#25 Was machst du bloß mit mir

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POV Lucrezia Villani

Mittwochmorgen. Ich war einfach nur müde. Gestern hatte ich mich wieder mal mit Clara getroffen und wir hatten auf meinem Sofa mehr als ein Glas Wein getrunken und echt viel gelacht. Manchmal fühlte ich mich nicht so ganz erwachsen, zumindest nicht so erwachsen, wie ich für mein Alter eigentlich sein sollte. Ich konnte natürlich auch seriös, aber wer wollte das schon?

Ich war gerade dabei, mir Frühstück zu machen, als mein Handy klingelte. „Hey, Clara, was gibt's?" „Du hast mir doch gestern von deiner Schülerin erzählt, die du nun trainierst... Heißt sie zufällig Alexandra?" Ich erstarrte. Ich hatte nie einen Namen genannt. Woher wusste meine beste Freundin das? „Ähm... Wie kommst du jetzt darauf?" „Naja, du hast mir ihren Charakter sehr gut beschrieben und als du das mit dem Aggressionsproblem dann auch noch erwähnt hast, musste ich an eine Patientin von mir denken... Die Beschreibung passte wie die Faust aufs Auge und... naja... Es ist mir eben nicht mehr aus dem Kopf gegangen und ich bin jetzt in meiner Praxis und musste gleich nachsehen, wie dieses Mädchen, das ich vor drei Jahren behandelt habe, hieß..." Das durfte nicht wahr sein. Konnte Clara wirklich Lexis Therapeutin gewesen sein? „Okok, das ist mir zu viel am Morgen. Langsam bitte. Wie ist denn ihr Nachname?", wollte ich wissen. „Das kann ich dir nicht sagen, ich sollte dir eigentlich generell nichts sagen, die Schweigepflicht gilt klarerweise auch für mich, aber... Vielleicht sagst du mir ja ihren Nachnamen?" Ich zögerte. Wollte ich das denn wirklich wissen? Wobei, was wäre so schlimm daran? Vielleicht könnte ich so Lexis Geheimnis auf die Spur kommen. „Fa... Falkner." Dann wurde es still in der Leitung und ich zunehmend nervöser. „Ich würde sagen, du passt auf dich auf. Und auf sie am besten auch... Schönen Tag wünsche ich dir!", meinte Clara nur. „Warte mal, ist sie es? Du kannst mir nicht raten, aufzupassen und das Gespräch dann einfach beenden! Noch dazu sehe ich sie gleich in der Schule!" Doch dann ertönte nur ein Piepsen am anderen Ende der Leitung. Meine beste Freundin hatte einfach aufgelegt.

„Buongiorno!", ich hatte wieder mal Lexis Italienischklasse betreten, heute jedoch mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend. Claras Worte hallten immer noch in meinem Kopf nach. Sie hatte mir nicht explizit gesagt, dass ihre Patientin Alexandra wirklich meine Schülerin Lexi war, doch wenn ich im Nachhinein ihre Reaktion analysierte, war das eigentlich ganz klar. Nur warum ich aufpassen sollte, ging mir nicht ein. War sie etwa gefährlich? Oder hatte meine beste Freundin auf mein komisches Verhältnis zu ihr angespielt? Von dem wusste sie doch eigentlich gar nichts. Das hatte ich so direkt gar nie erwähnt. Nur ich selbst wusste, dass irgendetwas zwischen uns in der Luft lag und dass ich, wenn ich einmal meinen Kopf in ihrer Gegenwart ausschalten würde, vielleicht etwas sehr Dummes täte. Also auf mich aufpassen, ja, das tat ich. Aber wieso auf sie? Vielleicht sollte ich nach dem Unterricht echt mal mit ihr reden... Andererseits, was sollte ich schon sagen? Dass meine beste Freundin ihre Therapeutin war und mir geraten hatte, vorsichtig zu sein? So jedenfalls nicht. Schon allein Clara zuliebe, auch wenn diese mir eigentlich nichts verraten hatte. Doch sie hatte irgendwie durch ihr Schweigen mehr gesagt, als wenn sie einfach geredet hätte. „Frau Professor, die Hausübungen. Ich lege sie Ihnen auf Ihren Tisch", meinte Tina gerade. Ach ja, ich befand mich in der Klasse. Fast vergessen. Ich sah auf, scannte den Raum nach diesem einen Gesicht ab. Doch ich konnte es nicht finden. „Fehlt heute jemand?", fragte ich in die Runde, doch niemand antwortete mir. War ich wirklich so einschüchternd? „Ich hätte bitte gerne eine Antwort, wenn ich eine Frage stelle", warf ich ungeduldig nach. „Ähm... Lexi ist noch nicht da, aber ich glaube, die kommt noch", erklärte mir Tina vorsichtig. Das wollte ich mal für sie hoffen. Nur weil wir uns in letzter Zeit echt gut verstanden hatten, konnte sie sich nicht das Recht herausnehmen, meinen Unterricht zu schwänzen. Das sollte sie mittlerweile eigentlich wissen.

Die Tür schwang nochmal auf und ich erwartete bereits, meine liebste Hassschülerin zu erblicken, doch es war nur Max, der stille Junge von ganz hinten, der sich gerade schüchtern für seine Verspätung entschuldigte. Wo war Lexi? „Gut, dann fangen wir mal an. Frau Falkner muss das dann eben nachlernen. Heute besprechen wir den Unterschied zwischen den beiden Zeitformen Passato Prossimo und Imperfetto. Wir werden hauptsächlich auf die Verwendung in der gesprochenen Sprache eingehen." Ich war in dieser Stunde wieder voll in meinem Element. Ich liebte mein Fach und ich wollte es meinen Schülerinnen und Schülern vermitteln. Ich hatte beinahe schon vergessen, dass Lexi nicht da war, doch als ich sie gerade drannehmen wollte, fiel es mir wieder ein. War das gut oder schlecht, dass ich ihre Abwesenheit die gesamte Stunde über ausgeblendet hatte? Ich wusste es nicht.

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