POV Lexi Falkner
Jeder Schritt, den ich tat, hallte im leeren, kühlen Treppenhaus wider. Meine Beine fühlten sich schwer an, so als wäre ich knapp vorm Einschlafen und ihre Arbeit für den Tag wäre schon getan, während mein Herz aber raste und mir somit signalisierte, dass ich doch hellwach und vor allem am Leben war. Eigentlich wäre mir lieber, das alles hier wäre nur einer meiner Albträume und ich würde gleich von Lucy wachgeküsst werden. Das Einzige, das mich jedoch weckte, war die Tatsache, dass Lucrezia Villani gerade vor ihrer Wohnungstür stand und... zwei Reisetasche herausstellte! Mit einem Mal wurde mir speiübel, doch ich versuchte, erstmal die Situation zu checken, bevor ich durchdrehte. Das hatte mir meine Therapeutin damals geraten, denn meistens sei alles halb so schlimm und nicht so, wie es auf den ersten Blick wirke. Als Lucrezias Blick jedoch auf meinen traf und ich diese unglaubliche Leere in ihren Augen bemerkte, durchfuhr mich ein unsagbarer Schmerz. Es war, als hätte sie mir ein Messer direkt in mein Herz gerammt und mit ihren folgenden Worten rührte sie nur nochmal kräftig damit drin herum: „Geh bitte. Es ist aus. Ich kann das nicht mehr." Diese drei so klitzeklein erscheinenden Sätze reichten aus, um meine Welt endgültig zum Einsturz zu bringen. Ich musste mich regelrecht am Treppengeländer festkrallen, um nicht den Halt zu verlieren und zusammenzubrechen, dabei wäre es mir gerade lieber gewesen, einfach die Treppe hinabzustürzen und mir kurz und schmerzlos das Genick zu brechen. In diesem Moment wollte ich einfach nur sterben. Und wenn ich sagte sterben, dann meinte ich sterben. Meine Schnappatmung setzte ein und ich dachte, es wäre wirklich bald um mich geschehen, als ich zwei Hände fühlte, die sich um mich legten, bevor ich ohne Dämpfer zu Boden knallen konnte. Doch es waren nicht die Hände, von denen ich gehalten werden wollte. Es waren nicht die Hände, die mir einmal Halt versprochen hatten. Die Hände, die ich schützend um mich gelegt fühlen wollte, waren jene, die mir gerade den Stoß ins Verderben verpasst hatten. Die ersten Tränen bahnten sich nun den Weg meine Wangen hinab und ich fühlte mich, als sei ich nur noch eine Marionette, als hätte ich keine Macht mehr über meinen Körper. Mit einem Ruck hatte ich mich aus Tinas klammernden Armen befreit, sprang auf meine wackeligen Beine und stürzte mich auf die Person, die nun wohl nicht mehr mehr war, als meine Lehrerin. Ich knallte sie gegen die Wand neben ihrer Wohnungstür und schlug dagegen. Ich sah ihren angsterfüllten Blick und erkannte mich selbst darin. So musste ich gestern Abend noch ausgesehen haben, als sie mich geschlagen hatte. Ich wurde nur noch aufgelöster und war schon knapp davor, nicht mehr auf die Wand, sondern wirklich auf sie einzudreschen, da fiel plötzlich mir auf, dass ich das nicht konnte. Ich war wütend, unglaublich wütend und verletzt, doch ich könnte dieses makellose Gesicht nie verunstalten. Ich könnte dieser Person niemals Schaden zufügen, ihr Schmerzen bereiten. Ich liebte sie dafür viel zu sehr. Und da dämmerte es mir: Sie hatte mich wohl nie geliebt, sonst hätte sie mich niemals geschlagen. „Du hast mich nie geliebt... Nie geliebt...", murmelte ich verzweifelt vor mich hin und richtete meinen Blick auf den kahlen Fliesenboden. Die Worte waren wie Feuer und je öfter ich sie aussprach, desto mehr Brandblasen bildeten sich in meinem Herzen. Es tat so unglaublich weh, weil die Erkenntnis einfach so real war.
Eine gefühlte Ewigkeit später hob ich meinen Kopf aber wieder an, der sofort nur noch wenige Zentimeter von Lucrezias Gesicht entfernt war. Doch anstatt sie zu küssen, wie ich es sonst sicher getan hätte, wäre alles wie immer, schaute ich ihr fest in die Augen und hauchte mit gebrochener Stimme: „Du hast mich nie geliebt... Und ich Idiot dachte, wir hätten eine gemeinsame Zukunft." Dann, ein wenig leiser und mehr zu mir selbst, fügte ich hinzu: „Wie konnte ich nur denken, mir wäre all das hier vergönnt... Ich hätte mal Glück... Wie naiv kann ein Mensch sein..." Ich konnte ihr nicht länger in die Augen sehen, schaute zur Seite und stieß mich dann von der Wand hinter ihr ab, um nach den Taschen zu greifen und mich auf den Weg zur Treppe zu machen. Es war aus. Es war aus und ich konnte es nicht ändern. Wir hatten nicht mal über die Gründe dafür geredet und doch war mir der Grund bewusster denn je. Sie hatte mich einfach nie geliebt.
Ich saß nun schon über zwei Stunden auf Tinas Bett und starrte ins Leere. All meine Tränen waren schon vergossen und ich fühlte selbst nicht mehr wirklich viel. Nach alldem, was ich in den letzten Monaten an Glücksgefühlen erlebt hatte, war das jetzt wohl die Strafe. Die Strafe dafür, geliebt zu haben. Oder besser gesagt: Die Strafe dafür, zu lieben. Ich dachte an den Aufsatz zurück, den ich in der ersten Stunde Nachsitzen bei dieser Frau geschrieben hatte. Ich hatte darin erläutert, dass Liebe immer mit Leid zusammenhing und da hatte ich offensichtlich recht behalten... Je schöner und unbeschwerter die Zeit davor, desto schmerzhafter die Trennung. „Hey, ich glaube einfach nicht, dass sie dich nie geliebt hat. Wieso hätte sie dann überhaupt etwas mit dir anfangen sollen? Nur für ein wenig Spaß setzt man nicht seinen Job und seine Zukunft aufs Spiel!" Tina versuchte schon die ganze Zeit über, mir gut zuzureden, doch ich war blind vor Trauer und Reue. Ich bereute es, mich auf all das eingelassen zu haben. Auch wenn ich keine der gemeinsamen Stunden, der gemeinsamen Sekunden mit Lucrezia bereute und nichts davon missen wollte, die Tatsache, mich zu Schulbeginn überhaupt auf ihre dummen Spielchen eingelassen zu haben, nagte schwer an mir. „Ich weiß es ja auch nicht, verdammt! Wie soll ich das wissen? Offenbar ist alles krank, was in ihrem Hirn abgeht!", schrie ich Tina an. Es tat mir leid, dass sie all meine Wut abbekam, aber es war immerhin schon ein Fortschritt, einfach jemanden mit gehobener Stimme anzugehen, als gegen einen Spiegel zu schlagen oder meinen Arm aufzuschneiden. Wäre meine beste Freundin nicht hier, hätte ich all das wahrscheinlich schon längst getan, doch es fühlte sich besser an, einfach von einem Fortschritt zu sprechen, wenn sonst schon alles den Bach runter ging. „Ihr solltet euch wirklich nochmal unterhalten. Wenigstens über die Gründe für eure Trennung. Das ist sie dir definitiv schuldig", stellte Tina in den Raum. „Es gibt keine Gründe, sie hat mich nicht geliebt, das ist der einzige Grund. Mehr muss und will ich eigentlich gar nicht wissen. Die abscheulichen Details kann sie sich sparen." „Lexi, sie hat mir am Tag davor noch das Du angeboten! Wieso sollte sie das denn tun, wenn sie dich nicht wirklich liebt? Wenn sie von Anfang gewusst hätte, dass sie eure Beziehung sowieso beendet? Das hätte diese Lehrerin doch niemals getan! Sie ist die Professionalität in Person, wenn es um Verhalten in der Schule geht!" Ich seufzte. Ich hasste Tinas sachliche Art gerade. Sie brachte mich zum Nachdenken, wo ich doch eigentlich gar nichts machen, fühlen oder denken wollte. Aber sie hatte irgendwo auch recht. Wieso hatte sie ihr knapp davor noch das Du angeboten, wenn sie das Ende unserer Beziehung sowieso geplant hatte? Ich wurde einfach nicht schlau aus dieser Frau, doch mich bei ihr zu melden, um mit ihr nochmal darüber zu reden, das kam auf gar keinen Fall in Frage. Ich fühlte mich zu schwach dazu und ich wusste genau, dass man eine Lucrezia Villani nicht umstimmen konnte, wenn sie sich für etwas entschieden hatte. Schon gar nicht, wenn es sich um eine so schwerwiegende Entscheidung handelte. Und trotzdem war da ein Funke Hoffnung, der aber wohl bald schon verglüht sein sollte...
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In you I found remedy
Teen Fiction[Abgeschlossen] Mir ist danach, dich besser kennenzulernen. Vielleicht ist das dumm, naiv, aber..." Doch sie unterbrach mich: „Was möchtest du denn wissen?" „Das ist eine gute Frage. Nicht nur die Basics zumindest. Also schon auch, aber mehr noch, w...