#23 Erzähl mir alles

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POV Tina Sommer

Ach, was machte Lexi nur immer für Sachen. Ich wusste genau, dass sie nichts mit Drogen zu tun hatte und die Suspendierung damit mehr als ungerecht war, doch meine beste Freundin schaffte es einfach immer wieder, sich in für sie echt unvorteilhafte Situationen zu bringen. Dass dieser Brandon damit nicht davonkommen würde, war mir leider auch klar. Natürlich fand ich das mindestens genauso unfair und er sollte zumindest ebenso eine Strafe erhalten, doch ich befürchtete, dass Lexi sich damit allein trotzdem nicht zufriedengeben würde. Sie war eine Person, die Rache verübte, wenn ihr jemand Unrecht tat.

Ich wartete gerade auf eine Nachricht von ihr. Sie sollte heute eigentlich den Freund ihrer Mutter kennenlernen und hatte mir versprochen, ihm eine Chance zu geben. Sie würde sich auch gleich bei mir melden, wenn es vorbei wäre und mir bei einem Spaziergang dann alles persönlich erzählen.

Wir treffen uns an der Weggabelung. Ich gehe jetzt weg. Bis gleich...

Klingt ja nicht besonders gut... Ich ziehe mir noch was Wärmeres an und komme dann hin.

Ich war echt gespannt auf ihre Schilderung, weshalb ich mich wirklich beeilte. „Tschüss, Papa, ich treffe mich mit Lexi!", rief ich noch und verließ dann auch schon hastig das Haus.

„Erzähl mir alles und von vorne", forderte ich sie nun auf. Wir waren gerade Richtung Wald abgebogen und Lexi atmete einmal tief durch, bevor sie zu sprechen begann: „Also vorab mal, du hattest recht, es war gar nicht so schlimm... Er heißt Gerald und ist eigentlich ganz nett. Er hat mir viel von seiner Forschungsarbeit erzählt, die er in Island betrieben hat. Hat auch was mit Wildtieren zu tun, dabei hat er Mama und ihr Team kennengelernt." Ich lächelte sie an: „Also ist es für dich in Ordnung, dass er mit deiner Mutter zusammen ist?" Lexi nickte und lächelte mild: „Ja, er macht sie wohl wirklich glücklich. Solange er keinen Keil zwischen uns bringt, akzeptiere ich ihn. Er hat mir sogar angeboten, zu ihm ins Burgenland zu kommen, da er dort ein Ferienhaus hat..." Ich wusste, dass Lexi die weite Ebene dieses Bundeslandes liebte, weshalb mir klar war, dass sie dieses Angebot auch sicher annehmen würde. „Das freut mich ehrlich für dich. Schläfst du jetzt also wieder zuhause?" Sie erklärte mir, dass sie das geplant hatte, jedoch wäre sie immer noch wütend, dass ihre Mutter ihr den Brief nicht gezeigt hatte und immer noch nicht zeigte. „Außerdem weiß Mama noch nichts von meiner Suspendierung..."

Gegen Abend hatten wir beschlossen, dass wir zu dieser Hütte im Wald gehen würden. Sie meinte, sie würde mir diese endlich zeigen wollen. Ich hatte das Gebäude bereits einige Male gesehen, dass Lexi dafür jedoch einen Schlüssel besaß, hätte ich nicht erwartet. Ich hätte generell nicht angenommen, dass man da drin überhaupt übernachten konnte, ohne den Erfrierungstod zu sterben.

„Als ob...", ich staunte nicht schlecht, als ich hinter meiner besten Freundin das kleine Häuschen betrat. „Schon etwas Tolles, oder?", fragte sie glücklich. „Ich hätte mir nicht gedacht, dass es hier so gemütlich ist. Du hast ja sogar einen Herd!" Sie kicherte: „Ja, aber ich kann bekanntlich nicht kochen, da ändert auch der Herd nichts daran." Nun musste ich auch lachen. Wenn jemand miserabel kochte, dann war es Lexi. Aber keineswegs, weil sie zu unfähig war, nein. Sie war schlichtweg zu faul und begnügte sich mit einem Apfel oder Dosenmahlzeiten. „Wie gesagt, ich habe Besseres zu tun, als meine halbe Lebenszeit am Herd zu verbringen." „Echt? Was denn? Du weigerst dich doch auch gegen Dating! Also was machst du in deiner Freizeit, wenn nicht kochen, essen oder Frauen klären?", fragte ich und prustete los. Manchmal fand ich mich selbst einfach zu komisch. Doch dass Lexi darauf so nachdenklich reagierte, machte mich stutzig. „Ich... Ich weiß nicht. Ich bin nicht ganz gegen Dating... Nur eskaliert sowas immer so! Ist ja auch egal, willst du auch einen Tee?" Spätestens jetzt ließ ich nicht mehr locker. Was meinte sie mit diesen Floskeln? „Also das erklärst du mir jetzt mal genauer, meine Liebe!" Sie jedoch schien meiner Fragerei nur auszuweichen und bereitete unglaublich gelassen das Heißgetränk zu, dem ich nicht mal zugestimmt hatte. „Naja, da gibt es eventuell jemanden, aber..." Ich fiel ihr entzückt ins Wort: „Da gibt es jemanden?! Seit wann?! Wie heißt sie? Ist sie heiß? Trefft ihr euch? Steht sie überhaupt auf Frauen?" Lexi wandte sich nur wortlos ab. Sie konnte mich doch jetzt nicht einfach so in der Luft hängen lassen! „Ich weiß es nicht... Ich weiß fast nichts über sie... Nur, dass da nicht mehr sein wird, niemals, selbst wenn sie es wollen würde. Wenn wir es beide wollen würden. Es geht nicht. Darum sollte ich vielleicht doch eher zu kochen beginnen, da habe ich wohl mehr Perspektive..." Ich war verwirrt. „Lebt sie denn weiter weg? Oder wieso meinst du, es kann nichts werden? Wenn zwei Menschen dasselbe fühlen, kann sie gar nichts auseinanderbringen." Sie starrte mich nur an. Nach einer Weile meinte sie: „Ich sagte doch, ich weiß nicht mal, ob sie auf Frauen steht. Und es geht einfach nicht, also lassen wir das bitte. Sollte sich jemals doch etwas entwickeln, lass ich es dich wissen, okay?" All ihre Worte trugen jedoch nur dazu bei, dass ich noch verwirrter wurde. „Ja, ist gut. Aber nur um das noch ganz kurz zusammenzufassen: Du meinst, es kann nie etwas werden. Und das, obwohl ihr euch beide liebt oder ihr euch vielleicht irgendwann lieben könntet... Was hindert euch dann daran?" Lexi aber seufzte nur. Dann meinte sie: „Wenn du es genau wissen willst, das Gesetz und die Gesellschaft. Also lassen wir das jetzt bitte, ich weiß ja selbst nicht mal, ob ich das will. Hier, dein Tee." Ich war bei Gesetz und Gesellschaft hängengeblieben. Lexi war zwar generell noch ungeoutet, doch dass sie meinte, dass das immer so bleiben würde, verstand ich nicht. Und Homo-Ehe war doch zum Glück mittlerweile erlaubt? Trotz der vielen Fragen, die mir im Kopf herumgeisterten, hielt ich jetzt meinen Mund und wechselte das Thema. Ich wusste, dass ich sowieso erst etwas Genaueres aus ihr rausbekommen würde, wenn sie selbst bereit dazu war, mir das mitzuteilen. Es war immerhin Lexi.

Wir waren noch etwa zwei Stunden auf dieser bequemen alten Couch gesessen und hatten über Gott und die Welt geredet, bevor wir aufgebrochen waren. Lexi hatte mir versprochen, dass sie wieder nach Hause gehen und alles mit ihrer Mutter klären würde. So verabschiedete ich mich nun, als wir an ihrem Haus angekommen waren und machte mich ebenfalls auf den Heimweg. Zum Glück wohnte ich nicht allzu weit von hier entfernt. Das hatte ich als Kind schon immer besonders toll gefunden und darüber würde ich mich immer wieder freuen. Und wie ich so nach Hause spazierte, wanderten meine Gedanken wieder zu den heutigen Worten meiner besten Freundin. Irgendetwas kam mir an der Sache nämlich echt ungewöhnlich vor...

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