#26 Nur diese eine Nacht

2.9K 144 9
                                    

POV Lexi Falkner

Es war das Schönste gewesen, was mir jemals passiert war. Noch schöner, als ich es mir ausgemalt hatte und das hatte ich in letzter Zeit sehr oft getan. Meine Lehrerin und ich, wir hatten uns geküsst. Ich war vom einen auf den anderen Moment von all den Sorgen befreit gewesen, die sich die letzten Jahre über als schwere Last auf meinem Brustkorb niedergelassen hatten. Ich hatte wieder gefühlt und zwar etwas anderes als Wut oder Trauer oder diese unglaublich ermüdende Leere. Ich war nach so langer Zeit wieder mal unbeschwert und glücklich gewesen. Und doch wusste ich genau, dass es verboten war, dass es nicht passieren hätte dürfen. Aber warum war so etwas Schönes nur verboten? Wer nahm sich das Recht heraus, über die Liebe, so etwas Undefinierbares, Gesetze zu verhängen? Wer nahm sich das Recht heraus, darüber zu bestimmen, ob sich zwei Personen lieben durften? Es machte mich traurig, zu wissen, dass dieser Kuss ein Fehler gewesen war, der vermutlich kein zweites Mal passieren würde, zumindest nicht, solange ich die Schülerin von Lucrezia Villani war. Und trotzdem hielt mich dieses Wissen nicht davon ab, eine Frage zu stellen, deren Antwort mich binnen Millisekunden wieder völlig zerstören könnte. Ich musste das einfach tun. Zittrig setzte ich an: „Bleiben Sie... Bleiben Sie heute Nacht bei mir? Nur diese eine Nacht... Bitte..." Meine Stimme zitterte und brach zum Schluss hin ganz. Der Blick meiner Lehrerin war immer noch auf mich gerichtet und wie so oft konnte ich daraus nicht lesen, was in ihr vorging. Nach einer gefühlten Ewigkeit antwortete sie mir hingegen: „Wenn du das möchtest... Diese eine Nacht..." Ich konnte mein Glück kaum fassen. Ich würde in der Gegenwart dieser für mich so besonderen Person einschlafen und hoffentlich auch wieder neben ihr aufwachen dürfen. Sie würde bei mir bleiben! Und auf einmal erschien mir die Nacht nur noch halb so furchteinflößend.

„Das Sofa ist nicht wirklich groß, aber wenn Sie wollen, schlafe ich auch am Teppich, das ist kein Problem...", bat ich ihr gerade an. „Spinnst du? Das lasse ich nicht zu. Wenn es für dich kein Problem darstellt, finden wir bestimmt beide Platz auf dieser Couch. Und duze mich bitte, wir haben...", sie räusperte sich, „schon so viele intimere Momente miteinander erlebt, da wäre es unangebracht, dass du mich immer noch siezt." Die Glücksgefühle in mir wollten gar nicht mehr abebben. „Ist gut, Lucrezia", ich zwinkerte und betonte ihren Namen bewusst, was ihr ein Lächeln entlockte. Warum war sie nur so schön? „Komm her zu mir", forderte sie mich auf und sie hob ihren Arm an, sodass ich mich zu ihr legen konnte. Ich sah sie eine Weile einfach nur an, speicherte mir diesen Moment mit jedem kleinsten Detail in meinem Gedächtnis ab, dann trat ich auf sie zu und legte mich in ihre Arme. Diese Wärme fühlte sich gut an, ich fühlte mich beschützt wie nie zuvor. So als könnte mir nichts auf der Welt etwas anhaben.

„Lucrezia?", fragte ich vorsichtig in die Dunkelheit hinein. Wir hatten das Licht bereits ausgemacht und ich wusste nicht, ob sie schon schlief, aber ich hatte einfach das Bedürfnis, mit ihr zu reden. „Ja, Lexi?" Es fühlte sich gut an, wie sie meinen Namen sagte. Sie machte das mit so einer Selbstverständlichkeit, als seien wir in dieser Nacht nur zwei Frauen, die sich zueinander hingezogen fühlten und nicht Lehrerin und Schülerin, die immer weiter im Meer der verbotenen Handlungen und Gefühle zu ertrinken schienen. „Ich weiß ehrlichgesagt nicht mal, was ich sagen wollte, aber mir ist nach Reden. Mir ist danach, dich besser kennenzulernen. Vielleicht ist das dumm, naiv, aber..." Doch sie unterbrach mich bereits: „Was möchtest du denn wissen?" „Das ist eine gute Frage. Nicht nur die Basics zumindest. Also schon auch, aber mehr noch, was dich beschäftigt, dich glücklich macht, worüber du dir Gedanken machst, wenn du in den Nachthimmel siehst... Ich nehme jede Information, die du mir geben willst." Stille. Hatte ich zu viel verlangt? Anstatt mir jedoch zu antworten, spürte ich nur, wie sie sich neben mir bewegte und kurz darauf fühlte ich auch schon wieder ihre Lippen auf meinen. Wie machte sie das nur, mir alle Zweifel binnen weniger Augenblicke zu nehmen?

In you I found remedyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt