#11 Vom Alltag eingeholt

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POV Lucrezia Villani

Ich war gerade aufgewacht und blinzelte gegen das helle Licht, das durch mein Schlafzimmerfenster fiel. „Fuck, tut mein Kopf weh", dachte ich nur und dann fiel mir auch schon wieder ein, warum das so war. Wir waren gestern dann zwar gleich gefahren, nachdem ich Ludo darum gebeten hatte, doch das änderte nichts an der Tatsache, dass ich bis zu dem Zeitpunkt Unmengen getrunken hatte. Ich hatte so nämlich versucht, die nervtötende Anwesenheit meiner Schülerinnen auszublenden, doch das war mir sowieso mehr schlecht als recht gelungen, wenn man bedachte, dass ich diejenige gewesen war, die sich auf die Suche nach Lexi gemacht hatte. Freiwillig!

Ich wunderte mich kurz, denn normalerweise wäre ich jetzt wütend gewesen, dass sie sich überhaupt in diese Lage gebracht hatte, doch eigentlich war ich eher erleichtert, dass ich früh genug aufgetaucht war und sie so vor weiterem Unheil bewahren hatte können. „Lucy, du Heldin", dachte ich ironisch und schmunzelte, denn wenn ich etwas nicht war, dann eine Heldin. Ich war ein egoistisches Arschloch, immer schon gewesen, das war meine Art, mich von Gefühlen zu distanzieren und mich zu schützen, doch bei diesem Mädchen war ich weich geworden und das störte mich gewaltig. Ich wusste, dass das nichts Gutes zu bedeuten hatte und fasste darum in diesem Moment den Entschluss, mich ihr gegenüber wieder kühl zu verhalten. Sie war meine Schülerin. Eine von vielen. Meine Arbeit. Es stand ihr keine Sonderbehandlung meinerseits zu. Meine Aufgabe war es nur, sie dazu zu bringen, die italienische Sprache zu erlernen.

Ich quälte mich aus meinem Bett und dankte meinem betrunkenen Ich insgeheim dafür, dass es mir gestern noch ein Glas Wasser und ein Aspirin auf mein Nachtkästchen gestellt hatte. Sofort nahm ich die schmerzstillende Flüssigkeit zu mir und machte mich dann auf den Weg in meine Küche. Meine Wohnung war echt groß dafür, dass ich hier alleine wohnte, doch ich konnte mir das locker leisten. Geld hatte ich nämlich wirklich zur Genüge, ich hatte während meiner Studienzeit extrem gespart und mit Modeln nebenbei sehr gut verdient.

Da es ein verregneter Sonntag war, beschloss ich, es mir einfach auf meiner Wohnzimmercouch gemütlich zu machen und einen Film oder eine Serie zu sehen, bis mein Kopf mich wieder klar denken ließe. Am Abend würde ich dann noch die Unterrichtsvorbereitung für die kommende Woche angehen. So kuschelte ich mich in meine violette Flauschedecke und machte den Fernseher an. Ich entschied mich für die Serie „Die Telefonistinnen", die ich auf Italienisch schaute, um den Kontakt zu meiner Muttersprache nicht zu verlieren und legte dann mein Handy auf den kleinen Couchtisch.

Einige Stunden und etwa fünf Folgen später beschloss ich dann aber, mich wirklich an meinen Schreibtisch zu setzen, denn ich hatte mir nun ja auch noch für die neu hinzugekommenen Sportstunden etwas zu überlegen. Sollten wir gleich wieder Geräteturnen? Ich wollte Lexi nämlich unbedingt dazu bringen, zu turnen beziehungsweise herausfinden, ob die anderen von ihrem Talent wussten und was der Grund dafür war, dass sie sich weigerte. Ich hatte bereits in Erfahrung gebracht, dass sie diese Sportart auch bei Sabine stets gemieden hatte, doch bei mir würde sie damit nicht durchkommen. Ich war Lucrezia Villani, ich machte hier die Regeln.

So notierte ich also auf einem karierten Blatt Papier für die beiden Stunden Freitagfrüh die Geräte Minitrampolin und Schwebebalken und plante dann den Deutschunterricht in meiner siebten Klasse. Wir hatten da gerade das Thema Gedichtinterpretation und ich hatte mir überlegt, den Themenbereich „Liebe" in Lexis Klasse auch mit einem Gedicht zu beginnen, so als Einstieg sozusagen. Darum suchte ich mir nun auch eines heraus, das mir zusagte und kopierte es siebzehn Mal.

Es war nun bereits später Abend und ich stellte gerade meine Tasse Tee in die Spüle und machte mich auf den Weg ins Badezimmer, um mich bettfertig zu machen. Mein Kater war im Laufe des Tages wirklich verschwunden, wofür ich meinem Körper ausgesprochen dankbar war, denn ich wusste aus eigener Erfahrung, dass er genauso gut bis morgen andauern hätte können. Ich war mehr als einmal halbtot und mit Sonnenbrille zur Schule gefahren, weil ich am Vortag zu viel erwischt hatte und auf die belustigten Blicke des Kollegiums konnte ich gut verzichten.

Nachdem dieser ermüdende Tag nun endlich vorüber war und ich wider Erwarten wirklich alles geschafft hatte, was ich mir für heute vorgenommen hatte, legte ich mich erschöpft in mein Bett. Ich dachte nochmal kurz an Tina und Lexi und an meinen Plan, Letztere wieder wie immer zu behandeln, dann schlief ich auch schon ein. Mein Körper hatte ein wenig Erholung dringend nötig...


- A/N -

Ein etwas kürzeres und ruhigeres zweites Kapitel heute. Ich wünsche euch nochmal frohe Weihnachten! Das nächste Update kommt morgen. Vielen Dank für euer Feedback und all die Votes, das motiviert extrem! <3

In you I found remedyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt