie nur: „Du hast mir meine Frage nicht beantwortet." Insgeheim war ich froh darüber, dass sie meine Meldung nicht weiter kommentiert hatte, doch ich wusste, dass sie sie trotzdem genau gehört hatte und dass sie sicher noch lange darüber nachdenken würde. „Sie ist gar nicht so verfallen, wie Sie tun. Sie ist nur alt." „Beantwortet meine Frage immer noch nicht", gab sie mit hochgezogener Augenbraue zurück. Ich seufzte und erklärte ihr: „Kurzfassung: Mein Leben hasst mich momentan und meine Mutter hat noch dazu plötzlich einen neuen Freund, der direkt bei uns einziehen soll." Nun waren beide ihrer Augenbrauen hochgezogen: „Und dir passt das nicht?" Ich überlegte. „Nein. Also, es wäre mir egal, aber ich bin momentan nicht gut auf meine Mutter zu sprechen, weil... Warum erzähle ich Ihnen das eigentlich?", ich hatte mich mitten im Sprechen gestoppt. Sie gab mir irgendwie das Gefühl, als sei sie mein Rückzugsort. Konnte aber auch daran liegen, dass sie sich in meinem Rückzugsort befand. Ich nahm einen Schluck von meinem Kaffee, während sie wieder sprach: „Das weiß ich nicht, aber ich bin ehrlich froh, dass du es tust... Du wirst es nicht glauben, aber Reden hilft." „Sie klingen wie meine Therapeutin", rutschte es mir heraus und spätestens nach dieser Aussage hätte ich meinen Kopf gerne gegen die Wand geknallt. Sie musterte mich ein wenig überrascht, sagte aber nichts dazu. Das machte mich irgendwie nervös. „Worüber denken Sie nach?", traute ich mich nun, dem auf den Grund zu gehen. „Ich habe gerade an meine beste Freundin gedacht. Sie ist ebenfalls Psychotherapeutin. Meine ganz persönliche, wenn du es so haben willst", antwortete sie mir und... lächelte wieder! Ich war verwundert. War das gerade ein Versuch gewesen, mir ein besseres Gefühl zu geben, weil ich in Therapie gewesen war? Ich wusste nicht, ob ich das nett oder armselig finden sollte. Ich konnte eh nichts daran ändern, ich hatte die Therapie ganz dringend gebraucht nach Julies Tod. „Danke für den Kaffee, ich muss jetzt wieder los, sonst komme ich heute zu spät und das wollen wir ja nicht", zwinkerte sie mir zu. Ich wusste nicht, was ich antworten sollte, dann plötzlich schien es mir die perfekte Gelegenheit, sie nach dem Plan für die heutige Turnstunde zu fragen: „Werden wir heute wieder Geräteturnen?" Sie schaute sich nochmal in der Hütte um und gab abwesend zurück: „Wieso fragst du?" Ich dachte nach. Sollte ich das wirklich sagen? „Naja, ich will nicht turnen, das würde nur unnötige Fragen aufwerfen. Ich will mich aber auch nicht dumm weigern... Also, turnen wir heute wieder? Dann bleib ich nämlich gleich hier." Und sie... lachte! Das wurde ja immer suspekter. „Du wirst schön auftauchen, Fräulein. Und nein, ich hatte mir schon gedacht, dass du nicht turnen wollen würdest. Für heute ist Ausdauertraining geplant." Ich war erleichtert. Sie kannte mich mittlerweile wirklich gut und das war auf eine gewisse Weise beängstigend. „Bis dann!", verabschiedete sie sich noch und verließ dann meine Hütte.

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