#36 Nur du und ich

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POV Lucrezia Villani

Wir waren nun wieder auf der Heimreise. Die Woche war schneller vorbeigegangen, als mir lieb war und doch hatte ich sehr viele schöne Momente mit Lexi erlebt. Es kam mir richtig vor, mit ihr in einer Beziehung zu sein. Wir hatten sogar noch Florenz besichtigt und waren dort eine Nacht geblieben, denn ich fand, diese Stadt musste man wirklich einmal gesehen haben. Ich liebte einfach alles an ihr. Die alten Gebäude, die von vergangenen Zeiten zeugten, die Straßen und Gassen, aber vor allem den Dom Santa Maria del Fiore. Er war ein architektonisches Meisterwerk, das ich immer und immer wieder bestaunen konnte. Auch den Piazzale Michelangelo hatte ich meiner Freundin gezeigt, von dort aus hatte man nämlich einen wahnsinnig schönen Ausblick über die gesamte Stadt, da sich dieser auf einem Hügel befand. Wir hatten ihn im Abendrot bestiegen und bis auf uns waren nur zwei weitere junge Frauen dort gewesen. Es hatte sich dann sogar herausgestellt, dass sie zusammen waren, denn sie hatten sich geküsst, was uns beide dahinschmelzen hatte lassen. Es war immer wieder schön, zu sehen, dass man nicht alleine war und auch noch andere so fühlten.

Nun saßen wir aber wieder in meinem Auto und rasten über die Autobahn nach Hause. Wir hatten bereits fünf Stunden Fahrt hinter uns und würden dementsprechend in etwa zwei Stunden bereits die österreichische Grenze passieren. „Können wir vielleicht wieder mal eine Pause machen? Ich meine, am besten in Italien noch, da ist die Chance geringer, dass wir jemanden kennen... Ich müsste nämlich mal aufs Klo", schlug Lexi vorsichtig vor und dann fuhr ich auch schon an der nächsten Raststation von der Autobahn ab.

Ich fand es toll, dass meine Freundin so mitdachte. Ich meine, wir hatten vor unserer Abreise nochmal besprochen, wie wir uns zuhause verhalten würden und abgemacht, in der Schule wie gewohnt kühl miteinander umzugehen, um unsere Mitmenschen nicht stutzig zu machen, doch dass sie das echt so ernst nahm, beruhigte mich. Es würde auch keine Annäherungen in der Öffentlichkeit geben. Wenn etwas passierte, dann hinter verschlossenen Türen oder irgendwo, wo uns niemand kennen konnte, sollten wir mal wieder einen Ausflug machen. Auch mit Tina sollte Lexi nochmal sprechen, darum hatte ich sie gebeten, denn ich konnte es nicht zulassen, dass dieses Mädchen uns vielleicht durch unüberlegte Aktionen aus Versehen verriet. Ich mochte sie zwar mittlerweile, denn Lexis Freunde waren irgendwie auch meine Freunde, selbst wenn sie das nicht wussten, doch für Tina stand eben einfach nicht dasselbe auf dem Spiel wie für mich. Ich hatte Angst, das musste ich zugeben, doch sobald Lexi bei mir war, war da auch noch Zuversicht. Wir würden das schon schaffen, oder?

„Lexi?", fragte ich vorsichtig. „Hm?", sie drehte den Kopf zu mir und ich konnte aus dem Augenwinkel ihre gerunzelte Stirn erkennen. „Ich... Ähm... Naja, ich wollte dich fragen, ob du... ob du vielleicht mit zu mir kommen möchtest, solange du... solange du dich mit deiner Mutter nicht versöhnt hast... In der Hütte ist es ja doch schon sehr kalt, oder? Und eine warme Dusche hat auch noch niemandem geschadet. Also, außer dir geht das zu schnell oder du möchtest das nicht." Ich war nervös. Warum war ich so nervös? Hatte ich etwa Angst vor ihrer Antwort? Wann war ich so ein Weichei geworden? „Du liebst dieses Mädchen, Lucrezia. Es ist normal, dass du so reagierst", flüsterte mir meine innere Stimme beschwichtigend zu. Immer noch spürte ich Lexis Blick auf mir ruhen. Wieso sagte sie denn nichts? Ich wollte gerade nochmal ansetzen, um das alles einfach zurückzunehmen, da entgegnete sie: „Das würde ich wirklich sehr gerne... Aber ich möchte dir ehrlichgesagt nicht zur Last fallen... Ich bleibe nicht ewig, versprochen. Ich werde mir einen Job suchen und eine eigene Wohnung mieten, okay? Wenn ich aber bis dahin wirklich bei dir wohnen könnte, wäre das sehr lieb!" Ich stieß erleichtert die Luft aus, von der ich gar nicht bemerkt hatte, dass ich sie überhaupt angehalten hatte. Dann legte ich meine Hand sanft auf ihre und entgegnete: „Du fällst mir nicht zur Last. Wir müssen nur noch besser aufpassen dann... Es darf niemand sehen, wie du in meine Wohnung kommst oder sie verlässt, denn die Leute reden und auch wenn wir in einer Stadt wohnen, es gibt immer jemanden, der jemanden kennt... Doch wir können ja auch das mal probieren und sehen, wie wir zurechtkommen. Ganz ohne Verpflichtungen, okay?" Als wir das auch geklärt hatten, begann Lexi, mich mit den Pommes zu füttern, die wir uns an der Raststätte vorhin geholt hatten. Sie brachte mich mit ihrer unverfälschten Art immer wieder zum Lachen. Ich fühlte mich einfach so wohl in ihrer Gegenwart. Dass Liebe sich so anfühlte, war mir jetzt bewusst, doch warum ich diese Gefühle noch nie zuvor für jemanden aufbringen hatte können, war mir ein Rätsel. Wie schaffte es meine 18-jährige Schülerin, sowas in mir auszulösen, was Unzählige vor ihr nicht mal ansatzweise hinbekommen hatten?

„Geh schon mal rauf, ich bringe die Sachen dann hoch", ich reichte Lexi meine Schlüssel und sie machte sich auf den Weg zur Wohnhauseingangstür. Es war schon nach Mitternacht. Hoffentlich war einfach niemand mehr wach. Nach einer Weile hatte ich meinen Wagen endlich ausgeräumt. Das war zugegebenermaßen viel einfacher gewesen, als ihn einzuräumen. Es war immerhin ein Sportwagen mit wenig Kofferraum, doch so hatte es zumindest einen Sinn gehabt, als Kind immer Tetris gespielt zu haben.

Auch ich stieg gerade die Treppe hoch und war erleichtert, niemanden getroffen zu haben. Ich stellte die Reisetaschen in unserem Flur ab und wurde dann auch schon in eine sanfte Umarmung gezogen. „Es gibt Momente, da fühle ich mich, als würde ich träumen, Lexi", hauchte ich ihr zu und sie antwortete: „Geht mir genauso. Und es ist ausnahmsweise mal kein Albtraum." Ich musste unweigerlich lächeln, als mir auffiel, dass meine Freundin die ganze Zeit in der Toskana über nicht einmal wegen eines Traums wach geworden war. Das freute mich ausgesprochen für sie. Es schien ihr insgesamt ein wenig besser zu gehen, ja, sie wirkte wirklich glücklich auf mich! Glücklich mit mir. „Lass uns morgen den Sonntag noch in meiner... entschuldige, unserer Wohnung genießen. Ich möchte dich so lange bei mir haben wie möglich und wir wissen beide, dass die Zeit in der Schule wirklich hart werden wird", schlug ich vor. Auch meine Schülerin lächelte nun und küsste mich. „War das ein Ja?" Sie kicherte: „Das war es. Wie könnte ich dir je ein Nein entgegnen...?"

In you I found remedyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt