#64 Für immer fort

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POV Lexi Falkner

Ich hatte die ganze Nacht kein Auge zubekommen. Wieso hatte die Direktorin gemeint, Lucrezia wäre ebenfalls gegangen? Hatte sie etwa gekündigt? Das konnte ich nicht glauben, sie hatte sich in dieser Schule so wohlgefühlt! Andererseits hatte sie etwas mit ihrer Schülerin gehabt, vielleicht war das einfach ihr Schritt gewesen, diesen Fehler hinter sich zu lassen und mich endgültig zu vergessen. Hatte sie darum am Friedhof mit mir reden wollen? Mir vielleicht verkünden wollen, dass wir uns nie mehr wiedersehen würden, weil sie dieses Kapitel hinter sich ließ und ging? Tränen sammelten sich in meinen Augen und meinen gesamten Körper durchfuhr ein Stich. Ich hatte es ihr durch meine Worte dann ja wohl nur noch leichter gemacht. Ihr sozusagen den Freibrief gegeben, endlich zu verschwinden und ein neues, glückliches Leben weit weg zu beginnen. Ein Leben ohne mich. Ob sie nach Italien gegangen war? Oder vielleicht ganz woanders hin? Vielleicht wohnte sie ja trotzdem noch hier nur sie unterrichtete nun an einer anderen Schule. Ein Blick auf meinen Wecker zeigte mir, dass es erst vier Uhr morgens war. Ich hatte gestern noch die Papiere für meinen Schulabbruch zugeschickt bekommen und bereits ausgedruckt, doch noch hatte ich es nicht übers Herz gebracht, diese auch wirklich zu unterschreiben. Irgendetwas hinderte mich noch daran, auch wenn ich wusste, dass ich meinen Namen druntersetzen würde. Lucrezias Abgang änderte nichts an der Tatsache, dass ich durch meine Schwänzerei und meinen psychischen Zustand die Matura sowieso nicht schaffen würde und ich hatte wirklich keine Lust, die Abschlussklasse zu wiederholen, sollte ich gar nicht erst zu den Prüfungen antreten dürfen. Ich brauchte einen Neustart und zwar dringend. Und da passte diese Schule eben einfach nicht rein. Doch um diesen Neustart zu wagen, wusste ich, dass ich zuerst noch herausfinden musste, warum Lucrezia gekündigt hatte. Ich musste mit ihr sprechen. Ein letztes Mal. Mir war schmerzlich bewusst, dass sie mich niemals mehr zurücknehmen würde, doch musste ich einfach erfahren, ob ihre Kündigung etwas mit mir zu tun hatte. Ich war mir darüber im Klaren, dass es unverantwortlich war, was ich gleich tun würde. Dass ich mir und ihr damit keinen Gefallen täte. Doch ich wollte gar nicht länger darüber grübeln und hatte ihren Kontakt auch schon ausgewählt.

Mobilbox. Wieso kam ich gleich auf die Mobilbox? Ich versuchte es nun über WhatsApp, doch ich sah ihr Profilbild nicht mehr! Das konnte nicht wahr sein, das durfte nicht wahr sein! Hatte sie mich ernsthaft blockiert?

Nach einer weiteren halben Stunde, die ich mit Nachdenken und Zweifeln verbracht hatte, hielt ich es nicht mehr aus, ich musste aus meinem Bett. So sprang ich auf, ein wenig zu hastig, wie mir meine verschwimmende Sicht sogleich klar machte, zog mich dann an und verließ das Haus. Meine Mutter würde wohl denken, ich war schon in die Schule verschwunden oder wie früher oft einfach eine Runde laufen gegangen, mein eigentlicher Plan war jedoch ein ganz anderer: Ich musste ein letztes Mal mit Lucrezia Villani reden. Ich musste wissen, wie es weitergehen würde, ansonsten könnte ich nie über sie hinwegkommen. Ich brauchte zumindest einen sauberen Schnitt.

Nach einer guten halben Stunde hatte ich endlich ihr Wohnhaus erreicht. Es war ein kühler Morgen, weshalb ich ein wenig fror und die Wärme im Gebäude tat dementsprechend gut. Ich stieg die Treppen hinauf, indem ich immer eine Stufe ausließ und kam dann vor ihrer Wohnungstür an. Sofort flackerten die Erinnerungsfetzen an unsere Trennung vor meinem geistigen Auge auf und die Zweifel überkamen mich. Was machte ich hier? Ich hatte mir doch selbst geschworen, sie nie wieder sehen zu wollen! Doch irgendetwas hatte mich hierhergezogen und auch jetzt konnte ich dem Drang, endlich zu klingeln und Klartext zu reden, nicht widerstehen. Vielleicht wäre das meine Möglichkeit, mit all dem Drama abzuschließen. Doch ich hielt sofort inne, als die Tür aufschwang und... eine etwa 60-jährige Frau im Rahmen stand, die mich genervt musterte. Mein Atem stockte. „Kann ich Ihnen helfen?" „Ich... äh... Ich suche Lucrezia... Lucrezia Villani, ist sie... ähm... ist sie hier?" Die Dame musterte mich mit einem prüfenden Blick, bevor sie mit emotionsloser Stimme zurückgab: „Ich muss Sie enttäuschen, ich kenne keine Lucrezia Villani." Ich fühlte nun, wie ich alles nur noch ganz weit entfernt wahrnahm. Ich war in einem Delirium, umgeben von ganz viel Watte, die die Realität nicht an mich ranließ. Die Frau sprach noch irgendetwas von wegen fünf Uhr in der Früh und Leute wecken, doch ich drehte mich einfach nur stumm um und stieg die Treppe wieder hinab. Schritt für Schritt. Stufe für Stufe. Es fühlte sich an, als würde ich den Ausgang gar nicht mehr erreichen, mir war, als wäre ich kein Teil meines Körpers mehr, doch irgendwann stand ich vor der großen, weißen Glastür, trat hindurch in die kühle Februarluft und blickte mich verloren um. Sie war weg. Einfach weg. Ich hatte sie verloren. Für immer.


- A/N -

Nachdem dieses Kapitel eher kurz war, überlege ich, heute zu späterer Stunde noch einen Teil hochzuladen. Lasst mich gerne wissen, was ihr davon und von diesem Kapitel allgemein haltet. Nochmal vielen Dank für jedes einzelne Kommentar, es macht mich wirklich happy, zu sehen, dass euch die Story gefällt! :)

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